Völlig losgelöst durch die Nacht: DFB-Trainer befeuert nach Gala zum Auftakt die Euphorie
Kai Havertz erzielte das Tor zum 3:0 per Elfmeter.
München – Völlig losgelöst brausten Julian Nagelsmann und seine Auftakt-Helden durch die Nacht. Auf der knapp zweistündigen Busfahrt von München nach Herzogenaurach hatten sie die eindrucksvollen Bilder und Erlebnisse des furiosen EM-Starts im Kopf - und Nagelsmann will die Euphorie nach der Tor-Party weiter befeuern.
"Am Ende bin ich weit davon weg, ein Mahner zu sein", sagte der Bundestrainer nach dem beeindruckenden 5:1 (3:0) gegen ein überfordertes Schottland. Vor dem zweiten Gruppenspiel am Mittwoch in Stuttgart gegen Ungarn mache es "wenig Sinn, jetzt zu viel zu bremsen".
Warum auch? Die Fans in Deutschland feierten schon vor dem höchsten Sieg einer DFB-Auswahl bei einer EM eine riesige Party, die Fanzonen in Berlin, München, Hamburg und Düsseldorf waren randvoll. "Wir haben die Stimmung im ganzen Land gesehen, das brauchen wir", stellte Jamal Musiala als offizieller "Man of the Match" zufrieden fest.
Beängstigende Maschine
Beseelt sangen die deutschen Fans nach dem Abpfiff die Sieg-Hymne "Major Tom" lauthals mit und schwenkten ihre schwarz-rot-goldenen Fahnen. "Wir wissen, dass es sehr, sehr wichtig ist, so zu starten. Bei den vergangenen drei Turnieren haben wir jedes Mal verloren", sagte Joshua Kimmich.
Das Ausrufezeichen zum Auftakt hat auch im Ausland mächtig Eindruck hinterlassen. "Dieses Deutschland ist schon beängstigend", titelte die Gazzetta dello Sport in Italien, "Deutschland, welch eine Maschine!", schreib die spanische Marca.
Diese Maschine will Nagelsmann weiter in Schuss halten. Am Samstag dürfen seine strahlenden Sieger ausschlafen, erst für 10.45 Uhr war das Spielerersatztraining angesetzt. Ansonsten lasse er "die Spieler in Ruhe", versicherte er. Ab Sonntag werden sich Toni Kroos und Co. auf Ungarn vorbereiten. Mit einem weiteren Erfolg könnte der dreimalige Europameister schon vorzeitig sein angestrebtes Achtelfinal-Ticket lösen.
Gündogan gab den "Bessermacher"
"Wir wollen natürlich die Euphorie, die Stimmung mitnehmen", betonte Ilkay Gündogan. Der Kapitän warnte aber vor Nachlässigkeiten. "Wir dürfen keinen Schritt weniger machen in den nächsten Spielen", forderte Gündogan, der zwischen Musiala und Florian Wirtz eines seiner besten Länderspiele ablieferte. "Ich durfte der Bessermacher für meine Mitspieler sein", sagte der 33-Jährige.
Die Kollegen nahmen seine Ideen dankend auf, auch die Einwechselspieler fügten sich nahtlos ein. Niclas Füllkrug und Emre Can trugen sich sogar in die fünf Spieler umfassende Torschützenliste ein. "Es ist wertvoll, wenn wir es ein bisschen verteilen können und dass nicht nur einer die Blumen kriegt", sagte Nagelsmann.
Einzig der späte Gegentreffer durch das unglückliche Eigentor von Antonio Rüdiger gab Anlass für ein wenig Unzufriedenheit. "Es ist aber gut, dass sich die Mannschaft sehr über das Gegentor aufgeregt hat. Das ist bei 4:0 ein gutes Zeichen", sagte Nagelsmann und begab sich mit entschlossenen Blick um kurz nach Mitternacht in den Mannschaftsbus.
Schottland behält den Glauben
Und Schottland? Nationaltrainer Steve Clarke zeigte sich nach der Pleite wenig überraschend wortkarg. "Die Deutschen haben exzellent gespielt", sagte er. Und: "Wir sind ein besseres Team, als wir heute gezeigt haben." Schottland hat noch bei keiner Turnierteilnahme die Vorrunde überstanden. Clarke aber gab sich trotz allem verhalten optimistisch, dass sich seine Mannschaft gegen die Schweiz (19. Juni in Köln) und Ungarn (23. Juni in Stuttgart) steigern wird.
"Wir brauchen vier Punkte aus den nächsten zwei Spielen, und darauf konzentrieren wir uns", sagte Clark und ergänzte: "Wir behalten unseren Glauben." (sid, red, 15.6.2024)