Flüchtlinge als Druckmittel: „Besteigt die Schiffe“
Die Lage der syrischen Flüchtlinge im Libanon ist zur Hölle geworden, europäische Hilfsgelder erreichen sie oft nicht. Um Druck auszuüben, ermutigt die Hisbollah Syrer, nach Europa zu fliehen.
ARCHIV - 13.03.2021, Libanon, Arsal: Syrische Jungen spielen auf dem Dach einer Unterkunft im Flüchtlingslager Barra nordöstlich der libanesischen Hauptstadt Beirut. Syrien befindet sich seit 2011 im Bürgerkrieg, nachdem sich die Syrer inmitten einer Welle von Aufständen des Arabischen Frühlings gegen Präsident Assad erhoben. (zu dpa: "UN warnen vor Syrien-Geberkonferenz vor neuen Flüchtlingsbewegungen") Foto: Marwan Naamani/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
Zwangsabschiebung, Rassismus, Belästigung und Inhaftierung – diese Begriffe sind eng mit dem Schicksal von Flüchtlingen verbunden. In Europa tauchen sie oft im Wahlkampf auf. Doch für syrische Flüchtlinge in Nachbarländern Syriens wie der Türkei und dem Libanon gehören sie zum Alltag.
Im Libanon ist die Lage der Flüchtlinge in den letzten Monaten zur Hölle geworden. Die Regierung übt Druck aus, sie abzuschieben. Ihre grundlegenden Bedürfnisse werden ignoriert. Human Rights Watch berichtet, dass libanesische Beamte seit Jahren diskriminierende Praktiken anwenden, um Syrer zur Rückkehr in das unsichere Syrien zu zwingen.
Die Hisbollah-Miliz im Libanon ist ein Verbündeter des syrischen Präsidenten Assad. Sie betrachtet die Flüchtlinge als unerwünscht und hilft Assad, Personen zurückzuholen, die bei Protesten gegen ihn beteiligt waren. In einer Rede hat Hassan Nasrallah, der Anführer der Hisbollah, syrische Flüchtlinge ermutigt, nach Europa oder Zypern zu fliehen. „O vertriebene Syrer, wer auch immer nach Europa oder Zypern aufbrechen will, dieses Meer liegt vor euch, besteigt die Schiffe und geht zu ihnen“, sagte er.
Nasrallah will Europa zwingen, dem Libanon und Syrien mehr Hilfe zu leisten. Diese Taktik ähnelt den Methoden von Erdogan, Putin und Lukaschenko, die Flüchtlinge als Druckmittel gegen Europa einsetzen, um politische Ziele zu erreichen. Dabei suchen die Flüchtlinge lediglich ein Leben in Frieden und menschenwürdige Lebensbedingungen.
Was ich bis hierher gesagt habe, entbindet Europa nicht von seiner Verantwortung. Recherchen zeigen, dass europäische Hilfsgelder oft nicht den Flüchtlingen zugutekommen, sie machen deren Leben nicht besser. Diese Gelder dienen dazu, den Zustrom von Flüchtlingen nach Europa zu begrenzen.
Wie werden die Mittel verwendet?
Überwachen europäische Beamte, wie diese Mittel verwendet werden? Verhindern sie, dass Geld an Parteien fließt, die Menschenrechte verletzen? Sind die europäischen Steuerzahler damit einverstanden? Oder verfolgen sie nur die Nachrichten über diese Abkommen, ohne deren Auswirkungen auf die Flüchtlinge zu beachten?
Niemand verlässt freiwillig sein Land und sein Volk. Die meisten Flüchtlinge haben ihre Heimat wegen Kriegen, kriminellen Herrschern, Wirtschaftskrisen oder Klimaveränderungen verlassen. Sie leben jetzt in Lagern, die nicht vor Kälte und Hitze schützen.
Am Weltflüchtlingstag sollten wir ihre Situation überdenken. Sie sind nicht bloß Zahlen. Sie dürfen nicht zu Spielkarten in politischen Machtspielen werden. Sie sind Menschen mit Rechten, die in Religionen, Verfassungen und internationalen Gesetzen verankert sind.