Stiff-Person-Syndrom – Symptome, Ursachen und Behandlung
Das Stiff-Person-Syndrom beeinflusst vor allem die Rumpfmuskulatur
Vor zwei Jahren wurde bei Céline Dion das sogenannte Stiff-Person-Syndrom diagnostiziert – eine sehr seltene Nervenkrankheit, die nur ein Mal unter einer Million Menschen vorkommt. Für die kanadische Sängerin war die Diagnose ein Schock, denn das Syndrom ist unheilbar. FITBOOK verrät, was man über die Erkrankung wissen sollte.
Das Stiff-Person-Syndrom (SPS) hat seinen Namen aus dem Englischen und beschreibt bereits das Hauptsymptom, das mit der Erkrankung auftritt: Muskelgruppen verhärten sich und werden steif. Grund für SPS ist eine neurologische Funktionsstörung, die vor allem bei Menschen zwischen dem 40. und 50. Lebensjahr auftritt, seltener sind auch Kinder und ältere Menschen betroffen. Der Grund dafür ist noch nicht ganz bekannt, man führt die Erkrankung aber auf eine Autoimmunreaktion des Körpers zurück. Betroffene sind in ihrem Alltag oft eingeschränkt, die Symptome können sich mit der Zeit verschlimmern, verändern oder auch kommen und gehen.
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Wer ist betroffen?
Früher wurde die Erkrankung als Stiff-Man-Syndrom bezeichnet, doch mittlerweile ist bekannt, dass Frauen doppelt so häufig betroffen sind wie Männer. Jährlich gibt es etwa eine Neuerkrankung unter einer Million Menschen – die Krankheit ist also sehr selten. Experten gehen aber davon aus, dass sie verbreiteter ist als man derzeit annimmt, da viele Fälle möglicherweise falsch oder gar nicht diagnostiziert werden.
Céline Dion ist eine berühmte Betroffene des Stiff-Person-Syndroms. Foto: Getty Images
Mögliche Symptome des Stiff-Person-Syndroms
Menschen mit SPS haben eine erhöhte Muskelspannung, Muskelverhärtungen, Steifigkeitsgefühl und einschießende Muskelkrämpfe, die durch bestimmte Reize, wie etwa leichte Berührungen, laute Geräusche, Schreck oder kalte Temperaturen, ausgelöst werden. Diese Symptome treten häufig in Episoden auf, können im Laufe der Zeit aber häufiger vorkommen oder in ihrer Intensität zunehmen. Die Muskelsteifigkeit befindet sich vor allem im oder nahe dem Rumpf, sie kann aber auch Beine und Arme betreffen, seltener auch Nacken und Gesicht. Durch die eingeschränkte Beweglichkeit kommt es häufig zu einer abnormalen Haltung, bei der Erkrankte oftmals mit dem Rücken stark nach hinten neigen (Hyperlordose) und Schwierigkeiten beim Gehen entwickeln, sodass sie sich eher starr und ungelenk bewegen. Als Folge kommt es vermehrt zu Stürzen, die andere Verletzungen nach sich ziehen.
Weitere Symptome
- Überempfindlich gegenüber Reizen wie Lärm, Berührung und emotionalem Stress
- Ängste und Depression
- Überaktive Reflexe und unkontrollierte Muskelzuckungen
- Chronische Schmerzen
- Kurzatmigkeit, wenn Muskeln im Brustbereich betroffen sind
- Beeinträchtigung des Sehens, das dazu führt, dass Betroffene doppelt sehen, schlechter sprechen und weniger koordiniert sind
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Welche Ursachen hat die Erkrankung?
Das Stiff-Person-Syndrom ist noch nicht ausreichend erforscht. Man geht aber davon aus, dass es sich um eine Autoimmunerkrankung handelt. Dabei greift das eigene Immunsystem gesundes Gewebe an — dies ist generell häufiger bei Frauen der Fall. Die meisten Menschen mit SPS haben einzigartige Antikörper im Blut, die ihr Körper selbst produziert. Diese Antikörper blockieren ein Enzym, das bei der Produktion des Neurotransmitters Gamma-Aminobuttersäure (GABA) hilft, das wiederum bestimmte Nervensignale im Körper reduzieren oder blockieren kann. Menschen mit SPS haben einen Mangel an GABA und sind deshalb übererregbar – sei es auf der physischen Ebene durch Muskelkrämpfe oder im Psychischen durch Angstsymptome.
SPS wird oft mit anderen Autoimmunerkrankungen in Verbindung gebracht, darunter Typ-1-Diabetes, Schilddrüsenerkrankungen, perniziöse Anämie und seltener Vitiligo. In weniger als fünf Prozent der Fälle wird bei SPS-Erkrankten einige Jahre nach den ersten Symptomen Krebs diagnostiziert, meistens Brust- oder Lungenkrebs. Dieser Untertyp wird auch als paraneoplastisches Stiff-Person-Syndrom bezeichnet. Als weitere Ursache für SPS wird eine genetische Veranlagung vermutet, wodurch Betroffene anfälliger für Autoimmunerkrankungen sind. Auch Infektionen und Umweltfaktoren könnten eine Rolle spielen.
Welche Arten von SPS gibt es?
Anhand der Symptome werden verschiedene Typen von SPS diagnostiziert. Je nach Art entscheiden Ärzte dann das Vorgehen der Behandlung. Man unterscheidet zwischen:
Klassisches Stiff-Person-Syndrom
Diese Form ist am häufigsten. Die Symptome umfassen Steifheit und Krämpfe in den Muskeln des unteren Rückens, der Beine und manchmal des Bauches. Betroffene Menschen haben oft einen steifen Gang und können ganztägig Schmerzen haben.
Fokales oder segmentales SPS
Diese Form tritt selten auf und ist eine Kombination aus klassischen Merkmalen und Symptomen, die auf eine Dysfunktion des Hirnstamms oder Kleinhirns hindeuten. Menschen mit SPS Plus können Muskelkrämpfe, Steifheit und Koordinationsschwierigkeiten haben. Auch doppelt sehen und verwaschen sprechen gehört zu den Folgen.
Andere SPS-Typen
Noch seltenere Formen umfassen die progressive Enzephalomyelitis mit Rigidität und Myoklonien (PERM), die schnell fortschreitet und zu schmerzhaften Krämpfen führt. Auch andere Syndrome können mit SPS überlappen und Symptome und Befunde aufweisen, die auf eine Dysfunktion im Hirnstamm, Kleinhirn, Rückenmark und Gehirn hinweisen.
Das sind Risikofaktoren
Da die Ursache für SPS noch nicht klar definiert werden kann, sind auch die Risikofaktoren kaum erforscht. Den größten Einfluss hat vermutlich das Geschlecht, da SPS fast doppelt so häufig bei Frauen auftaucht als bei Männern. Möglicherweise liegt dies an geschlechtsspezifischen immunologischen oder genetischen Faktoren. Andere Autoimmunerkrankungen, Umweltfaktoren und Infektionen könnten eine Rolle spielen.
Wie diagnostiziert man die Erkrankung?
Eine SPS-Diagnose kann manchmal Jahre in Anspruch nehmen und erfordert verschiedene Spezialisten, da die Erkrankung sehr komplex und selten ist sowie die Symptome unspezifisch und divers auftreten. Anhand einer neurologischen Untersuchung sowie typischen Veränderungen der betroffenen Muskeln kann die Muskelsteifigkeit und Reflexveränderungen festgestellt werden. In einigen Fällen werden andere Symptome mithilfe von Magnetresonanztomographie (MRT) des Gehirns und Rückenmarks ausgeschlossen. Bluttests helfen, spezifische Antikörper zu identifizieren, die mit SPS assoziiert sind, insbesondere die Anti-GAD65-Antikörper. Diese Antikörper sind zwar nicht immer vorhanden, aber ihr Nachweis kann die Diagnose unterstützen. Elektrophysiologische Tests untersuchen die elektrische Aktivität der Muskeln und die Übertragung von Nervenimpulsen. Diese Tests helfen, die Hypererregbarkeit des Nervensystems zu erfassen, die bei SPS vorliegt.
Behandlung der Erkrankung
Bisher können Erkrankungen nicht vollständig geheilt werden, eine individuell abgestimmte Therapie kann die Symptome aber mindern und zur Lebensqualität der Betroffenen beitragen. Eine wichtige Säule der Behandlung sind Medikamente, die entweder die Symptome behandeln oder die Immunreaktion unterdrücken. Manche Medikamente helfen bei der Muskelentspannung, andere wirken auf den GABA-Neurotransmitter, wodurch es weniger zur Steifheit kommt. Sind nur einzelne Bereiche von Krämpfen betroffen, kann auch Botulinumtoxin (Botox) helfen. Werden physische Symptome durch Angst ausgelöst, werden Serotonin-Wiederaufnahmehemmer, auch bekannt als Anti-Depressiva, eingesetzt.
Immunbasierte Therapieformen beinhalten intravenöse oder oral verabreichte immunsuppressive Medikamente und Immunglobuline sowie seltener Plasmaaustausch.
Neben der Behandlung mit Medikamenten helfen auch muskelentspannende Maßnahmen wie etwa Physiotherapie, Wassergymnastik, Yoga und Pilates, Massagen, Akupunktur und Verhaltenstherapie.
Prognosen und Lebenserwartung
Auch wenn das Stiff-Person-Syndrom unheilbar ist, verläuft es in der Regel nicht tödlich und führt nicht unbedingt zu einer geringeren Lebenserwartung. Nur in extremen Fällen beeinträchtigen Muskelkrämpfe im Brustbereich die Fähigkeit, zu atmen. Allerdings kann die Erkrankung Betroffene so sehr beeinflussen, dass diese sich nur noch mit Rollstuhl fortbewegen können oder bettlägerig werden. Tödliche Komplikationen entstehen durch Folgen von SPS, wie etwa Blutgerinnsel oder Wundinfektionen aufgrund der Immobilität. Ein Risikofaktor sind auch Komplikationen und Frakturen bei schweren Stürzen. Die Lebenserwartung von SPS-Erkrankten wird häufig auch beeinflusst, wenn andere Autoimmunerkrankungen wie Typ-1-Diabetes vorliegen.
Was kann man präventiv gegen die Erkrankung tun?
Derzeit gibt es laut Deutscher Hirnstiftung keine präventiven Empfehlungen, um SPS verhindern zu können. Allerdings bestehen allgemeine Empfehlungen, die das Risiko für Autoimmunerkrankungen potenziell verringern. Dazu gehört eine gesunde Lebensweise mit einer ausgewogenen Ernährung, regelmäßigen körperlichen Aktivitäten und ausreichend Schlaf. Stress, Rauchen und andere Infektionen können das Risiko für Autoimmunreaktionen erhöhen. Regelmäßige ärztliche Untersuchungen, insbesondere bei Auffälligkeiten, helfen, potenzielle Symptome und Erkrankungen frühzeitig zu erkennen und zu behandeln.1,2,3,4,5