Arbeitsrecht: Betriebliche Impfung kann laut Bundessozialgericht als Arbeitsunfall gelten
Das Bundessozialgericht gab dem Leiter eines Krankenhaus-Caterers recht, der nach dem Piks unter Fieberschüben litt: Eine Impfung kann unter gewissen Umständen als Unfall am Arbeitsplatz gelten.
Arbeitsrecht: Betriebliche Impfung kann laut Bundessozialgericht als Arbeitsunfall gelten
Ein Arbeitsunfall bei einer betrieblichen Impfung ist nicht ausgeschlossen. Das entschied das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel (Aktenzeichen: B 2 U 3/22 R).
Der Kläger hatte als Leiter eines Krankenhaus-Caterers im November 2009 freiwillig an einer vom Krankenhaus organisierten Impfung gegen Schweinegrippe teilgenommen. Jahre später traten Fieberschübe auf, die er auf die Impfung zurückführt. Er beantragte daraufhin Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung.
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Arbeitsunfall – oder nicht?
Die beklagte Berufsgenossenschaft lehnte es ab, einen Arbeitsunfall anzuerkennen. Maßnahmen zur Erhaltung der Gesundheit seien grundsätzlich dem unversicherten Lebensbereich zuzurechnen. Der Kläger hingegen argumentierte, mit dem Impfangebot seien wechselseitige Nebenpflichten aus dem Arbeitsverhältnis erfüllt worden. Zumindest habe ein Druck bestanden, sich als Vorbild für andere Mitarbeiter impfen zu lassen.
Das Sozialgericht Koblenz und das Landessozialgericht Rheinland-Pfalz bestätigten die Auffassung der Berufsgenossenschaft. Arbeitsrechtlich habe keine Impfpflicht bestanden, entschieden sie. Allein die subjektive Vorstellung, durch die Impfung auch betrieblichen Interessen nachzukommen, reiche nicht aus, um Versicherungsschutz zu begründen.
Das BSG hob das Urteil der Vorinstanz auf und verwies den Fall zurück an das Landessozialgericht Rheinland-Pfalz. Eine planmäßig und freiwillig durchgeführte Impfung könne ein Unfallereignis sein, wenn sie zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen führe, entschieden die Kasseler Richter.
Es muss ein direkter Zusammenhang zwischen der Impfung und der beruflichen Tätigkeit bestehen. Dieser Zusammenhang besteht nicht automatisch, nur weil der Arbeitgeber die Impfung empfiehlt, finanziert und im Betrieb durchführt. Er kann jedoch angenommen werden, wenn die Impfung hauptsächlich betrieblichen Zwecken dient.
In einem Krankenhaus, in dem ein hohes Interesse am umfassenden Gesundheitsschutz der Patienten besteht, kann ein Zusammenhang zwischen Impfung und beruflicher Tätigkeit bestehen, wenn die Impfung wegen des Arbeitsverhältnisses notwendig war oder der Arbeitnehmer dies aufgrund besonderer Umstände annehmen durfte.
Landessozialgericht Rheinland-Pfalz muss präzisieren
Dabei sei die damalige besondere Empfehlung der Ständigen Impfkommission zur Schweinegrippe zu berücksichtigen. Sie habe sich in erster Stelle an alle Beschäftigten der unmittelbaren Gesundheitsversorgung mit Patientenkontakt gerichtet, so die Richter. Zu diesen besonderen Umständen habe das Landessozialgericht nicht näher ausgeführt. Dies müsse nun nachgeholt werden.