Deutschland steckt in der Krise, Konzerne aus den USA investieren weniger – Amazon pfeift darauf
Groß, größer, Amazon: Das amerikanische Unternehmen will in den kommenden Jahren Milliarden in den Standort Deutschland investieren. Warum?
Ob schlechter Wirtschaftsstandort oder Wirtschaftskrise – aktuell rechnen viele Unternehmen mit Deutschland und den schwierigen Bedingungen für Unternehmen ab. Nicht aber Amazon.
Der Online-Gigant aus den USA will in den kommenden Jahren zehn Milliarden Euro in verschiedene Standorte in Deutschland investieren, wie das Unternehmen kürzlich bekannt gab. Dazu kommen noch einmal 7,8 Milliarden Euro, die die Tochterfirma Amazon Web Services (AWS) – eine Plattform für Cloud-Computing-Services – für einen neuen Standort in Brandenburg bereitstellen will.
Aber was zieht Amazon gerade nach Brandenburg? Immerhin sind Investitionen ausländischer Firmen in Deutschland tendenziell rückläufig, wie aus einer Analyse des Prüfungs- und Beratungsunternehmens EY hervorgeht. Die Berliner Zeitung hat bei Amazon nachgefragt.
Die Antwort mag überraschend für alle sein, die sich längst an die Beschwerden aus der Wirtschaft über zu viel Bürokratie und zu wenig Digitalisierung gewöhnt haben. Brandenburg habe „eine klare Vision für die langfristige wirtschaftliche Entwicklung im Hinblick auf Digitalisierung“, sagt eine Amazon-Sprecherin. Von Amazon heißt es weiter: Das Bundesland investiere viel in die Entwicklung von Talenten und in gute Rahmenbedingungen für die Rechenzentrumsindustrie. „Dieses Engagement macht Investitionen der Größenordnung wie der AWS European Sovereign Cloud möglich.“
Kein Wunder, dass sich auch Brandenburgs Wirtschaftsminister Jörg Steinbach erfreut zeigte. „Für unsere digitale Souveränität ist es wichtig, dass Rechenleistungen vor Ort in Deutschland erbracht werden“, wird er in einer Amazon-Mitteilung zitiert. Brandenburg mache große Fortschritte dabei, eine verlässliche Infrastruktur für eine digitalisierte Wirtschaft zu schaffen.
Ein großer Erfolg für Brandenburg also, denn laut EY-Analyse haben ausländische Investoren im vergangenen Jahr ihr Engagement in Deutschland zum sechsten Mal in Folge zurückgefahren. Besonders amerikanische Unternehmen investierten deutlich weniger als im Vorjahr: Die Zahl der Projekte aus den USA schrumpfte um 22 Prozent. Amazon scheint dennoch an den Wirtschaftsstandort Deutschland zu glauben.
Amazon investiert aber nicht nur in Brandenburg. Bis Ende des Jahres sollen in drei neuen Logistikzentren in Nordrhein-Westfalen, Thüringen und Niedersachsen bis zu 4000 neue Arbeitsplätze entstehen. Insgesamt will das Unternehmen in den kommenden Jahren also 17,8 Milliarden Euro in Deutschland investieren.
Ist der Wirtschaftsstandort Deutschland für neue Investitionen also gar nicht so unattraktiv? Nach Angaben der Amazon-Sprecherin haben „Teams aus vielen unterschiedlichen Bereichen seit dem Start vor 25 Jahren in Deutschland Wurzeln geschlagen“. Zwischen den Jahren 2010 und 2023 habe Amazon 77 Milliarden Euro in deutsche Standorte investiert und so 40.000 Arbeitsplätze in mehr als 100 deutschen Städten und Kommunen geschaffen.
AWS hingegen wirbt damit, durch die neuen Investitionen in Deutschland von 2024 bis 2026 jährlich mehr als 15.200 Arbeitsplätze in lokalen Unternehmen zu unterstützen. So weit, so großzügig. Kritik bleibt aber nicht aus.
Beispielsweise beanstandet die Gewerkschaft Verdi schon seit langem, dass Amazon keine fairen Löhne zahle und Beschäftigte zu engmaschig überwache. „Amazon versucht außerdem, gewerkschaftliches Engagement zu unterdrücken“, heißt es auf der Website der Gewerkschaft. Seit ungefähr zehn Jahren versucht Verdi, für die Beschäftigten des Konzerns einen Tarifvertrag zu erreichen.
Haben Sie Feedback? Schreiben Sie uns! [email protected]