Straßenbahn zum Bahnhof Berlin-Ostkreuz: Warum sich die Tram 21 zehn Jahre verspätet

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Mit der Straßenbahn durchs Wohngebiet: So soll die Sonntagstraße in Friedrichshain künftig aussehen. Zwei Straßenbahnlinien sollen dort zum Ostkreuz verlaufen.

Von einem Pannenprojekt zu sprechen, wäre fast untertrieben. Das erste Konzept ist schon mehr als drei Jahrzehnte alt, seitdem gab es immer wieder Probleme. Dabei halten es Verkehrsexperten für sinnvoll, das Ostkreuz besser ans Berliner Straßenbahnnetz anzuschließen. Jetzt starten die Planer einen neuen Versuch, das Vorhaben wieder aufs Gleis zu hieven. Die Planfeststellungsunterlagen werden zum dritten Mal ausgelegt – bis 16. Juli. Wenn diesmal alles gut geht, könnte die erste Bahn 2028 rollen, zehn Jahre später als einst geplant. Doch es könnte weiterhin Stress geben - und sogar eine Klage.

Eigentlich geht es nur um rund 1,2 Kilometer Strecke. Doch das Vorhaben hat es in sich. In dem Verfahren, mit dem die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) die Genehmigung erlangen wollen, wurden die Unterlagen 2018 erstmals öffentlich ausgelegt. Dann stellte sich allerdings heraus, dass das Projekt viel mehr Anlieger betrifft, als das Schallschutzgutachten ergeben hatte. Nach dessen Aktualisierung folgte im Frühjahr 2021 eine weitere Auslegung – die zweite. Woraufhin sich zeigte, dass durch ein Versehen des Dienstleisters nicht alle Unterlagen im Internet zu lesen waren. Eine dritte Auslegung wurde nötig. Sie sollte im vierten Quartal 2021 beginnen – es wurde 2024.

Das Straßenbahnprojekt in Friedrichshain und Lichtenberg ist nicht das einzige Vorhaben, das Schienennetz in der dicht bebauten Berliner Innenstadt zu erweitern. Doch es zeigt exemplarisch, wie komplex und risikoreich Vorhaben dieser Art geworden sind. Auch gegen die Verlängerung der M10, die durch Kreuzberg, den Görlitzer Park und Neukölln zum Hermannplatz führen soll, zeichnet sich Widerstand ab.

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Bahnhof Ostkreuz: Gemessen an der Zahl der täglichen Abfahrten und der Fahrgäste ist der Turmbahnhof in Friedrichshain eine der wichtigsten Stationen in Berlin. Doch die Straßenbahn hält rund 400 Meter entfernt.

Am Ostkreuz machten Anwohner schon früh deutlich, dass sie keine Bahn in ihrer Wohnstraße wollen. Sie befürchten Lärm, Erschütterungen sowie Unfallgefahren und drohten bereits 2021 an, gegen den Planfeststellungsbeschluss Widerspruch einzulegen, wenn er denn kommt. Auch eine Klage wurde damals nicht ausgeschlossen. Damit nicht genug: Die Berliner Feuerwehr befürchtete, dass die Fahrleitung in der schmalen Sonntagstraße ihre Einsatzkräfte behindern und gefährden könnte. Seit 2018 wurde diskutiert. Erst 2022 fand man endlich eine Lösung, die alle Seiten zufriedenstellte.

Über die Jahre hat sich die Kostenschätzung fast verdoppelt. Sollte die Strecke anfangs 13 Millionen Euro kosten, war zuletzt von 23,9 Millionen Euro die Rede. Dabei sind sich die meisten Verkehrsexperten darüber einig, dass es sinnvoll wäre, das Ostkreuz ans Straßenbahnnetz anzuschließen und auch die Busverbindungen zu verbessern. Gemessen an der Zahl der Zughalte gilt der S- und Regionalbahnhof, in dem auch Fernzüge halten, als eine der wichtigsten Stationen – deutschlandweit. Nach den jüngsten Zahlen steigen täglich rund 250.000 Menschen am Ostkreuz ein, aus oder um.

Doch derzeit müssen Umsteiger, die zur BVG wollen, laufen. Die nächste Straßenbahnhaltestelle liegt rund 400 Meter entfernt in der Neuen Bahnhofstraße. Dass der Senat 1993 festlegte, dass der Nahverkehrsknoten Ostkreuz eine Tramverbindung bekommen sollte, war deshalb nachvollziehbar. Auch wenn das Vorhaben nur langsam in die Gänge kam: 2002 wurde erstmals geprüft, wo die Trasse verlaufen sollte. Bis 2014 erfolgte eine zweite, größer angelegte Untersuchung, bei der 13 Varianten berücksichtigt wurden. Die Variante 1a setzte sich durch und liegt seitdem den Planungen zugrunde.

Der nun ausgelegte Erläuterungsbericht bestätigt den Verlauf. Die Strecke soll über Holtei- und Sonntagstraße zum Ostkreuz führen. Dort entsteht außer einer Haltestelle auch ein 62 Meter langes drittes Gleis, auf dem Bahnen pausieren und auf den nächsten Einsatz warten können. „Nördlich des Kehrgleises ist eine Aufstellfläche für Taxis vorgesehen. Taxis, Lieferfahrzeuge und Radfahrende in Ost-West-Richtung erhalten eine gesonderte Zufahrt zur Marktstraße“, heißt es. Unter der Ringbahn hindurch geht es zur Karlshorster Straße, wo die Strecke wieder an den Bestand anschließt.

Auf der Neubaustrecke sollen zwei Straßenbahnlinien verkehren. Die 21 erschließt Friedrichshain, Lichtenberg, Karlshorst und Schöneweide. Hinzu kommt eine neue Verbindung, die in Friedrichshain und zum Wohngebiet Rummelsburger Bucht das Angebot ergänzt. Beide Linien werden versetzt jeweils im 20-Minuten-Takt befahren.

Auch Busse sollen in Zukunft unmittelbar am Bahnhof Ostkreuz halten, heißt es im Erläuterungsbericht: „Eine weitere Verbesserung ist die Einbindung der bestehenden Buslinie 240 in die Straßenbahntrasse. Der Bus benutzt die Haltestellen in der Marktstraße und unter den Bahnsteigen der Ringbahn und ermöglicht so das barrierefreie Umsteigen zur S-Bahn, zum Regionalverkehr und zur Straßenbahn. Die Buslinie wird weiterhin im Zehn-Minuten Takt verkehren.“

Klar wird aber auch, dass die Tram das Stadtbild deutlich verändern wird. Ein Beispiel ist die Sonntagstraße in Friedrichshain, eine Wohnstraße mit Cafés und anderer Gastronomie unweit vom Ostkreuz. Sie ist von Bäumen gesäumt. Nebenan erstreckt sich eine kleine Grünanlage, der Annemirl-Bauer-Platz. Auf dem Kopfsteinpflaster dürfen beiderseits Autos abgestellt werden, laut Erläuterungsbericht gibt es derzeit Platz für 160 Fahrzeuge. Dazwischen bleibt eine schmale Fahrgasse. Es gilt Tempo 30.

Die Geschwindigkeitsbeschränkung bleibt, und sie wird künftig auch für die Tram gelten, heißt es in den ausgelegten Unterlagen. Doch das Kopfsteinpflaster weicht Asphalt. Auch künftig dürfen in der Sonntagstraße auf beiden Seiten Autos parken, es wird aber nur noch insgesamt rund 55 Stellplätze geben – ungefähr 105 weniger als heute. Radfahrer bekommen „Bewegungsstreifen“, der auf der nordöstlichen Seite wird 1,30 Meter breit. Auf der gegenüberliegenden Seite wird der Gehweg um 1,60 Meter verschmälert. Einige Straßenbäume werden gefällt – ebenfalls um Platz zu schaffen.

Insgesamt müssen 34 Bäume dem Projekt weichen. So sei es erforderlich, in der Holtei-, Sonntag- und Wühlischstraße insgesamt zehn Bäume zu fällen, heißt es. An der Marktstraße stünden 24 Bäume auf Privatgrund der Straßenbahnstrecke im Weg. Bei weiteren 19 Bäumen kann es zur Beeinträchtigung durch Schnittmaßnahmen kommen, so die Planer. Alle Maßnahmen zusammengenommen würden insgesamt 108 Bäume gefährdet. Doch es gebe Ausgleichsmaßnahmen. So würden 39 Bäume neu gepflanzt. Ein Beispiel sei die Böcklinstraße, wo es künftig mehr Straßenbäume geben werde.

In dem dicht bebauten Wohnviertel gibt es weitere konfliktträchtige Themen. So wird die Zahl der Gebäude, an denen die Lärmgrenzwerte überschritten werden, mittlerweile auf 62 beziffert. Dort bestehe Anspruch auf Lärmschutz – was in diesem Fall vor allem Schallschutzfenster meint. Dagegen wären, anders als von Anwohnern ebenfalls befürchtet, Erschütterungen durch den Bahnbetrieb kein Problem, wird im Bericht betont. Prognosen und die Berechnungen von „Erschütterungskorridoren“ würden zeigen, dass an „allen im Untersuchungsbereich liegenden Häusern Gebäudeschäden durch Erschütterungen aus dem Bahnbetrieb sicher ausgeschlossen werden können“.

Und wie werden Gefahren für Feuerwehrleute ausgeschlossen, die neben der Fahrleitung eine Drehleiter ausfahren? Zitat: „Im Bereich der Sonntagstraße und Holteistraße wird für die Feuerwehr zur Sicherstellung des zweiten Rettungsweges mittels Feuerwehr-Drehleiter eine Sonderkonstruktion für die Fahrleitung vorgesehen“, so der Bericht. Dieser Leitungsabschnitt könne separat stromlos geschaltet, vor Ort durch die Feuerwehr geerdet und sogar seitlich verschoben werden. Zusätzliche Schaltschränke auf dem Gehweg wären erforderlich, Leistungsmasten würden enger gestellt.

In der ersten Version der Planfeststellungsunterlagen, auf 2017 datiert, war noch von einem Baubeginn 2018 die Rede. Jetzt heißt es, dass es „nicht vor 2026“ losgeht. „Es ist vorgesehen, den Gleisbau innerhalb von circa zwei Jahren durchzuführen. Um die Bauzeit und die Straßenbahnsperrungen so gering wie möglich zu halten, ist vom Bau in abschnittsweisen Vollsperrungen auszugehen“, steht im Erläuterungsbericht. Das hieße: Wenn alles klappt, können die ersten Bahnen 2028 fahren. Rückblende ins Jahr 2013: Damals war davon die Rede, dass die Neubaustrecke 2018 eröffnet werden könnte.

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Ortstermin in der Sonntagstraße: 2021 machten Anwohner gegen das Straßenbahnprojekt mobil.

Doch es ist nicht ausgeschlossen, dass Widersprüche und Klagen von Anwohnern das Projekt weiter verzögern. „Wir sind keine Gegner der Straßenbahn“, sagte ein Anlieger der Berliner Zeitung 2021. Aber warum müsse sie durch die schmale Sonntagstraße rollen? Auch nachts wäre mit Tramverkehr zu rechnen. Bäume sollten gefällt, Gehwege schmaler werden. Die Fahrleitungsmasten verschandelten das Straßenbild, Balkone könnten nur noch eingeschränkt genutzt werden, so die Initiative Tram 21 damals. Das Straßenbahnprojekt führe zur „Zerstörung der gewachsenen Kiezatmosphäre“.

„Straßenbahnverlegungen in Wohnstraßen stoßen berlinweit auf Widerstand“, ruft der Architekt Carsten Joost, der in Friedrichshain aktiv ist, in Erinnerung. Das liege auch daran, dass die Bahnen in Berlin mit jeder Modellreihe größer, schwerer und lauter würden – wie SUV. „Nervtötendes Kurvenquietschen und laute Anfahrgeräusche“ gehörten zum Alltag. „Das will niemand vor der Haustür. Andere Städte haben leise und kleinere Trambahnen und viel mehr Akzeptanz“, sagt Joost der Berliner Zeitung.

Joost spricht sich wie die Initiative Tram 21 dafür aus, die Straßenbahn auf der „schnellen Geradeausfahrt“ in der Boxhagener Straße zu belassen. Die Haltestelle Marktstraße sollte aber ans Ostkreuz herangerückt werden. „Der neue Haltepunkt zwischen Jugendherberge und Einkaufszentrum ist hocheffektiv und durch einen zumutbaren Fußweg mit dem Ostkreuz verbunden“, meint der Planer. „Die Verlegung der Haltestelle kostet vergleichsweise nichts gegenüber der ungeliebten Tram-21-Großbaustelle im Kiez. Vielleicht gibt es ein Einsehen, und die frei werdenden Mittel können die allgemeinen Kürzungen im Sozialbereich ein wenig ausgleichen.“

Die Initiative bleibt bei Ihrer Kritik. Die Straßenbahn werde das Wohnviertel mit ihrem Quietschen belasten, trotz der Beteuerungen befürchten die Bürger auch Erschütterungen – von 4 Uhr morgens bis 1 Uhr nachts. Bezweifelt wird auch, ob es bei einem Brand tatsächlich in kürzester Zeit machbar ist, die Oberleitung stromlos zu schalten und abzusenken. Der zweite Fluchtweg sei in Gefahr.

„Natürlich erwägen wir auch weiterhin eine Klage gegen die Trassenführung der Tram durch die Sonntagstraße, da es praktikable Alternativen gibt“, sagte Hans-Hermann David, der an der Sonntagstraße wohnt und die Initiative mitgegründet hat. Denkbar wären ein Fußweg zwischen der  Marktstraße und dem Bahnhof, oder die Straßenbahn würde in Form einer Stichstrecke aus Richtung Osten herangeführt. David: „Unser Rechtsanwalt und unsere Geldgeber sind immer noch an Bord.“

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