Formycon: Der neue Coup der Strüngmann-Zwillinge
Formycon: Das Investement der Hexal-Brüder Andreas und Thomas Strüngmann (im Bild: Thomas Strüngmann) Foto: dpa Picture-Alliance data-portal-copyright=
Erst Hexal, dann Biontech, jetzt Formycon: Andreas und Thomas Strüngmann haben ein Händchen für starke Medikamente und gute Geschäfte. In den USA haben sie nun wieder einen großen Erfolg gelandet.
Die Existenz des Unternehmens stand auf dem Spiel. Am Ende jedoch gewann das kleine Unternehmen Durachemie gegen den großen Bayer-Konzern. Durachemie, so entschied das Landgericht Hamburg, dürfe eine generische Version das umsatzstarken Bayer-Herzmittels Adalat (in Kapselform) verkaufen, dessen Patent gerade erst abgelaufen war.
Das war im Jahr 1986. Es war der erste große Sieg der bayerischen Pharma-Unternehmer Thomas und Andreas Strüngmann. Und es sollte nicht der letzte bleiben. Die Zwillinge bauten später den Generika-Hersteller Hexal auf, investierten in zahlreiche Biotechunternehmen und gründeten – gemeinsam mit Ugur Sahin und Özlem Türeci – 2007 das Mainzer Biotechunternehmen Biontech.
Konkurrenz für Bayer
Nun ist beiden wieder ein Coup gelungen. Auch diesmal machen sie Bayer Konkurrenz. Eines der jüngsten Strüngmann-Investments ist das Münchner Biotechunternehmen Formycon, das sich darauf spezialisiert hat, erfolgreiche Biotech-Medikamente nachzubauen, um sie dann nach Patentablauf günstiger anzubieten als der Originalhersteller. „Biosimilars“ heißen solche Medikamente in der Fachsprache. Das Konzept haben die Strüngmann-Zwillinge bereits bei Durachemie und Hexal erfolgreich praktiziert.
Auch diesmal wieder mit Erfolg: An diesem Freitag hat die US-Arzneibehörde FDA Formycons Biosimilar zum Augenmedikament Eylea zugelassen. In Europa erwartet Formycon die Zulassung für Anfang 2025. Eylea ist eines der erfolgreichsten Medikamente der Welt, das Original wurde vom US-Unternehmen Regeneron und Bayer entwickelt.
Die Strüngmann-Zwillinge halten über ihr Investment-Vehikel Athos 24 Prozent an Formycon. Weitere Anteilseigner sind der Investor Peter Wendeln (14 Prozent) und das ungarische Unternehmen Gedeon Richter (neun Prozent). Der Einfluss der Brüder geht allerdings deutlich über den Anteil hinaus, sagt Formycon-CEO Stefan Glombitza: „Wir haben das gleiche Mindset wie damals bei Hexal. Die Brüder Strüngmann haben uns unternehmerische Agilität gelehrt“, lobt der Unternehmenschef, der selbst bei Hexal arbeitete, bevor er zu Formycon ging. Das war zu einer Zeit, als die Strüngmann-Zwillinge bei Hexal noch das Sagen hatten – bevor sie ihr Unternehmen 2005 an Novartis verkauften, um sich fortan ihren Biotech-Investments zu widmen.
Gegenwind von Original-Herstellern
Noch ist nicht sicher, ob Formycon ein ähnlich großer Erfolg wird wie Hexal oder Biontech. Doch in den USA konnte das Münchner Biotech-Unternehmen schon punkten. Formycon hat dort bereits ein Biosimiliar des erfolgreichen Augenmedikaments Lucentis vom Hersteller Novartis auf den Markt gebracht. CEO Glombitza lässt durchblicken, dass Formycon mit seiner Lucentis-Alternative bereits 40 Prozent des Gesamtmarktes erreicht hat.
Die Idee, eine Alternative zum Original-Eylea anzubieten, hatte Formycon diesmal allerdings nicht allein. Die Biotech-Unternehmen Biocon und Samsung Bioepis haben bereits eine entsprechende US-Zulassung erhalten, weitere Wettbewerber werden bald ebenfalls eine Genehmigung der US-Arzneibehörde bekommen.
Zugleich versuchen Bayer und Regeneron natürlich, ihre Position zu verteidigen. Sie bieten neuerdings höherdosiertes Eylea an, das weniger häufig ins Auge gespritzt werden muss – für die Patienten ein Vorteil. Und womöglich ein Argument für manche Ärztin, doch lieber das Mittel vom Original-Hersteller zu verschreiben. Laut CEO Glombitza ist Formycon „technisch auch in der Lage“, wie Regeneron und Bayer ein höherdosiertes Eylea-Biosimilar zu entwickeln, hat aber noch nicht entschlossen, einzusteigen.
Die höherdosierte Variante, sagt Glombitza, stelle nicht für jeden Patienten eine geeignete Alternative dar. Und am Ende sei es auch eine „Kostenfrage, da höherdosiertes Eylea deutlich teurer sein wird als die Biosimilars der Standard-Dosierung.“ Glombitza schätzt, dass das Eylea-Biosimilar Formycon zwischen 300 bis 500 Millionen Euro Jahresumsatz einbringen könnte. Der Großteil davon müssen die Münchner allerdings an mehrere Lizenz- und Kommerzialisierungspartner abgeben, die das Augenpräparat in verschiedenen Ländern vermarkten. Dafür fehlten bei Formycon bislang die Kapazitäten. Hängenbleiben dürfte am Ende nur ein zweistelliger Millionenbetrag.
Nächste Zulassung in Sicht
Doch ähnlich wie früher bei Hexal setzt das Strüngmann-Investment auch diesmal nicht auf eine einzige Medikamenten-Entwicklung. Bald soll ein Biosimilar zu Stelara, einem Mittel gegen die Entzündungskrankheit Schuppenflechte folgen. Die US-Zulassung erwartet Glombitza Ende September, die europäische Genehmigung im vierten Quartal. Als Vermarktungsstart in den USA ist der 15. April 2025 vereinbart – darüber konnte sich Formycon bereits mit dem Original-Hersteller Johnson & Johnson einigen.
„Das Stelara-Biosimilar soll für uns ein echter Gamechanger werden“, sagt der CEO. Er rechnet für Formycon in der Spitze mit dreistelligen Millioneneinnahmen pro Jahr, deutlich mehr als beim Eylea-Biosimilar. Denn Formycon konnte sich diesmal einen höheren Anteil an den Vermarktungserlösen sichern, nachdem die vollständigen Rechte vom Großaktionär Athos auf Formycon übertragen worden sind. Globaler Kommerzialisierungspartner ist Fresenius Kabi.
Keytruda – das umsatzstärkste Medikament der Welt
Noch Jahre dürfte es hingegen dauern, bis das ehrgeizigste Pipeline-Projekt von Formycon den Markt erreicht – ein Biosimilar zum Krebsmittel Keytruda, mit 25 Milliarden Dollar das umsatzstärkste Medikament der Welt. Hergestellt wird Keytruda vom US-Konzern Merck & Co.; der Patentschutz läuft noch. Doch die Wettbewerber bereiten sich bereit jetzt auf den Tag X vor. .„Wir beginnen gerade mit den klinischen Studien“, sagt CEO Glombitza, „dies positioniert uns in der Führungsgruppe der Biosimilar-Entwickler für das derzeit umsatzstärkste Produkt weltweit.“ Wenn es gut läuft, erwartet Glombitza „signifikante Umsätze gegen Ende dieses Jahrzehnts.“
Noch ist ein Erfolg mit einem Keytruda-Biosimilar vor allem eine Hoffnung. Insgesamt aber scheint Formycon dennoch auf gutem Weg zu sein. 2023 stieg der Umsatz auf 78 Millionen Euro. Das Betriebsergebnis fiel mit 1,5 Millionen Euro leicht positiv aus – vor allem, weil geplante Investitionen geringer waren als gedacht. In den nächsten Jahren will Formycon eine „nachhaltige Profitabilität“ erreichen.
Bei einem Kurs von etwas über 50 Euro liegt die Aktie noch ein gutes Stück von ihrem Höchststand (92,50 Euro) entfernt. Mit den Strüngmann-Zwillingen haben sie allerdings geduldige, langfristig orientierte Investoren an Bord – die schon einige Male bewiesen haben, dass sie auch mit schwierigen Herausforderungen fertig werden.
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