US-Wahlen: Wird Biden ausgewechselt? Diese Optionen haben die Demokraten – und so realistisch sind sie
US-Vizepräsidentin Kamala Harris bei einer Veranstaltung zum Recht auf Abtreibung. Wäre sie eine vielversprechende Alternative zu Joe Biden? Foto: REUTERSdata-portal-copyright=
Die Zweifel an der Kandidatur von Joe Biden werden lauter. Doch können die US-Demokraten ihr Pferd im Rennen um die US-Präsidentschaft überhaupt noch wechseln?
Der Präsidentschaftswahlkampf in den USA geht in die heiße Phase. Beunruhigend für die Demokratische Partei: Die Zweifel an ihrem Kandidaten – Amtsinhaber Joe Biden – werden nach dem ersten TV-Duell gegen Donald Trump immer lauter. Es stellt sich die Frage, ob die Demokraten nicht doch noch kurzfristig jemand anderen gegen Donald Trump ins Rennen schicken könnten.
Aus Sicht von Laura von Daniels, Leiterin der Forschungsgruppe Amerika der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), ist das Szenario eines Wechsels sehr unwahrscheinlich – aber nicht unmöglich. Einen innerparteilichen Putsch hält die Expertin allerdings für nahezu ausgeschlossen, dafür gebe es keinen historischen Referenzfall. Ein Kandidatenwechsel „wird nur passieren, wenn Joe Biden freiwillig den Weg freimacht“.
Technisch ist alles möglich, denn Joe Biden ist noch nicht offiziell vom Parteitag zum Kandidaten gekürt worden, dies wird voraussichtlich erst Ende Juli geschehen. Doch wer böte sich überhaupt als Alternative an und welche Chancen hätte er oder sie, gewählt zu werden?
Bisher gibt es keine Anzeichen dafür, dass die Demokraten von Biden abrücken könnten. „Obamas Wahlstratege David Axelrod war bisher die einzige prominente Stimme die Bidens Kandidatur in Frage gestellt hat“, sagt Daniels. Bisher schoss niemand mit politischem Gewicht gegen Biden. Es sei schwer vorstellbar, dass Barack Obama selbst oder jemand aus dem Lager der Clintons Biden offen kritisieren würde.
Eine Rochade könnte nach Ansicht der Beobachterin allerdings ausgelöst werden, wenn die Gesundheit des 81-Jährigen eine Kandidatur unmöglich mache. Die Kandidaten müssten dann unter den Delegierten des Parteitags um Unterstützung werben. Das hat es bei den Demokraten seit 1960 nicht mehr gegeben, als John F. Kennedy und Lyndon B. Johnson auf dem Parteitag in Los Angeles um Stimmen buhlten. Daniels zufolge stünden durchaus einige gewichtige Namen zur Auswahl.
Die Top 3: Harris, Whitmer, Newsom
„Die natürliche erste Wahl, wenn der amtierende Präsident und der Präsidentschaftskandidat der Demokratischen Partei aus dem Rennen austritt, ist seine Vizepräsidentin Kamala Harris“, macht die Politologin klar. Diese Regel müsste eine Herausforderin oder ein Herausforderer erstmal anzweifeln.
Dass es darüber überhaupt eine Diskussion gibt, begründet sie damit, dass Harris bislang als schwache Vizepräsidentin wahrgenommen werde, die kein starkes Profil entwickelt hat. Sie habe die in sie gesetzten Erwartungen nicht erfüllt.
Neben Harris gebe es noch andere starke Kandidaten in der Demokratischen Partei: „Hier würde ich auf den demokratischen Gouverneur aus Kalifornien, Gavin Newsom, verweisen oder Gretchen Whitmer aus Michigan.“
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Doch auch Newsom und Whitmer müssen sich innerparteilich bewähren, da die Präsidentschaftskandidaten vor allem bei den Wechselwählern in den sogenannten Swing States punkten müssen. Der Wahlausgang hängt – bedingt durch das amerikanische Mehrheitswahlrecht – oft von einer sehr kleinen Gruppe von Wählern ab.
„Viele sagen jedoch, ein Gouverneur aus Kalifornien ist nicht das, was die demokratische Partei braucht, weder im Wahlkampf gegen Donald Trump noch in den nächsten Jahren, es brauche jemanden aus dem demokratischen Herzland“, berichtet Daniels.
„Gretchen Whitmer ist dagegen eher eine Mainstream-Kandidatin; gegen sie spricht, dass sie keine Vertreterin einer relevanten Minderheit ist.“ Neben religiösen Gruppen wie den Evangelikalen sind dies in den USA vor allem Afroamerikaner und Menschen mit lateinamerikanischen Wurzeln.
Sanders, Warren, Bloomberg, Buttigieg: Zweite Reihe, zweite Chance?
Hinter der ersten Reihe der potenziellen Nachrücker stehen Bidens Rivalen aus dem letzten Rennen um die Präsidentschaftskandidatur der Demokraten: die Parteilinken Bernie Sanders und Elizabeth Warren, der liberale Milliardär Michael Bloomberg und der amtierende Verkehrsminister Pete Buttigieg.
Daniels ist allerdings skeptisch, vor allem was Sanders, Warren und Bloomberg betrifft, die – wie Biden – mit 82, 75 und 82 Jahren bereits ein fortgeschrittenes Alter erreicht haben. „Ich kann es mir schwer vorstellen, dass eine oder einer aus dieser Reihe die Nachfolge antritt für einen Kandidaten, den man für zu alt, für zu schwach und geistig nicht mehr fit genug einstuft“, sagt sie.
Aber auch den 42-jährigen Buttigieg hält die Expertin für wenig aussichtsreich. „Bei Pete Buttigieg stellt sich die Frage der Wiedererkennbarkeit des Kandidaten und ob er genug Truppen in der demokratischen Partei um sich geschart hat.“ Die so genannte „name recognition“ sei in den USA entscheidend bei der Entscheidung für oder gegen einen Kandidaten. Die Frage sei: „Wer hat also die Chance überhaupt auf der nationalen Bühne wahrgenommen zu werden?“
Weitere Namen, die zirkulieren, sind die Gouverneure von Pennsylvania und Illinois, Josh Shapiro und Jay B. Pritzker, der kalifornische Kongressabgeordnete Ro Khanna, sowie die Senatorin Amy Klobuchar aus Minnesota. Für sie gelten jedoch die gleichen Regeln, wie für die bereits genannten.
Kamala Harris: Die sichere Bank?
Am Ende könnte die Suche nach einer Alternative zu Biden also wieder bei der Vizepräsidentin landen: Kamala Harris. Die 59-Jährige müsste sich Daniels Einschätzung nach allerdings mächtig ins Zeug legen. „Die ersten Wahlmodelle machen es weniger wahrscheinlich, dass eine Kandidatin Kamala Harris zum jetzigen Zeitpunkt eine Chance gegen Donald Trump hätte.“ Sie verweist auf Prognosen des britischen „Economist“, wonach Donald Trump in den wichtigen Swing-States in der Wählergunst deutlich vorn läge.
Bis zum Wahltermin könne aber noch viel passieren, Harris „ist jünger, agiler und könnte jetzt noch voll in den Wahlkampf einsteigen“, kommentiert die SWP-Expertin. Um diese Chance zu nutzen, müsste sich die Politikerin allerdings profilieren und mindestens zwei entscheidende politische Themen besetzen.
„Auf der Hand liegt das Thema Abtreibungsrechte, für das sie sich schon in der Vergangenheit eingesetzt hat.“ Die Debatte um das Recht auf Abtreibung wird in den USA seit der Teilrevision eines wichtigen Grundsatzurteils des Obersten Gerichtshofs vor allem von republikanischer Seite sehr ideologisch geführt.
Risiko Nichtwähler
Innerhalb des demokratischen Wählermilieus weitaus kontroverser diskutiert wird die Position zum Gaza-Konflikt und den Militärhilfen für Israel. „Das ist für die junge Wahlbevölkerung ausschlaggebend“, macht Daniels deutlich. Allerdings bestehe die Gefahr, andere Wählergruppen zu verlieren, weshalb die Aufgabe der sprichwörtlichen Quadratur des Kreises gleiche.
Doch egal, wer am Ende auf dem Wahlzettel steht: Allzu sicher darf sich nach Ansicht der Amerika-Kennerin keiner der Kandidaten sein – auch Donald Trump nicht. Denn für alle sei entscheidend, wie viele ihrer Anhänger letztlich zur Wahl gingen.
„Früher ist man davon ausgegangen, dass Nichtwähler eher im linken, liberalen Spektrum angesiedelt sind, das ist nicht mehr der Fall. Beide Kandidaten müssen ihre potenziellen Nichtwähler zur Wahlurne zwingen, weil es auf jede Stimme ankommt.“
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