Neue Nebelkerzen der SPD – warum sich Bürgergeld und Schwarzarbeit weiterhin lohnen
Nach dem Europawahldesaster plant die SPD, härter gegen Schwarzarbeit vorzugehen. Doch die neueste Bürgergeld-Idee geht am Ziel vorbei. Denn das größte Problem bleibt bestehen: Eine illegale Beschäftigung ist für Empfänger einfach zu attraktiv. Andere Maßnahmen würden wirklich helfen.
Die Taktik der SPD beim Bürgergeld erinnert an die Totalverweigerer-Debatte, meint WELT-Redakteur Jan Klauth Jung Getty/Getty Images/Moment RF; Philip Nuernberger
Nach der Wahl ist vor der Wahl: Durch das historisch schlechte Abschneiden bei der Europawahl ringt die SPD um ihren Kurs – schnell sollen Vorschläge auf den Tisch, mit denen die Partei hofft, Wähler zurückgewinnen zu können. Der erste Vorschlag ist nun spruchreif: Bürgergeld-Beziehern, die schwarz arbeiten, soll der Regelsatz gestrichen werden. Lediglich die Miete würde weitergezahlt werden.
„Die schwarzen Schafe, die aufseiten der Unternehmen, aber auch aufseiten derer sind, die solche Arbeiten annehmen, insbesondere wenn sie zusätzlich auch noch Bürgergeld erhalten, die müssen aufgedeckt werden und bestraft werden“, sagte Parteichefin Saskia Esken – und lobte den Kanzler. Olaf Scholz habe in seiner Zeit als Finanzminister den Zoll stark verstärkt, auch personell, so Esken.
Die Ironie dabei: Die Zahl der aufgedeckten Schwarzarbeit-Delikte war 2023 rückläufig – nicht zuletzt, weil die Zahl der kontrollierten Unternehmen um 20 Prozent zurückging. Wo weniger gesucht wird, wird auch weniger gefunden.
Tatsächlich aber boomt die Schwarzarbeit. Der Finanzwissenschaftler Friedrich Schneider berechnet seit Jahren das Volumen der illegalen Beschäftigung. Für 2023 kam er auf 463 Milliarden Euro – eine Zunahme um rund 80 Milliarden gegenüber 2022. Dazu kommen laschere Strafen. Bei der Summe der erwirkten Freiheitsstrafen im Zuge der Schwarzarbeit steht fast eine Halbierung seit 2021.
Auch sonst ist der jüngste Vorstoß der Sozialdemokraten eine Nebelkerze. Der durchaus richtige Ansatz, Schwarzarbeit zu bekämpfen, dürfte kaum Wirkung zeigen, wie Experten der zuständigen Gewerkschaft der Polizei im Zoll erklären.
Sozialgerichte dürften entsprechende Streichungen einkassieren. Vorschläge, wie es effektiver ginge, liegen seit Jahren auf dem Tisch.
Schwarzarbeit und Bürgergeld zu attraktiv
Auch der zweite Teil des SPD-Plans klingt wacklig: Geld einsparen. Die Idee kommt nicht zufällig mitten während der Haushaltsverhandlungen. Sie soll Finanzminister Christian Lindner (FDP) beruhigen, der für den Zoll verantwortlich ist, und ein härteres Vorgehen beim Bürgergeld fordert.
Die Zahl derjenigen, denen wegen Schwarzarbeit das Bürgergeld gestrichen wird, dürfte aber sehr überschaubar bleiben. Der zuständigen Bundesagentur für Arbeit (BA) liegen hierzu laut „Spiegel“ gar keine Zahlen vor.
Die Taktik erinnert an die Debatte um die „Totalverweigerer“: Die SPD will mit vermeintlicher Härte gegen Sozialmissbrauch punkten, Praxiseffekte zeigen sich aber nur in homöopathischen Dosen.
Was tatsächlich gegen Schwarzarbeit hilft: härtere Strafen, gezieltere Ermittlungen statt Stichprobenkontrollen sowie eine digitale Vernetzung der zwischen Jobcentern und Zoll. Zudem sollte Arbeitsminister Hubertus Heil jenen Vorschlag umsetzen, den ihm eine eigens bestelle Studie des ifo-Instituts und des ZEW Mannheim präsentiert hat: Mit einer Anpassung der sogenannten Transferentzugsraten ließe sich die Erwerbstätigkeit um 136.000 Personen oder 145.000 Vollzeitstellen erhöhen.
Bisher ist es so, dass der Staat die Anreize, von der Schwarzarbeit in reguläre Beschäftigung zu gehen, zu gering ausgestaltet. Diverse Rechnungen haben gezeigt: Illegale Beschäftigung in Kombination mit dem Bürgergeld ist einfach zu attraktiv.
Wer als Bürgergeld-Bezieher hingegen seine Arbeitszeit auf dem offiziellen Weg verdoppelt, hat kaum mehr Geld in der Tasche. Mehr Arbeit lohnt sich für die über 800.000 Menschen, die ihren Lohn mit Bürgergeld aufstocken, derzeit nicht – auch wenn der Arbeitsminister partout das Gegenteil behauptet.