News: Ukraine-Friedenskonferenz in der Schweiz, Junge AfD-Wähler, Habecks heikle Chinareise
Auf dem Schweizer Bürgenstock beginnt die Ukraine-Friedenskonferenz. Junge Erwachsene erzählen, warum sie AfD wählen. Und Vizekanzler Robert Habeck bereitet sich auf eine heikle Mission vor. Das ist die Lage am Samstagmorgen.
News: Ukraine-Friedenskonferenz in der Schweiz, Junge AfD-Wähler, Habecks heikle Chinareise
Ukraine: Frieden in der (Schweizer) Luft?
Gestern habe ich in einem Teil des Newsletters Olaf Scholz ein Jahr jünger gemacht als er ist. Der Kanzler feierte tatsächlich seinen 66. Geburtstag, nicht seinen 65. Nun ja, besser als andersrum. Man könnte es also als Kompliment verstehen.
Gestern Morgen wurde der Kanzler von Ursula von der Leyen, Charles Michel, Emmanuel Macron, Justin Trudeau, Rishi Sunak und Joe Biden aus dem G7-Kreis mit einem Ständchen gefeiert, »Happy Birthday, Olaf«. Man kann es sich auf TikTok ansehen und erfährt, dass nur gesungen wurde, weil Biden es so wollte, nachdem er von Ursula von der Leyen auf das Ereignis hingewiesen wurde.
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Heute Nachmittag reist Scholz vom G7-Gipfel in Apulien weiter in ein Resort auf dem Schweizer Bürgenstock. Dort treffen sich Vertreter aus 92 von 160 eingeladenen Staaten und acht internationalen Organisationen zu einer »Hochrangigen Konferenz zum Frieden in der Ukraine«. Wobei »hochrangig« eine großzügige Beschreibung ist: 35 Länder schicken nur die zweite oder dritte Reihe aus dem Regierungsapparat.
China, das erheblichen Einfluss auf den Aggressor Russland nehmen könnten, kommt gar nicht. Saudi-Arabien schickt immerhin seinen Außenminister. Dem Land wird eine zentrale Rolle im Friedensprozess zugeschrieben, weil es enge Kontakte zu Russland hält, aber auch von der Ukraine respektiert wird. Die nächste Konferenz könnte also in Riad stattfinden.
Die Chancen einer Annäherung zwischen Moskau und Kiew allerdings sind eher geschrumpft, nachdem Wladimir Putin gestern Bedingungen für einen Waffenstillstand formuliert hat. Die Ukraine wies sie umgehend zurück, der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj verglich Putins Vorgehen mit dem von Hitler im Zweiten Weltkrieg.
Es wäre schon ein Erfolg, heißt es nun im Vorfeld der Schweizer Konferenz, wenn es ein gemeinsames Bekenntnis zum Völkerrecht geben und der Einsatz oder die Androhung von Atomwaffen in dem Krieg geächtet würde. Pragmatisch geht es in den Gesprächen um Ernährungssicherheit, um eine freie Schifffahrt im Schwarzen Meer und den Umgang mit Gefangenen.
Scholz hat seinen Aufenthalt auf dem Schweizer Berg verkürzt und wird schon am Sonntagmorgen zurückfliegen. Schwierige Haushaltsgespräche stehen an und eine Sondersitzung des SPD-Präsidiums, Thema: das miese Ergebnis bei der Europawahl.
Junge Wähler: Angst vor dem Kalifat
Die Jungen und die AfD waren schon des Öfteren Thema in dieser Morgenlage. Eine überzeugende Erklärung, warum so viele der unter 25-Jährigen bei der Europawahl AfD gewählt haben, hatte ich bislang nicht gelesen.
Sehr aufschlussreich finde ich deshalb, was meine Kolleginnen und Kollegen zum Wahlverhalten der Jungen in einer großen SPIEGEL-Geschichte zusammengetragen haben. Sie haben mit jungen Frauen und Männern gesprochen, die bewusst keine Partei der Ampel gewählt haben, sondern AfD, CDU, BSW oder die kleine Volt-Partei.
Da ist zum Beispiel Theodor, 20, der früher für eine linke Partei aktiv war und heute sagt: »Ich bin kein Reaktionärer, der sich auf TikTok irgendwelche Videos von Maximilian Krah oder von ›Tradwives‹ anschaut, die in sozialen Netzwerken ein Familienbild der Fünfzigerjahre vorleben. Es war eine echte Überwindung, erstmals AfD zu wählen.« Aus Protest gegen die aktuelle Migrationspolitik habe er sich aber schließlich dazu entschlossen. »Vielleicht ist die vermeintliche ›Islamisierung‹ Deutschlands doch keine abstruse Verschwörungserzählung der Rechtsextremen. Es frustriert mich, dass linke Parteien bei diesem Thema keine Antworten haben, dass sie da blind sind«, sagt er.
Oder Laura Jane, 20, die sagt: »Natürlich will ich nicht, dass alle Ausländer das Land verlassen müssen. Aber ich finde schon, dass man die Sprache lernen und die Kultur akzeptieren muss, wenn man in ein neues Land kommt. Ich möchte in keinem Kalifat leben.«
Es ist vor allem ein Stück über Ängste, das nachdenklich macht.
China: Habecks heikle Reise
Erst kürzlich war Olaf Scholz in China, demnächst reist der Bundeswirtschaftsminister dorthin, im Rahmen seiner Ostasienreise, die ihn zunächst nach Südkorea führt. Robert Habeck nimmt eine kleine Wirtschaftsdelegation mit, 13 Vertreter wurden ausgewählt.
Erst der Kanzler, jetzt der Vizekanzler, es ist ein guter wie kritischer Zeitpunkt: Die EU-Kommission hat kürzlich angekündigt, Sonderzölle von 17,4 bis 38,1 Prozent auf den Import chinesischer Elektroautos zu verhängen, sollte mit der Staatsführung in Peking keine andere Lösung gefunden werden. Es ist eine Reaktion darauf, dass China den europäischen Markt mit subventionierten Billigautos überschwemmt. Die EU sieht das als Verstoß gegen gleiche Wettbewerbsbedingungen.
Die deutschen Autobauer sind gegen derartige Strafen. Sie fürchten eine Gegenreaktion Pekings, die den Verkauf deutscher Autos in China erschweren könnte. Auch Kanzler Scholz hatte sich gegen solche Zölle ausgesprochen, um keinen Handelskrieg mit China zu provozieren. Nun hofft man in der Bundesregierung, dass China gesprächsbereit ist und die Ankündigung aus Brüssel nicht zu einer Eskalation führt. Der Druck auf Habeck ist also nicht gerade klein.
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Ich wünsche Ihnen ein erholsames Wochenende und eine wunderbare EM!
Ihr Martin Knobbe, Leiter des SPIEGEL-Hauptstadtbüros