Wissenschaftler im Shitstorm - „Ich könnte täglich eine Handvoll Anzeigen erstatten“

wissenschaftler im shitstorm - „ich könnte täglich eine handvoll anzeigen erstatten“

Laut einer aktuellen Befragung haben 45 Prozent der Forscher Wissenschaftsfeindlichkeit erlebt (Symbolbild)

Laut einer aktuellen Befragung haben 45 Prozent der Forscher Wissenschaftsfeindlichkeit erlebt (Symbolbild)

Als ihn ausgerechnet der bayerische Vize-Ministerpräsident auf X, ehemals Twitter, als „Bub“ bezeichnete, nahm Klimaforscher Christian Scharun es mit Humor: Er setzte ein Häkchen hinter den Bucket-List-Eintrag „Von Hubert Aiwanger beleidigt werden“ und kommentierte, es sei immer noch „uncool, andere Menschen anhand ihres Geschlechts, Alters oder Aussehens, anstatt nach ihren Inhalten und Taten zu beurteilen“.

Über Kommentare zu seinem jugendlichen Aussehen sehe er hinweg, sagt der 31-Jährige. Doch er wurde auch schon als „Klimajünger“ beleidigt und als „Faschist“, wie er sagt. „Halt dein dummes Maul“, gehöre noch zu den harmlosen Kommentaren. „Ich könnte täglich eine Handvoll Anzeigen erstatten“, sagt der ehemalige Forscher am Karlsruher Institut für Technologie (KIT), der heute für die Wissenschaftsjournalistin Mai Thi Nguyen-Kim arbeitet.

Wie Scharun geht es vielen Wissenschaftlern. Posten sie etwas im Internet, hagelt es Kritik, Beleidigungen, manchmal Morddrohungen. Eine Kollegin habe mal leicht ironisch gesagt, es sei erst eine Todesdrohung dabei gewesen. „Das ist doch bitter, wenn dass das Positive sein soll“, sagt Scharun. Viele Forscher kommunizierten lieber gar nicht erst öffentlich, um Shitstorms zu entgehen. „Es kann aber doch nicht das Ziel sein, dass sich am Ende nur die mit harter Schale äußern.“

Das Deutsche Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZHW) hat im Mai Ergebnisse einer repräsentativen Befragung veröffentlicht, nach der 45 Prozent der Forscher in irgendeiner Form Wissenschaftsfeindlichkeit erlebt hat. Tendenz: steigend.

Zwar gab es Kritik, die Studie zähle zu Wissenschaftsfeindlichkeit auch „herablassende Äußerungen“ und eine „unangemessene Reaktion auf wissenschaftliche Erkenntnisse in öffentlichen Diskussionen“. Doch an der Quintessenz gibt es wohl nichts zu rütteln: „Anfeindungen gegen Forscher sind ein ernstes Problem.“

Und das nicht nur, wenn sie – wie in Corona-Zeiten der Virologe Christian Drosten – in den Fokus der Öffentlichkeit und damit der öffentlichen Debatte rücken. Auch weitgehend unbekannte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sind betroffen, wie Scharun sagt.

Hilfe für bedrohte Wissenschaftler

Nach Vorträgen kämen eher selten Menschen zu ihm und äußerten Kritik – „meist nicht freundlich, aber friedlich“. In sogenannten sozialen Netzwerken aber, „da brennt der Baum“. „Tempolimit ist ein Garant für Shitstorms“, sagt Scharun. „Da ist die Hölle los.“ Auch mit Beiträgen zum Klimawandel löst er regelmäßig Fluten an Reaktionen aus. „Da kann ich davon ausgehen, dass sich innerhalb weniger Stunden die gesamte Meute versammelt.“

Neben falschen Behauptungen von Klimawandelleugnern und Beleidigungen gehe es schnell nicht mehr um die Sache, sondern um Themen wie Corona, Russlands Krieg in der Ukraine und den Gaza-Konflikt. Scharun spricht von „Bullshit-Bingo“. Ein Klassiker, vor allem seit er für die aus dem ZDF bekannte Nguyen-Kim und „Terra X“ arbeitet: Was er für die Öffentlich-Rechtlichen erzähle, werde „von oben“ diktiert, er sei eine „Marionette der Eliten“.

Für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die von Anfeindungen, Drohungen oder Hass-Nachrichten betroffen sind, gibt es Hilfsangebote. Im Netzwerk für kommunizierende Forscher („WissKon“) können sie sich über einen sogenannten „Mayday-Button“ Unterstützung holen. Der Bundesverband Hochschulkommunikation und die Organisation Wissenschaft im Dialog haben im vergangenen Jahr zudem die Initiative „Scicomm-Support“ ins Leben gerufen, eine Online-Plattform samt Telefonnummer für persönliche Beratung.

Anders als erwartet konzentriert sich die Arbeit nicht nur auf Bereiche, in denen zu aktuell gesellschaftlich relevanten und kontroversen Themen wie Klimawandel, Forschung mit Tierversuchen, Gender- und Diversityforschung gearbeitet wird. „Tatsächlich kommen die Anrufe aber aus dem gesamten wissenschaftlichen Fächerspektrum“, teilte das Team mit und nannte als Beispiele auch Theologie, Philosophie und Wirtschaftswissenschaften.

Seit Beginn beraten die Fachleute demnach unter anderem einen Professor, den eine Person seit acht Jahren beschimpft, bedroht, verfolgt – bis hin zu einem körperlichen Angriff in der Stadt. Bei öffentlichen Veranstaltungen sei ein Sicherheitsdienst dabei.

Scharun tauscht sich in einer kleinen Community aus. „Da schicken wir uns auch mal die dümmsten Kommentare.“ Auf X verzichten will er nicht. Dort könne er viele Menschen erreichen, zumal es in der Wissenschaft durchaus genug Anlass zu sachlichen Diskussionen gebe. Seit Juli 2021 ist er überhaupt erst auf der Plattform, nach einem Sieg bei einem Wissenschafts-Wettbewerb. Inzwischen hat er mehr als 16.500 Follower.

Und er hat sich eine Strategie zurechtgelegt: Accounts mit wenigen Followern antwortet er gar nicht erst. Wenn er auf die großen Fake-News-Verbreiter mit Tausenden Anhängern reagiere, sei das zwar in 99 Prozent vermutlich auch vergebene Liebesmüh, räumt Scharun ein. „Aber vielleicht erwische ich doch einen Mitleser oder eine Mitleserin.“ Doch auch das koste viel Zeit: „Es ist viel leichter, Bullshit zu verbreiten, als Bullshit richtigzustellen.“

Zudem nutze er inzwischen mehr Zeit zum Aufklären, wie Falschinformationen verbreitet werden – wenn etwa Zitate von Nobelpreisträgern aus dem Kontext gerissen werden. Auf X wünscht Scharun sich mehr Regeln wie eine Pflicht zu Quellenangaben. Früher seien häufiger Accounts gesperrt worden, sagt er. Heute hielte er es für gut, wenn es zumindest Warnungen gäbe, dass ein Account höchstwahrscheinlich Fake News verbreite. „Natürlich sollte man prinzipiell alles sagen dürfen“, sagt Scharun. „Aber Desinformation ist auch eine Waffe.“

]]>

OTHER NEWS

2 hrs ago

Neuer warnt vor Spaniens Abschlüssen

2 hrs ago

Boeing kauft Zulieferer Spirit zurück

2 hrs ago

Außenseiter kämpft aufopferungsvoll - Georgien ist raus - und zeigt Deutschland eine Halbzeit, wie man Spanien schlagen kann

2 hrs ago

Gericht: Krankenkasse muss keinen Sonnenschutz finanzieren

2 hrs ago

Cristiano Ronaldo – EM 2024: Superstar war nach seinem Fehlschuss »wahnsinnig traurig«

2 hrs ago

Immunität von US-Präsidenten - Trump erringt Teilsieg vor Supreme Court

2 hrs ago

Kölner Professor warnt nach Wahl: „AfD und Wagenknecht werden französische Verhältnisse herstellen“

2 hrs ago

Gefälschte Hotspots: Australier soll Fluggäste mit Fake-WLAN genarrt haben

2 hrs ago

„Es war ein seltsames Wochenende für Marc Márquez, mit ziemlich vielen Kettenschaltfehlern“ – Dani Pedrosa

2 hrs ago

Interview with the Vampire: And That’s The End of It. There’s Nothing Else. - Review

2 hrs ago

Monopolkommission warnt vor Fehlentwicklungen im Lebensmittelhandel und bei der Bahn

2 hrs ago

Einstiger Trump-Berater Steve Bannon trat laut Medien seine Haft an

2 hrs ago

Teilweise Immunität für Trump: Präsident Biden kritisiert Entscheidung des Obersten US-Gerichts

2 hrs ago

Biden-Kritik nach Trump-Entscheid am Höchstgericht

2 hrs ago

Union startet in die Saisonvorbereitung - und Gosens ist dabei

2 hrs ago

Vinales nach P5 in Assen frustriert: "Das Motorrad gibt nicht mehr her"

2 hrs ago

Baerbock zur Frankreich-Wahl - "Kann niemanden kalt lassen"

2 hrs ago

Für volle Wimpern: Französinnen lieben diese Mascara aus dem Drogeriemarkt

2 hrs ago

Fachleute warnen - Darum sollten Sie Ihre Schuhe immer vor der Haustür ausziehen

3 hrs ago

Laut Horoskop: Drei Sternzeichen erleben im Juli etwas Wunderbares

3 hrs ago

Gratis EM-Trikot von Check24: Diese Warnung sollten Fußball-Fans nicht ignorieren

3 hrs ago

Abgesagt! Diese Künstler müssen Konzerte für Juli streichen

3 hrs ago

US-Börsen legen zu - Hoffnung auf Leitzinssenkung im September

3 hrs ago

International: "Mehr als genug Geld": De Bruyne über Saudi-Angebote

3 hrs ago

IW-Chef fordert 300 Milliarden Euro für die Bundeswehr

3 hrs ago

Schwedische Großeltern bekommen Geld für Betreuung der Enkel

3 hrs ago

"Yoga - Lifestyle mit Nebenwirkungen": Kritischer Blick auf die spirituelle Bewegungslehre

3 hrs ago

Biden: Immunitäts-Entscheidung des obersten US-Gerichts für Trump schafft "gefährlichen Präzedenzfall"

3 hrs ago

Sieg gegen Belgien - Frankreich bleibt ohne eigenen EM-Treffer aus dem Spiel – steht aber im Viertelfinale

3 hrs ago

Supreme Court: Ein Geschenk für Donald Trump

3 hrs ago

Stubbs äußert Bedenken über Novak Djokovics Teilnahme in Wimbledon

3 hrs ago

Die beste Dock-Alternative für die Nintendo Switch

3 hrs ago

Lola Weippert zeigt auf Instagram ihren "sechsten Zeh"

3 hrs ago

Immobilientraum? Darum sollten Sie nicht mit dem Kauf warten

3 hrs ago

Lobautunnel: Gutachten sieht Mängel bei Strategischer Umweltprüfung

3 hrs ago

LG OLED 55 Zoll im Sale: Sichere dir Top-Bildqualität zum Sparpreis

3 hrs ago

Bellingham droht Ärger wegen obszöner Geste - UEFA ermittelt

3 hrs ago

Warnung vor Rechtspopulisten in Europa nach Frankreich-Wahl

3 hrs ago

Archäologen entdecken Ort von 12.000 Jahre altem rituellem Zauber

3 hrs ago

Reaktionen auf Trump-Urteil: „Todesstoß” für US-Demokratie