Regierungserklärung des Kanzlers: Scholz und seine vier zentralen Sätze zur Lösung der Haushaltskrise
Zerbricht die Ampel am Streit um den Bundeshaushalt? Bundeskanzler Olaf Scholz hat am Mittwoch im Bundestag einen Einblick gegeben, wie eine Lösung aus seiner Sicht aussieht.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD)
Der Bundeskanzler knüpft sein Sakko zu, zieht sich die Manschetten zurecht. Um 13.01 Uhr steht Scholz am Rednerpult vor den Bundestagsabgeordneten. Angekündigt ist eine Rede zum anstehenden EU-Gipfel und dem Gipfeltreffen der Nato. Viele der Abgeordneten, vor allem in seiner eigenen Fraktion, warten aber auf etwas anderes: Hinweise zu den laufenden Haushaltsberatungen.
Die Fronten sind verhärtet: Die SPD will eine Aussetzung der Schuldenbremse, keine Sparmaßnahmen im Sozialen und mehr Geld für Investitionen in die innere und äußere Sicherheit des Landes. Die FDP dagegen will möglichst keine neuen Schulden aufnehmen und beim Sozialen sparen. Scholz spricht dagegen von „sehr kollegialen“ Gesprächen innerhalb der Regierung und gibt an diesem Mittwoch einen ersten Einblick in seine politischen Ideen.
1. Wirtschaftswachstum
Olaf Scholz betonte insbesondere die Bedeutung von Wirtschaftswachstum für das Land. Sein zentraler Satz: „Wenn der Kuchen wächst, gibt es mehr miteinander zu regeln.“ Der Kanzler betonte in seiner Rede, wie wichtig eine wachsende Wirtschaft für Deutschland ist. Sonst setze sich in der Gesellschaft ein „Nullsummendenken“ durch.
Der etwas rätselhafte Begriff geht zurück auf den Ökonomen Marcel Fratzscher. Dieser beschreibt dieses Denken als die Sorge davor, dass der Gewinn des einen zwingend der Verlust von anderen in der Gesellschaft ist. „Das führt zu Neid“, sagt der Kanzler. Er will das durch Wachstum überwinden. Der FDP dürfte das gefallen.
In Rede steht ein Dynamisierungspaket für die deutsche Wirtschaft. Von einem Umfang von rund 25 Milliarden Euro wird in Koalitionskreisen gesprochen. Scholz nannte am Mittwoch aber keine Summe und keine Finanzierungsmöglichkeiten. Der Kanzler sagte zu Beginn seiner Rede lediglich: „Es geht um eine Dynamisierung des Wachstums.“ Scholz deutetet Vorteile bei Abschreibungen und weiteren Steuervorteilen für Unternehmen an. „Wir hätten hier gern mehr gemacht“, sagte er.
2. Keine Einschnitte beim Sozialen
Der zentrale Satz des Bundeskanzlers lautete hier: „Es darf keine Einschnitte geben bei der sozialen Gerechtigkeit, bei Gesundheit, Pflege oder Rente.“ Das dürfte vor allem seine eigene Fraktion beruhigen. Er betonte in diesem Bereich die Verantwortung der „von mir geführten“ Bundesregierung. Für Verunsicherung sorgte allerdings bei manchem, dass Scholz genau diese Bereiche nannte, andere soziale Unterstützungsleistungen wie Bürgergeld oder die anstehende Kindergrundsicherung aber nicht nannte.
Gleichzeitig zeigte Scholz sich explizit offen für Reformen am Bürgergeld. So wird schon jetzt ein härteres Vorgehen gegen jene geprüft, die nebenher schwarz arbeiten. Scholz sagte dazu: „Es geht darum, dass wir dagegen vorgehen, wo staatliche Leistungen missbraucht werden.“ Scholz wurde hier deutlich wie sonst selten: Dies sei unmoralisch, unsolidarisch und unanständig.
3. Kein Sparen an der Sicherheit
Scholz wiederholte im Bereich Sicherheit fast wortgleich, was mächtige Abgeordnete seiner Fraktion am Montag verkündet hatten. Sein zentraler Satz: „Ohne Sicherheit ist alles nichts“, sagte Scholz. Sicherheit im inneren und äußeren würde zentrales Thema im kommenden Haushalt. „Das werden wir zum Ausdruck bringen.“
Wir wollen die Investitionsoffensive fortführen.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD)
Das dürfte insbesondere Innenministerin Nancy Faeser und Verteidigungsminister Boris Pistorius (beide SPD) freuen. Die Fachleute von Pistorius hatten ausgerechnet, dass dessen Etat um mindestens vier bis sechs Milliarden Euro steigen müsse, um notwendige neue Investitionen zu starten, und die sogenannte Zwei-Prozent-Quote der Nato zu erreichen.
Auch Innenministerin Faeser hatte sich gegen Kürzungspläne des Finanzministers Christian Lindner gewehrt. Die Mittel ihres Ressorts sollte sie von rund 13,3 Milliarden Euro auf 12,2 Milliarden Euro im kommenden Jahr senken. Die sei „nicht ansatzweise verantwortbar“, hatte sie erklärt. Beide können wohl aufatmen. Auch damit kommt Scholz seiner Fraktion entgegen.
4. Mehr Investitionen, aber ohne Aussetzen der Schuldenbremse?
Olaf Scholz kündigte an: „Wir wollen die Investitionsoffensive fortführen.“ So solle Arbeit attraktiver werden. Scholz nannte Vorteile für Menschen, die freiwillig länger oder mehr arbeiten wollen. Beides sind Anliegen der FDP. Auch für Familien sollen Arbeit attraktiver gemacht werden, kündigte Scholz an.
Allerdings verschwieg Scholz, wie alles finanziert werden soll. Das ist die Kernfrage, um die die Regierung seit Wochen ringt. Je nach Sichtweise fehlen 25 bis mehr als 50 Milliarden Euro für das kommende Jahr. Scholz machte kaum Andeutungen in Sachen Schuldenbremse. Er unterließ auch mögliche Begründungen für einen möglichen weiteren Notlagenbeschluss, auch wenn er die Notwendigkeit der Unterstützung der Ukraine betonte. Scholz sprach lieber über Zuversicht als über die Dramatik der Krisen.
Die Bundesregierung will im Laufe des Julis einen Kabinettsbeschluss über einen Haushaltsentwurf fassen. Das Papier hat mehr als 1000 Seiten. Die Regierung hatte den ursprünglich geplanten Termin am 3. Juli nicht mehr halten können und strebt nun einen Beschluss 14 Tage später an. Allerdings ist offen, ob dieser Termin zu halten ist.
Solange ein Beschluss im Juli gefasst wird, kann der Bundestag laut Darstellung von SPD-Fraktionsgeschäftsführerin Katja Mast unter Einhaltung aller Fristen ab dem Ende der politischen Sommerpause im September über den Entwurf beraten und Änderungen daran vornehmen.