Sanktionen ziehen Russlands Wirtschaft den Stecker – doch Putin plant schon seine Antwort
Mit Schattenflotten gegen Sanktionen
Sanktionen ziehen Russlands Wirtschaft den Stecker – doch Putin plant schon seine Antwort
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Auf dem Papier wirken die Sanktionen der EU wie ein schlagkräftiges Instrument, um Putin den Geldhahn abzudrehen. Doch Russland hat offenbar schon einen Ausweg in petto.
Moskau – Der völkerrechtswidrige Überfall auf die Ukraine machte Russland zum am stärksten sanktionierten Land der Welt. Erst vergangenen Montag (24. Juni) verschärfte die EU erneut ihre Wirtschaftsbeschränkungen gegen Moskau und drosselte erstmals auch den Handel mit russischem Flüssiggas (LNG). Längst arbeitet Moskau an Tricks, um die Sanktionen zu umgehen. Denn Energieexporte machen einen großen Teil der russischen Staatseinnahmen aus – und sind entscheidend, um Putins Kriegsmaschinerie zu finanzieren.
Halbleiter, Diamanten, Öl – und jetzt LNG: Wie Russland Sanktionen umgeht
Immer wieder findet Moskau Wege, westliche Sanktionen zu umgehen. So begann Russland etwa im Jahr 2022 auffallend viele Haushaltsgeräte wie Waschmaschinen aus verbündeten Staaten zu importieren. Die darin enthaltenen Halbleiter setzte Putin dann für die Produktion von Waffen ein und umging so das Embargo, wie die EU-Kommission einräumte. Auch für den Export von Diamanten oder Öl fand Moskau bereits neue Handelswege – und nun wohl auch für Flüssiggas. Wie Bloomberg am Donnerstag berichtete, könnte Russland derzeit an der Aufstellung einer Schattenflotte für den LNG-Export arbeiten.
Laut der Schiffsdatenbank Equasis seien in den vergangenen drei Monaten acht Schiffe an kaum bekannte Unternehmen in Dubai übertragen worden. Vier davon seien Eisschiffe und hätten bereits die Erlaubnis Russlands, seine arktischen Gewässer zu passieren, so der Bericht. Wichtig sei dies womöglich, weil Umladungen oftmals „auf dem Ankerplatz Kildin nördlich von Murmansk“ stattfinden, wie Malte Humpert von der US-Denkfabrik Arctic Institute dem Nachrichtenportal bestätigte. Eine direkte Verbindung zu russischen Firmen ließ sich zunächst zwar nicht herstellen, doch das Vorgehen erinnert laut Bloomberg an die Schattenflotten für Öltransporte, die Russland längst unterhält. Rund hundert Tankschiffe, die nicht unter russischer Flagge, aber für Moskau fahren, hat Putin für seinen Öl-Schmuggel laut Schätzungen der Financial Times wohl zur Verfügung.
Russlands geheime Flotte: Wer steckt hinter den Spezialfrachtern unbekannter Firmen?
Mehrere Indizien sprechen für Moskaus Aufbau einer Schattenflotte: Dass Unbekannte mehrere Millionen teure Spezialfrachter kaufen, sei in dem im Vergleich zum Ölmarkt kleinen LNG-Markt recht unwahrscheinlich. Zudem seien die Versicherer von mindestens drei der Schiffe in der Datenbank der internationalen Seeschifffahrtsorganisation als „unbekannt“ gelistet. Diese Indizien sieht auch der Experte Humpert von der US-Denkfabrik Arctic Institute als Puzzlesteine für eine solche geheime Flotte her. Der Trick mit Schattenflotten ist nicht neu und funktioniert auch für andere Paria-Staaten gut. Der Iran etwa erzielte mit Öl-Schattenflotten jüngst Rekordeinnahmen.
Im Vergleich zu Öl gibt es bei Flüssiggas allerdings größere technische Herausforderungen an die Schiffe, etwa bei der Kühlung. Gleichzeitig haben Russlands Gegenspieler bessere Überwachungsmöglichkeiten, da nur ein Bruchteil der Tanker auf den Weltmeeren LNG-Transporter sind. Im Vergleich zu 7.500 Öl-Transportern sind nur weniger als ein Zehntel davon LNG-Tanker. Zudem lässt sich bei Öl die Herkunft besser verschleiern, da ein „Umfüllen“ auch auf hoher See möglich ist. Bei Flüssiggas sei dies deutlich schwieriger, so der Bericht weiter. Bisher habe man dafür europäische Häfen angesteuert. Genau hier setzen die neuen Sanktionen der EU an: Künftig soll laut dem Beschluss das Umladen von russischem LNG in europäischen Hafen untersagt sein.
Russische Analysten schätzen neue EU-Sanktionen als mild ein
Ebenso sind laut dem neuen Sanktionspaket künftig EU-Investitionen in LNG-Projekte in Russland verboten, einen Importstopp nach Europa gibt es allerdings nicht. Diesen Schritt hatte zuvor das Europaparlament gefordert. Schattenflotte hin oder her, die neuen EU-Sanktionen könnten noch aus einem anderen Grund fehlschlagen: Deutschland hatte vergangenen Montag aus Angst vor den Folgen für deutsche Exporteure schärfere EU-Regeln gegen das Umgehen von Sanktionen über Drittländer verhindert, wie die Deutsche Presse-Agentur (dpa) berichtete. Die Staaten des Baltikums kritisierten Berlin deshalb deutlich. Die Sanktionen seien „bedauerlicherweise schwächer“ als geplant, kommentierte etwa Litauens Außenminister Gabrielius Landsbergis das Ergebnis.
Russische Analysten sprachen laut dpa von einem Schlag gegen LNG-Produzenten, bezeichneten die Sanktionen aber als vergleichsweise milde. Der Umladestopp für russisches Flüssiggas gilt erst nach neun Monaten. Wegen dieser Übergangszeit könnten russische Unternehmen neue Abnehmer und alternative Routen finden. Das war Moskau auch beim Öl schon gelungen. China, Indien und der asiatische Raum profitieren von den vergleichsweise niedrigen Preisen. Allerdings: Russland hatte laut Reuters das Ziel, zwischen 2030 und 2035 ein Fünftel des globalen LNG-Marktes zu besetzen. Zumindest das könnte einer Einschätzung der Nachrichtenagentur zufolge nun schwer werden. Momentan liegt der russische Anteil bei acht Prozent.