Nikki Haleys nächste Wendung
USA
Nikki Haleys nächste Wendung
Nikki Haley trat bei einer Denkfabrik auf.
Die ehemalige Trump-Widersacherin unterstützt ihn nun doch.
Als die einstige republikanische Präsidentschaftskandidatin Nikki Haley am Mittwochabend die wohl atemberaubendste Wende ihres politischen Lebens vollzog, war ihr Ehemann Michael im Saal. Noch im Februar, kurz vor den Vorwahlen in South Carolina, hatte Donald Trump den 54-jährigen Soldaten, der sich zu dieser Zeit im Einsatz am Horn von Afrika befand, verhöhnt und insuniert, dass er seine Frau verlassen habe. „Was ist mit ihrem Mann passiert?“, johlte Trump bei einer Kundgebung: „Er ist gegangen!“
Damals war Nikki Haley die gefährlichste innerparteiliche Widersacherin Trumps, der keine Gelegenheit ausließ, ihren Namen zu veralbern, sie als „Spatzenhirn“ zu beleidigen und ihre Familie zu diffamieren. Haley hatte gekontert, Trump werde „immer instabiler und durchgeknallter“ und sei „nicht geeignet“ für das Präsidentenamt.
Gerade mal drei Monate ist das her. Am Mittwoch aber saß Nikki Haley auf einem Podium der konservativen Denkfabrik Hudson Institute in Washington. Ihre Kampagne hat die ehemalige UN-Botschafterin im März eingestellt, ihr Mann ist inzwischen vom Auslandseinsatz zurück. Erstmals seit dem Ende ihrer Präsidentschaftskampagne trat die 52-Jährige öffentlich auf. Vielen im Saal brannte daher die Frage nach ihrer Positionierung im Präsidentschafts-Duell unter den Nägeln. „Trump ist nicht perfekt. Aber Biden ist eine Katastrophe“, beantwortete Haley sie schließlich kühl: „Deshalb werde ich für Trump stimmen.“ In der sechsten Reihe saß Michael Haley und lächelte.
Mehr oder weniger zynische Winkelzüge zum eigenen Nutzen sind in der amerikanischen Politik an der Tagesordnung. Speziell Nikki Haley hat in der Vergangenheit schon einige inhaltliche Pirouetten hingelegt. Doch ihre bedingungslose Unterwerfung jetzt macht selbst langjährige Polit-Profis sprachlos: „Als Nikki Haley sagte: ‚Jetzt liegt es an Donald Trump, sich die Stimmen derjenigen (...) zu verdienen, die ihn nicht unterstützt haben‘, meinte sie wirklich: Er kann mich und meine Wähler wie Abschaum behandeln und ich werde trotzdem mitmachen und ihn unterstützen“, kommentierte die konservative Beraterin Sarah Longwell.
Die Loyalitätsbekundung kommt vor allem deshalb so überraschend, weil sich Haley innerhalb der republikanischen Partei mit ihren anti-isolationistischen und fiskal-konservativen Positionen zu einem echten Machtfaktor entwickelt hat. Obwohl sie Anfang März aus dem Rennen ausgeschieden ist, bekommt sie bei den republikanischen Vorwahlen in vielen Bundesstaaten weiter Unterstützung. Zuletzt hatten im Swingstate Pennsylvania 16,5 Prozent, in Indiana 21,7 Prozent, in Maryland 21,8 Prozent und in Nebraska 17,8 Prozent für sie gestimmt. Damit hätte sie zwar keinerlei Chance auf die Nominierung beim Parteitag. Aber immerhin bekam sie 4,4 Millionen Stimmen – und ohne die kann Trump gegen Joe Biden nicht gewinnen.
Auch der Rahmen für die politische Kehrtwende war ungewöhnlich. Das Hudson Institute liegt nur wenige hundert Meter vom Weißen Haus entfernt. Aber Haley sollte bei der Denkfabrik eigentlich über die „Gefahren einer schwachen nationalen Sicherheitspolitik“ referieren. Das tat sie auch in den ersten 20 Minuten der Veranstaltung. Doch als schlimmstes Beispiel eines riskanten neuen Isolationismus verwies sie nicht etwa auf die monatelange Weigerung der Republikaner, neue Hilfen für die Ukraine zu bewilligen, oder die unverkennbaren Sympathien von Trump für Diktatoren. Stattdssen empörte sie sich, dass Präsident Biden kürzlich die Lieferung schwerer Bomben an Israel zurückgestellt hatte, mit denen in der Vergangenheit Zivilisten im Gaza-Streifen getötet wurden. „Biden hat unseren Feinden grünes Licht für mehr Blutvergießen“ gegeben, so Haley.
Anschließend arbeitete sie sich am amerikanischen Rückzug aus Afghanistan ab, den sie als „Debakel“ und möglichen Trigger für die aggressive Politik des Irans und Russlands schilderte. Eher beiläufig sagte sie: „Auch bei meinen Republikanern ist nicht alles in Ordnung“ und verwies auf die 112 Abgeordneten, die gegen das Ukraine-Paket stimmten. Trump erwähnte sie in ihrer Rede kein einziges Mal, schon gar nicht kritisch.
Haleys Kalkül blieb zunächst unklar. Naheliegend wäre, dass sie darauf spekuliert, von Trump zur Kandidatin für das Vizepräsidentenamt berufen zu werden. Der Ex-Präsident könnte sich auf diese Weise die Unterstützung von besser gebildeten, eher traditionellen Republikanern sichern. Doch als solche Spekulationen aufkamen, hatte Trump schnell reagiert: „Nikki Haley steht für den VP-Posten nicht zur Debatte“, verkündete er: „Aber ich wünsche ihr alles Gute.“
Das klang nach einer Abfuhr. Aber wer Trump kennt, weiß: Es würde ihn nicht daran hindern, morgen das Gegenteil zu erklären.