Robert Menasse: „Die Gefahr ist nicht Kickl, die Gefahr ist die ÖVP“
Robert Menasse: „Die Gefahr ist nicht Kickl, die Gefahr ist die ÖVP“
In einem Interview anlässlich seinen Geburtstags am 21. Juni äußert sich Robert Menasse düster zu Österreichs innenpolitischer Zukunft. Angesichts der Stärkung des rechten Rands in Österreich und anderen Staaten bei der EU-Wahl bezeichnet er die politische Mitte „als die eigentliche Gefahr“: „Wenn die Mitte den Rechten nachhoppelt und sogar schamlos ankündigt, mit den Postfaschisten zu kooperieren, dann kann man die Mitte nicht mehr als Mitte, sondern nur noch als Gefahr bezeichnen“, so der bald 70-jährige Schriftsteller.
Überall in Europa liege der „Plafond der Rechtsextremen“ bei 30 Prozent. „Etwas anrichten können sie nur, wenn sie in sogenannte Verantwortung geholt werden, wenn mit ihnen koaliert wird. Das ist europapolitisch so, und das ist in unserem kleinen Österreich so“, sagt Menasse in einem APA-Interview. „Wenn die Mitte glaubt, die Stimmen von seinesgleichen [Harald Vilimsky, Anm.] zu brauchen, wird es gemeingefährlich. In Österreich kann Herr Kickl sich täglich zum Volkskanzler ausrufen, er bleibt doch ewig nur ein kleiner, schriller Oppositionspolitiker - außer die Mitte, in diesem Fall die ÖVP, bildet mit der FPÖ eine Regierung.“
Wenn sie die Ministerien bekommt, die sie haben will, ist ihr egal, wer unter ihr den Kanzler stellt. |
Robert Menasse |
---|
Dass die ÖVP zu einer Koalition mit der FPÖ bereit sei, sei seit der Koalition zwischen Ex-Kanzler Wolfgang Schüssel und der FPÖ 2000 bekannt. Auch, wenn die Volkspartei dabei selbst nicht den Kanzler stelle, sei sie für eine Koalition mit den Freiheitlichen zu haben, so Menasse. „Wenn sie die Ministerien bekommt, die sie haben will, ist ihr egal, wer unter ihr den Kanzler stellt. Die Gefahr ist also nicht Kickl, die Gefahr ist die ÖVP.“
Kickl sei „Phrasendreschpuppen“ überlegen
Der ÖVP-Parteiobmann werde in Regierungsverhandlungen mit FPÖ-Chef Herbert Kickl „chancenlos“ sein, sagt der Essayist. Denn Kickl habe sein Philosophie-Studium zwar abgebrochen, aber er habe „dialektisches Denken gelernt“. „Damit ist er den mechanischen Phrasendreschpuppen natürlich überlegen.“
Menasse warnt vor einem Szenario, indem Kickl der ÖVP nach den Nationalratswahlen im Herbst zunächst eine Minderheitsregierung unter seiner Duldung anbiete, bei den darauf anschließenden Präsidentschaftswahlen ein FPÖ-Kandidat gewinne, der die Regierung auflöse und eine Expertenregierung einsetze. „Und auf Vorschlag der Regierung kann der Präsident dann das Parlament auflösen. Und dann beginnt der radikale Umbau unserer Republik“, sagt Menasse. (APA/red.)