Endlich Friede auf der Schiene? Warum LVMH beim „Orient Express“ von Accor einsteigt
Lange haben sich die beiden mit ihren Luxuszügen bekriegt. Nun steigt Bernard Arnault mit LVMH bei Accors Orient Express ein. Welche Taktik hinter dem Deal steckt.
Endlich Friede auf der Schiene? Warum LVMH beim „Orient Express“ von Accor einsteigt
Sie waren erbitterte Rivalen: Auf der einen Seite Bernard Arnault (75), Oberhaupt des französischen Luxusimperiums LVMH und aktuell der drittreichste Mann der Welt. Auf der anderen Seite eine unbekanntere, aber nicht weniger ehrgeizige Persönlichkeit, wenn es um Luxus auf der Schiene geht: Accor-CEO Sébastien Bazin (62), ebenfalls Franzose.
Nun investiert das weltweit größte LVMH in Accors Marke Orient Express. Warum? Weil „langsamer, erlebbarer Luxus“ ein Reisetrend ist, auf der Schiene und auf dem Wasser. Was Arnault sich den Schulterschluss hat kosten lassen? Dazu schweigen bislang beide Seiten. In der Presseerklärung heißt es nur lapidar: „Accor und LVMH sind eine strategische Partnerschaft eingegangen, um die Entwicklung der Marke Orient Express zu beschleunigen.“
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Von dem Deal dürften beide profitieren. Accor, eine der größten Hotelketten der Welt, wird von LVMHs Markenerfahrung lernen, genauer: der seines Luxusreisekonzerns Belmond, den sich Arnault 2019 für 3,2 Milliarden US-Dollar (inklusive Schulden) sicherte. Lange war die britische Kette der Reuben-Brüder mit Grandhotels, Safaris und Luxuszügen unverkäuflich. Beim Bieterstreit setzte sich Arnault durch. Doch was springt für den Luxuskönig heraus?
Welcher Orient Express gehört zu wem?
Warum kauft man sich in ein Unternehmen ein, wenn man selbst schon den berühmtesten Zug von allen besitzt: den Venice Simplon-Orient-Express? Und dazu noch eine ganze Reihe anderer Schienenikonen, wie Royal Scotsman, British Pullman, Eastern & Oriental Express, und darüber hinaus zwei Luxuszüge in Peru (Hiram Bigham, Andean Explorer)?
Weil die eigentliche Marke Orient Express seit 2022 dem mächtigen Hotelboss Bazin gehört. Und der denkt ebenfalls groß: Bis 2026 soll die größte Segeljacht der Welt in See stechen, Orient Express Silenseas, die in Chantiers de l’Atlantique gebaut wird, ein zweites Luxusschiff soll folgen. Zuletzt spitzte sich auch das Duell auf der Schiene zu: Bazins Orient Express Dolce Vita soll im Frühjahr 2025 durch Italien rollen (buchen kann man bereits). Parallel dazu will er in Rom und Venedig die ersten Orient-Express-Hotels von Accor eröffnen. Sie liegen genau da, wo dann auch der Venice Simplon-Orient-Express von Arnault hält. Netter Nebeneffekt des Schulterschlusses: Die Kunden und Zugfans sind nicht länger verwirrt.
Und es schließt sich ein weiterer Kreis. Mit Reisegepäck für Wohlhabende begann die Geschichte von Louis Vuitton, heute bietet das Luxusimperium so allerhand – vom Koffer bis zur Luxuszugreise. Champagner, Schmuck, Cruise Collection. Denn eines beherrscht Bernard Arnault besonders gut: Traditionsmarken bewahren, ausbauen, erneuern. Klar ist: Bei Jüngeren verschiebt sich der Trend vom Luxusgut zu erlebbarem Luxus, dazu zählen auch Reisen. Das Erfolgsgeheimnis von Arnault: im übersättigten Markt zielgenau anbieten, was anderen fehlt, das Angebot dann verknappen, Begehren schaffen. Allerdings: Im ersten Quartal 2024 schwächelte LVMH leicht. Der Hotelkonzern Accor wiederum, der noch keinen einzigen Zug, kein Schiff betrieben hat (anders als Belmond), eilte mit kühnen Ideen und Investoren wie der Dubai Holding, dem Staatsfonds, zu dem auch die Jumeirah Hotels gehören, von Erfolg zu Erfolg.
Ikonensammler Arnault
„Orient Express ist seit seiner Gründung vor 140 Jahren eine Legende“, sagt Accor-CEO Bazin. „Wir freuen uns, die seltene Expertise von LVMH in Anspruch nehmen zu können.“ Auch Arnault freut sich und erklärt, dass es ihm um „die Erneuerung der Reiseikone“ geht: „Jede unserer Gruppen wird ihr Bestes geben, um Orient Express an die Spitze der Kunst der Gastfreundschaft zu führen.“
Arnault sammelt also weiterhin Trophäen und Luxusikonen. Gerade sicherte er sich mehrheitlich das im Pariser Viertel Le Marais gelegene Restaurant Chez L'Ami Louis. Es gilt als eines der berühmtesten Restaurants der Grande Nation, für Normalsterbliche ist kaum ein Platz zu bekommen. Fast wie im Orient Express.