Offshore-Wasserstoff: Tanker statt Gasleitungen machen alles viel einfacher

Grüner Wasserstoff, der auf schwimmenden Offshore-Windkraftanlagen erzeugt wird, könnte per Tanker transportiert werden, statt teuere neue Leitungen zu verlegen. Bald soll es losgehen.

offshore-wasserstoff: tanker statt gasleitungen machen alles viel einfacher

Der erste Wasserstoff-Tanker der Welt, die japanische Suiso Frontier, ist hier im Hafen von Hastings im australischen Victoria zu sehen. Künftig könnten solche Tankschiffe auch in der Nordsee zum Einsatz kommen.

Der direkte Stromnetzanschluss von Offshore-Windkraftanlagen ist teuer und leidet unter Verzögerungen. Im Januar wurde bekannt, dass wichtige Leitungen erst Jahre später entstehen sollen. Und auch die Wasserstoff-Produktion direkt im Windpark würde den bisherigen Konzepten zufolge einen Gasnetzanschluss notwendig machen. Könnte stattdessen der auf hoher See erzeugte Wasserstoff einfach verschifft werden? Mit technischen Lösungen ist man nun jedenfalls über die erste Testphase hinaus.

Wie das Konzept genau aussieht, hat Unternehmer Jens Cruse auf einer Fachtagung in Hamburg erläutert: Autarke, schwimmende Windkraftanlagen, in europäischen Gewässern errichtet, sollen das vor allem in der Industrie begehrte Gas direkt auf der Plattform per Elektrolyse aus entsalztem Meerwasser herstellen und an die Trägersubstanz LOHC (Liquid Organic Hydrogen Carrier) binden. Shuttle-Tankschiffe, wie sie in der Ölindustrie seit langem üblich sind, würden die wertvolle Fracht dann beispielsweise im Monatsrhythmus an Land und in den nächstgelegenen Hafen transportieren.

Bis zu 50 Prozent weniger Energiekosten

Jens Cruse, Schiffbau-Ingenieur, der sich nach Jahren in der Forschung mit einem eigenen Unternehmen selbständig gemacht hat, zählt die Vorteile der direkten H2-Erzeugung auf hoher See auf: „Durch so ein Modell lassen sich bis zu 50 Prozent der Erzeugungskosten sparen. Das liegt an geringeren Investitionskosten bei gleichzeitig höherem Ertrag. Die Investitionskosten sinken deutlich, weil weder Strom- noch Gasleitungen verlegt werden müssen“, sagt er.

Wichtiger Nebeneffekt: Damit entfallen langwierige Genehmigungsprozesse. Und auch die Betriebskosten verringern sich nach seinen Angaben um bis zu 50 Prozent, wenn man nicht an ein Leitungssystem gebunden ist und für den Elektrolyse-Strom keine Steuern, Netzentgelte und sonstige Abgaben zahlen muss.

Hinzu kommt, dass der Ertrag durch die Platzierung in Seegebieten mit hohen Windgeschwindigkeiten wesentlich erhöht wird. Unterm Strich ergibt sich den Angaben zufolge bei einer Verwendung der gleichen Komponenten, die auch an Land zum Einsatz kommen, mindestens eine Halbierung der Herstellungskosten für grünen Wasserstoff. Somit würden die Kosten auch ohne CO₂-Abgabe unterhalb jener für die Herstellung des fossilen grauen und blauen Wasserstoffs liegen.

Die sogenannten Offshore-H₂-Generatoren sollen dort zum Einsatz kommen, wo viel Wind weht, und das beinahe rund um die Uhr. „Dafür muss man nicht bis Patagonien, Namibia oder Australien gehen“, sagte der Gründer und Geschäftsführer der Cruse Offshore GmbH. „Das haben wir in Europa direkt vor der Haustür, insbesondere vor den Küsten von Norwegen, Irland und Schottland.“ Die heutzutage noch relativ teuren Elektrolyse-Anlagen könnten dort das ganze Jahr über laufen, nahe am Maximum zu erntender Windenergie.

Im Modell habe die schwimmende Anlage stärksten Belastungen getrotzt, erklärte Professor Moustafa Abdel-Maksoud, Leiter des Instituts für Fluiddynamik und Schiffstheorie an der Technischen Universität Hamburg (TUHH). Er hat mit seinem Team Simulationen zur Optimierung der Anlage für extreme Wetterverhältnisse auf See durchgeführt und im Wind- und Wellenkanal der TUHH getestet.

Das System funktioniert einwandfrei und es rechnet sich.

Moustafa Abdel-Maksoud, Leiter des Instituts für Fluiddynamik und Schiffstheorie an der Technischen Universität Hamburg

Nicht einmal eine mehr als 16 Meter hohe simulierte Welle habe die Funktionsweise des Systems beeinträchtigt. „Das System funktioniert einwandfrei und es rechnet sich“, sagt Moustafa Abdel-Maksoud. „Wir sind technisch und wissenschaftlich in der Lage das zu realisieren.“ Mit der Technik vermeide man zudem die Flächenkonkurrenz zu konventionellen Offshore-Windparks und sei für die H₂-Produktion unabhängig von Überschussstrom.

Nach Jahren der Vorarbeiten und wissenschaftlichen Tests plant Cruse jetzt mit einem Konsortium den Bau einer Fünf-Megawatt-Anlage, die Windkraft, Meerwasserentsalzung, Elektrolyse und H₂-Speicherung in LOHC miteinander kombiniert. Das geschieht im Rahmen des dreijährigen Forschungsprojektes „ProH₂Gen“, das vom Bundeswirtschaftsministerium unterstützt wird. An diesem Verbundvorhaben beteiligen sich außer der Cruse Offshore GmbH und der TUHH die Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, der Maschinen- und Getriebebauer Renk und das auf die Verarbeitung von Rohöl-Derivaten spezialisierte Unternehmen H&R.

Die ökonomische und technische Machbarkeit der schwimmenden H₂-Produktion belegt auch ein anderes vom Bundeswirtschaftsministerium gefördertes Projekt des Fraunhofer ISE, dessen Konzept ebenfalls den Transport von Wasserstoff per Schiff vorsieht. Allerdings nicht an LOHC gebunden, sondern in Drucktanks, in denen der Wasserstoff auf 500 bar komprimiert ist.

Der Fünf-MW-Prototyp von „ProH2Gen“ soll in der ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) Deutschlands zum Einsatz kommen. Das Fundament des geplanten H₂-Offshore-Generators wird aus vier Auftriebskörpern („Floatern“) bestehen, die unter Wasser verbunden und mit Ballastwasser gefüllt sind.

Die vorhandene Öl-Infrastruktur kann genutzt werden

Als Material werden Stahlbleche wie beim Schiffbau verwendet. Einer der Körper trägt die Windkraftanlage, ein anderer beherbergt eine Anlage zur Entsalzung von Meerwasser, einen Elektrolyseur und eine Komponente zur Einspeicherung des Wasserstoffs in LOHC. Darunter befinden sich eine Drehboje sowie die Ankertrossen, mit denen der H2-Offshore-Generator am Meeresboden befestigt wird.

Zwei weitere Floater bestehen aus doppelwandigen Tanks, in denen die Trägerflüssigkeit LOHC lagert. Dafür sind normale Öltanks geeignet. Auch sonst sei bei diesem Verfahren die bereits vorhandene Öl-Infrastruktur nutzbar, die Schienen und Wasserwege, die auch heute die Industriehäfen mit den industriellen Standorten verbinden, betont Cruse.

Hamburg bietet beste Voraussetzungen

Hamburg zum Beispiel biete beste Voraussetzungen, weil im Hafen ansässige Betriebe bereits als potentielle Wasserstoff-Abnehmer in Frage kommen. Von dort könnten die Tanks außerdem mit dem an das Trägeröl gebundenen Wasserstoff per Zug oder Binnenschiff bis tief ins Hinterland weiterverteilt werden. So wie derzeit noch die fossilen Energieträger Kohle, Erdöl und Gas. Dieses seit langem bewährte Transportnetz reicht bis in die europäischen Nachbarländer. Eine funktionierende Infrastruktur ist ein wichtiges Kriterium für einen schnellen Markthochlauf der Wasserstoffwirtschaft.

„Nach der Erprobung des Prototyps soll die Anlage im Laufe des Jahres 2025 auf 15 MW hochskaliert und in Serie hergestellt werden“, erläuterte Jens Cruse, der das Verfahren zum Patent angemeldet hat und für die industrielle Verwertung des Konzeptes zuständig ist. Das weitere Ziel des Verbundprojektes „ProH2Gen“ ist die Planung von Offshore-H2-Parks im Gigawatt-Bereich.

Wenn alles gut läuft, könnte mit der Installation des ersten 3-GW-Parks, der grünen Wasserstoff erzeugt, in der zweiten Hälfte des Jahres 2027 begonnen werden, so Cruse. „Dazu benötigen wir jedoch finanzstarke Partner, die diese zukunftsweisenden Innovationen begleiten möchten“, wirbt er um das Interesse von Investoren.

Dieser Text erschien zuerst im Tagesspiegel Background Energie und Klima.

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