Wahlen im Iran: Reformer Pezeshkian gelingt sensationeller Erfolg im Iran
Präsidentenwahl im Iran, Massud Peseschkian Stimmabgabe in Teheran June 28, 2024, Ray, Tehran, Iran data-portal-copyright=
Im Iran kommt es in der Präsidentschaftswahl zur Stichwahl. Die beiden Kandidaten könnten nicht unterschiedlicher sein: Ein Reformer tritt gegen einen absoluten Hardliner an.
Die iranischen Hardliner hatten fest damit gerechnet, dass einer der ihren das Rennen in den Präsidentschaftswahlen macht. Doch nun ist es anders gekommen. Nach Bekanntgabe der vorläufigen Ergebnisse erhielt der Reformer Masud Pezeshkian 42,5 Prozent der Stimmen, wie Mohsen Elsami, Sprecher der Wahlbehörde am Samstag im Staatsfernsehen bekanntgab. Damit liegt Pezeshkian fast vier Prozent vor dem Zweitplatzierten, dem Hardliner Said Jalili. Da keiner der Kandidaten die absolute Mehrheit erzielte kommt es am 5. Juli zwischen den beiden zur Stichwahl.
Die Wahl am Freitag war nötig geworden, weil der frühere Präsident Ebrahim Raisi, ein Hardliner, im Mai in einem Helikopterabsturz tödlich verunglückt war. Der Iran ist tief gespalten: Auf der einen Seite steht konservative Establishment, das Proteste wie die gegen den Kopftuchzwang gnadenlos niederknüppelt und Regimekritiker ins Gefängnis steckt. Auf der anderen Seite das breite Feld der Opposition, das von Befürwortern eines Regimewechsels über Moderate bis zu Reformern reicht, die über Wahlen die herrschende Ordnung reformieren wollen.
Wie groß die Frustration der Iranerinnen und Iraner über das herrschende System ist, zeigt die niedrige Wahlbeteiligung. Nur 40 Prozent der rund 61 Millionen Wahlberechtigten gingen an die Urnen. Damit erreichte die Wahlbeteiligung ein neues Rekordtief. Fast alle Beobachter hatten damit gerechnet, dass eine niedrige Wahlbeteiligung den Konservativen und Hardlinern zugutekommt.
Umso sensationeller ist der Erfolg von Pezeshkian. Das Lager der Regimekritiker war gespalten. So hatte der ehemalige Präsident Mohammed Khatami (1997 bis 2005), unter dem Pezeshkian, ein Herzchirurg aus der Provinz Ost-Aserbaidschan, einige Jahre Gesundheitsminister war, zur Wahl aufgerufen.
Boykottaurufe haben Pezeshkian geschadet
Doch prominente Vertreterinnen und Vertreter der Opposition wie die inhaftierte Friedensnobelpreisträgerin Narges Mohammadi riefen auch diesmal zum Boykott auf. Wahlen seien in der Islamischen Republik ein Feigenblatt, um die Macht des Regimes zu konsolidieren, erklärte die Menschenrechtsanwältin aus dem Gefängnis.
Über die Zulassung von Kandidaten entscheidet der Wächterrat. Dieser siebte diesmal die große Mehrheit der 80 Bewerber aus und ließ nur sechs Kandidaten zu. Zwei von ihnen machten im Vorfeld der Wahlen am Freitag einen Rückzieher.
Viele Beobachter hatten spekuliert, dass Pezeshkian nur zugelassen wurde, um die Wahlbeteiligung zu erhöhen. Denn das Regime, das aus mehreren direkt und indirekt gewählten Institutionen besteht, bezieht aus eigener Sicht seine Legitimität aus Wahlen. An der Spitze steht Revolutionsführer Ayatollah Ali Khamenei, er hat in allen Dingen das entscheidende Wort.
Wahlausgang ist Ausdruck der Polarisierung
Die Wahlen selbst sind allerdings kompetitiv. Es gibt Wahlkampfveranstaltungen und fünf Fernsehdebatten. Dabei kam es auch zum Schlagabtausch zwischen Pezeshkian und den drei Kandidaten aus dem Lager der herrschenden Eliten sowie zwischen diesen. Vor allem Said Jalili und Parlamentspräsident Mohammed Bagher Ghalibaf, der auf den dritten Platz kam, stritten sich. Ghalibaf war Chef der Luftwaffe der mächtigen Revolutionswächter und Polizeichef. Im Gegensatz zu Jalili trat er im Wahlkampf vergleichsweise moderat und pragmatisch auf.
Doch die Differenzen zwischen Pezeshkian und Jalili sind wesentlich größer und zeigen die Polarisierung im Iran. Zwar will auch Pezeshkian die herrschende Ordnung nicht abschaffen, aber er will sie von innen reformieren. So spricht er sich für eine Lockerung des Kopftuchzwangs aus. Vor allem ist aber für eine Wiederauflage des Atomabkommens von 2005, das der damalige amerikanische Präsident Donald Trump 2018 einseitig aufgekündigt hatte. Viele halten dem 69-Jährigen zugute, dass er nicht aus den Reihen des Establishments kommt und sich nie der Korruption schuldig gemacht hat.
Jalili ist ultrakonservativ und ein absoluter Gegner des Atomabkommens, das das iranische Nuklearprogramm im Gegenzug für Sanktionserleichterung beschränkte und garantieren sollte, dass es rein zivilen Zwecken dient. Der 58-Jährige aus Mashhad war zwischen 2007 und 2013 Chefunterhändler in den Verhandlungen darüber. Dass nicht schon damals eine Vereinbarung zustande kam, lag vor allem an Jalilis kompromissloser Haltung.
Die große Frage in der Stichwahl kommenden Freitag wird sein, wem die Wähler von Ghalibaf ihre Stimme geben und ob Pezeshkians überraschender Erfolg zu einem Umdenken unter Boykott-Befürwortern führt.