Schottische Fans leben Fußballkultur: Die „Tartan Army“ ist ein Segen für diese EM
Ulkig anmutende Gestalten, Partystimmung und ein Hauch von Maradona – die Fans des schottischen Nationalteams gehören schon jetzt zu den Stars dieser EM. Und sie zeigen die schönste Seite des Fußballs.
Schottische Fussballfans vor dem Eröffnungsspiel der Europameisterschaft in München.
Nun gut, das große kitschige Fußballwunder ist dann doch ausgeblieben. Die schottische Nationalmannschaft hat ganz Gentleman-like den deutschen Gastgebern die Party nicht versaut und sich im EM-Auftaktspiel deutlich mit 5:1 geschlagen gegeben. Wobei: Wessen Party war das eigentlich?
„No Scotland, no Party!“ – vor der Partie schien es insbesondere am Austragungsort München, aber auch in anderen deutschen Städten, als gehöre die Show zum Turnierstart den Gästen aus dem britischen Landesteil. Mit ihren Gesängen, den Kilts und bisweilen ulkigen Auftreten verblüfften sie ihre Gastgeber. Und spätestens seit der sportlichen Ouvertüre ist klar, dass die schottische Fanschar ein Segen für diese EM ist.
Schon während sie schlagzeilenträchtig und zu Tausenden den Münchener Marienplatz einnahm, bewies sie ihren unschätzbaren Wert für dieses Turnier. Denn Stimmung lässt sich nicht planen wie etwa eine von der Uefa initiierte Eröffnungsshow unter Einsatz von Pyrotechnik, die von Funktionären sonst im Fußballalltag als Teufelszeug verdammt wird.
Das Auftreten der „Tartan Army“, wie die schottischen Fans wegen ihrer Kilts genannt werden, ist gelebte Fan- und Fußballkultur. Es besticht durch eine hedonistisch anmutende Grundhaltung – stets zum Ausdruck gebracht durch bierselige Gesänge, humorvolle Schlachtrufe und - nicht zu vergessen - gewaltfrei.
Selbst Frotzeleien wie der berüchtigte Maradona-Gesang gegen den großen Rivalen aus England kommen bei den Schotten sympathisch rüber.
All das in Kombination mit audiovisuellem Beiwerk wie den Dudelsackklängen, den Schottenröcken und dem invasiven, aber kontaktfreudigen Verhalten sorgt hierzulande bei vielen für Verblüffung.
Sehnsucht nach Leichtigkeit
Allein, aus heiterem Himmel ist die blauweiße Partywelle nicht zu uns geschwappt. Die Fans der „Bravehearts“ sind seit jeher für Feierwut, Megadurst und Abenteurertum berüchtigt und berühmt. Womöglich schwingt bei dem hiesigen Staunen aber die Sehnsucht nach der vor dem Turnier vielbeschworenen Leichtigkeit mit.
Ohne Frage befindet sich unsere Gesellschaft in herausfordernden Zeiten. Doch auch in Schottland und allgemein im Vereinigten Königreich sind die politischen wie gesellschaftlichen Lagen wahrlich nicht rosig. Dennoch scheint es, als seien die schottischen Fans eher imstande, die Alltagssorgen zuhause zu lassen und sich mit positiver Energie aufzuladen. Und das ist imponierend.
Die Party geht weiter
Aber zurück zum Turnier: Die „Tartan Army“ demonstriert Europa und der Welt darüber hinaus, dass zum Fußball eben vor allem auch Emotionen und unbedingte Leiden(sbereit)schaft abseits des Rasens gehören.
Wer sein Herz an einen Club verloren hat, weiß nur zu gut, wovon hier die Rede ist. Viele Sympathisanten der deutschen Nationalmannschaft scheinen das jedoch nur bedingt verinnerlicht zu haben. „Ein echter Fan ist treu, werteorientiert und bereit zu leiden“, sagte jüngst auch Fan-Forscher Harald Lange dem Tagesspegel und kritisierte zugleich die Entwicklung in der DFB-Fanszene. Womöglich ist diese EM in dieser Hinsicht ein Wendepunkt.
Umso wertvoller ist es für dieses Turnier, wenn Fans wie jene aus Schottland als Botschafter der Fußballkultur mit von der Partie sind. Lautstark supporten, jederzeit und unter allen Umständen. Das hat die „Tartan Army“ insbesondere vor der ersten von mindestens drei EM-Partien umgesetzt.
Und auch wenn während des Spiels gegen Deutschland noch Luft nach oben war: Die schottische Unterstützung konnte sich trotz der deutlichen Unterlegenheit des eigenen Teams mehr als sehen und hören lassen. Nationaltrainer Steve Clarke weiß um deren Wert und sagte seinen Landsleuten nach der 1:5-Klatsche nicht umsonst: „Behaltet den Glauben.“
Doch egal, wie die beiden ausstehenden Gruppenspiele der schottischen Fußballer sportlich auch ausgehen mögen – die Party geht weiter. Köln und Stuttgart können sich schonmal freuen. Und alle, die Fankultur lieben, auch. Die „Tartan Army“ demonstriert die schönste Seite des Fußballs.