Ukraine-Krieg: Friedensverhandlungen in der Schweiz – reine Symbolpolitik oder Chance für neue Akteure?
Volodymyr Zelensky in der Schweiz
Die Abschlusserklärung des Ukraine-Friedensgipfels in der Schweiz fand erwartungsgemäß nicht die Unterstützung aller Teilnehmerstaaten. Mit Brasilien, Indien, Indonesien, Mexiko, Saudi-Arabien und Südafrika verweigerten sechs bedeutende G20-Mitglieder ihre Unterschrift unter der Abschlusserklärung. Brasilien, Indien und Südafrika sind zudem neben China und Russland zentrale Mitglieder von Brics plus, einem Zusammenschluss schnell wachsender Volkswirtschaften und einem wesentlichen Vertreter des globalen Nicht-Westens. Vor diesem Hintergrund kann von einem durchschlagenden Erfolg des Schweizer Friedensgipfels wohl kaum gesprochen werden. Letzterer war aber auch nicht zu erwarten. Denn selbst kleine symbolische Errungenschaften sind für die Ukraine in der gegenwärtigen Kriegsphase von enormer Bedeutung.
Selbstredend zog Moskau am 17. Juni 2024 die Friedenskonferenz erneut in Zweifel. So kritisierte Kremlsprecher Dmitri Peskow den Schweizer Friedensgipfel in gewohnt scharfer Manier und erklärte, dass die Friedenskonferenz die „Sinnlosigkeit von Gesprächen ohne Russland“ verdeutlicht habe. Schließlich seien die Ergebnisse „praktisch nicht vorhanden“, zeigte sich Peskow überzeugt. Russland war ja bekanntlich nicht eingeladen. Allerdings sagte der Kreml seine potenzielle Teilnahme unmittelbar nach Bekanntgabe der geplanten Initiative und noch im Vorfeld einer Einladung ab. Letzteres verschwieg Peskow freilich.
Doch tatsächlich weckten die Ergebnisse des internationalen Gipfeltreffens auf den ersten Blick den Eindruck überbordender Symbolpolitik an Stelle von inhaltlicher Substanz. Nichtsdestotrotz erweist sich ein genauer Blick als überaus lohnend. Die Politik bleibt schließlich die Kunst des Möglichen und nicht des erträumt Wünschenswerten. Die Grenzen des realistischerweise Möglichen im Auge behaltend gelang es der Ukraine mit dieser Initiative tatsächlich einige wichtige symbolische Siege zu erringen. Und der Wert von Symbolik im Rahmen eines intensiven politisch-militärischen Konfliktes sollte keinesfalls unterschätzt werden.
Der Westen sicherte Kiew unter den Blicken der internationalen Gemeinschaft weiterhin seinen Beistand zu und eröffnete der Ukraine demonstrativ die Chance, in Zukunft zum integralen Bestandteil des Westens zu werden.
Chinas Weigerung am Gipfeltreffen teilzunehmen, und sei es auch nur im Beobachterstatus, mag für die Ukraine enttäuschend sein. Die pragmatisch-zynische Position Pekings ist durchaus nachvollziehbar, bringt doch der Krieg China jedenfalls aktuell deutlich mehr Vorteile als Nachteile. Pekings destruktive Politik im Vorfeld der Konferenz und heimliche Sabotageversuche bringen jedenfalls Klarheit darüber, dass jedwede chinesische „Friedensinitiativen“ nicht ernst zu nehmen sind. Chinas endgültiger Verlust der Glaubwürdigkeit als mehr oder weniger „neutraler Vermittler“ überlässt dieses Feld anderen Staaten des globalen Nicht-Westens.
Was andere Teilnehmerstaaten von Seiten des globalen Nicht-Westens am Friedensgipfel anbelangt, so gilt es bei der Bewertung des Ergebnisses zu differenzieren. Die Zahl der teilnehmenden Staaten und die geografische Diversität waren durchaus beeindruckend. Eine wesentliche inoffizielle Zielsetzung des Gipfels bestand nämlich im Wunsch der Ukraine, die Deutungshoheit über diesen Krieg im globalen Nicht-Westen den Händen Russlands zu entreißen. Dieses Unterfangen misslang freilich.
Dennoch war der globale Nicht-Westen prominent vertreten und zeigte zumindest vorsichtig-aufrichtiges Interesse an den Positionen Kiews. Ein klares, ungeteiltes Bekenntnis der Unterstützung war ja ohnehin nicht zu erwarten gewesen. Bei zukünftigen internationalen Friedensinitiativen könnten aber einige bedeutende Akteure des globalen Nicht-Westens als Gesprächsvermittler fungieren. So verzichtete beispielsweise Saudi-Arabien auf die ausdrückliche Unterstützung der Abschlusserklärung wohl vor allem mit Blick auf seine potenzielle glaubwürdige Vermittlerrolle.
Letztlich sollte aber keinesfalls übersehen werden, dass der Ausgang dieses Krieges nicht auf internationalen Gipfeltreffen und Kongressen, sondern auf dem Schlachtfeld entschieden wird. Dieser Krieg wird mit Friedensverhandlungen enden. Dieser Meinung ist beispielsweise auch Michailo Podoljak, Berater des ukrainischen Präsidenten.
Die wesentliche Frage ist aber, ob die Friedensverhandlungen den Begriff Frieden in ihrem Namen auch tatsächlich zu Recht tragen werden. Denn eine ehrliche Verhandlungslösung kann es – im krassen Gegensatz zum Wladimir Putins voraussetzungsreichen Scheinangebot – ausschließlich nach einer militärischen Schwächung Russlands und einer Pattsituation an der Front geben. Die Unterstützung der Ukraine durch den Westen, Ausbau der Waffenlieferungen sowie die Ermöglichung ihres Einsatzes auch gegen Militärobjekte auf dem russischen Territorium sind dabei absolut entscheidend.
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