Ukraine-Invasion, Tag 856: Der Ukraine drohen Finanzprobleme bei privaten Gläubigern
Wolodymyr Selenskyj kritisiert mangelnde US-Unterstützung. Großflächiger Stromausfall im russischen Belgorod. Der Nachrichtenüberblick am Abend
Rentenauszahlungen in Novoselydivka.
Der Juli könnte ein entscheidender Monat für die ukrainische Finanzlage sein. Denn am 1. August endet ein zweijähriges Moratorium privater Investoren und Kreditgeber, wie der französischen Vermögensverwaltung Amundi und der US-amerikanischen Investment-Gruppe Pimco. Bislang muss die Ukraine dort keine Schulden zurückzahlen, wie „The Economist“ berichtet.
Demnach bemüht sich der ukrainische Finanzminister Serhiy Marchenko zwar um eine Fristverlängerung, doch eine Einigung ist noch nicht in Sicht. Dem Bericht zufolge hatte Marchenko die Kreditgeber gebeten, auf 60 Prozent der Schulden zu verzichten, das Gegenangebot liegt bei 22 Prozent.
Die Finanzlage der Ukraine ist aufgrund des Krieges kritisch. Seit der Invasion ging das Bruttoinlandsprodukt (BIP) um ein Viertel zurück. Bis Ende des Jahres werden die Schulden des Landes 94 Prozent des jährlichen BIP betragen – ein vergleichsweise hoher Wert.
Zwar ist die internationale Unterstützung für die Ukraine groß, doch meist geht es um Munition, Kriegswaffen oder zweckgebundene Mittel. Nur etwa acht Milliarden Dollar des jüngsten amerikanischen Pakets werden direkt an die ukrainische Regierung gehen, ein Betrag, der etwas mehr als einem Viertel der jährlichen Ausgaben der Ukraine für Sozialleistungen entspricht. Die EU plant, etwas mehr geben, aber immer noch nur 38 Milliarden Dollar über drei Jahre.
Nun gibt es zwei Szenarien: Die Ukraine einigt sich mit den privaten Geldgebern oder es kommt zu einem Zahlungsausfall. Das Ergebnis wäre laut „The Economist“ mehr oder weniger identisch: Die Gläubiger bekommen kein Geld. Gleichzeitig ist auch klar, dass ein Wiederaufbau des Landes nicht ohne Privatinvestoren funktionieren kann – und ein Zahlungsausfall jetzt könnte Vertrauen zerstören.
Die wichtigsten Nachrichten im Überblick:
- Nach Aussage des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj ist keine politische Partei in den USA bereit, die Ukraine zum Beitritt ins Verteidigungsbündnis Nato einzuladen. Das sagte Selenskyj in einem Interview mit dem „Philadelphia Inquirer“. Mehr hier
- In der an die Ukraine grenzenden russischen Region Belgorod ist nach Drohnenangriffen großflächig der Strom ausgefallen. „Es gibt Beschädigungen an den Telefonleitungen, bei der Gas- und Stromversorgung; in einer Reihe von Ortschaften ist der Strom zeitweise ausgefallen“, schrieb der Gouverneur Wjatscheslaw Gladkow am Montag auf seinem Telegramkanal. Mehr hier
- Die ukrainischen Behörden haben nach eigenen Angaben einen Umsturzversuch verhindert. Eine Gruppe von Störern habe für den vergangenen Sonntag „Provokationen“ in der Hauptstadt Kiew geplant, teilten der Geheimdienst SBU und die Staatsanwaltschaft am Montag mit. Mehr hier
- Angesichts der zunehmenden russischen Luftangriffe fordert der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj von den westlichen Unterstützern seines Landes freie Hand bei Gegenmaßnahmen. „Je eher die Welt uns hilft, mit den russischen Kampfflugzeugen, die diese Bomben abwerfen, fertig zu werden, je eher wir die russische militärische Infrastruktur, die russischen Militärflugplätze angreifen können, desto näher sind wir dem Frieden“, sagte Selenskyj in seiner Videoansprache. Mehr hier
- Vor dem Nato-Gipfel in Washington hat der deutsche Befehlshaber des Multinationalen Korps Nordost des Bündnisses, Generalleutnant Jürgen-Joachim von Sandrart, vor einem Übergriff Russlands gewarnt. Moskau habe das Potenzial einen weiteren Konfliktherd zu entfachen, unter anderem auch gegenüber der Nato, sagte von Sandrart der „Welt“. Mehr hier
- Russische Gleitbomben sind aktuell eines der größten Probleme der ukrainischen Verteidiger. Doch offenbar sind diese oft weniger zielgenau als behauptet: In dutzenden Fällen sollen sie auf russischem Territorium eingeschlagen sein. Mehr im Newsblog
- Russland hat nach eigenen Angaben zwei weitere Dörfer in der Ostukraine erobert. Das russische Verteidigungsministerium teilte am Montag mit, das Dorf Nowopokrowske in der Region Donezk und das Dorf Stepowa Nowoseliska in der Region Charkiw seien eingenommen worden.
- Die Ukraine weist Vorwürfe zurück, wonach sie angeblich ihre Truppen entlang der Grenze zu Belarus verstärkt. Es handle sich um eine belarussische „Informations-Operation“, die von Russland unterstützt werde, erklärt ein Sprecher des Grenzschutzes im ukrainischen Fernsehen.
- In der Nacht zum 30. Juni haben ukrainische Drohnen offenbar das größte Stahlwerk Russlands, Novolipetsk Steel, angegriffen. Diese Information wurde vom Pressedienst des Unternehmens bestätigt, wie die russische Zeitung Kommersant berichtet.
- Das ukrainische Militär hat nach eigenen Angaben russische Angriffe in der Region Donezk im Osten zurückgeschlagen. Die Kämpfe hätten in der Nähe der Dörfer Nowoolexandriwka und Spirne stattgefunden, teilt das ukrainische Militär mit.