Leander Haußmann zum 65. Geburtstag: Die DDR, das Land der besseren Geschichten
Geschichtenerzähler und Regisseur Leander Haußmann wird am 26. Juni 65 Jahre alt.
Mal sehen, ob es eine Debatte über die an Menschenverachtung grenzende Unbekümmertheit der DDR-Architektur in puncto Sicherheit gibt, wenn Leander Haußmanns neuer Film herauskommt. Wo die einen eine höhere Gesellschaftsordnung symbolisiert und schon knapp verwirklicht sehen, fragen sich die anderen mit dem Schauder der Entrüstung: Zählte ein Leben denn gar nichts im ruhmreichen Kampf für die Sache der Arbeiterklasse? Nein, es geht nicht um das Für und Wider des Asbests im Palast der Republik, sondern, viel sichtbarer, situativer und damit komödientauglicher, um den Fahrstuhl im Fernsehturm.
Als Junge war ich mir sicher, dass es für die West-Berliner eine tägliche Schmach war, die silberne Kugel des Fernsehturms am Horizont blitzen sehen zu müssen. Wahrscheinlich hatten die Funkturmpfeifen von drüben einfach Höhenangst. Diese meine niedere Gefühlsregung war jedenfalls genussreicher als der sehnsüchtige Blick von da oben in den Westen, der auf die Entfernung seine Vorzüge kaum ausspielen konnte.
Der Regisseur und Geschichtenerzähler Leander Haußmann wird am heutigen Mittwoch 65 Jahre alt. Er hat der Deutschen Presse-Agentur im Vorfeld dieses alle Jugendlichen seines Jahrgangs erschütternden Ereignisses Auskunft über sein neues Projekt gegeben. Er wolle eine Replik auf den Single-Location-Thriller „Abwärts“ von 1984 mit Götz George und Hannes Jaenicke drehen, natürlich „umgemünzt“ auf die DDR.
„Ursprünglich wollte ich den Film in der Gegenwart verorten, aber heutzutage stürzen Fahrstühle nicht mehr ab – in der DDR konnte aber alles passieren.“ Ob das stimmt? Egal, die Idee ist erst einmal toll, und wehe jetzt kommt irgendein Ingenieur oder Sicherheitsinspektor von früher und verdirbt uns Plot und Metapher. „Ich nutze die Unkenntnis der 70 Millionen Westdeutschen über das, was war, gerne aus, um meine Märchen über eine Staatsform und unsere damalige Lebensform zu erzählen, die weitgehend auf Desinteresse stößt.“
Vielleicht bringt diese Strategie ein bisschen bessere Laune in unsere fortwährende Ost-West-Ehekrise und das zunehmend verbitterte Gezänk? Andererseits kann man über wenig besser streiten als über Leander-Haußmann-Filme. Mal sehen, ob der Fernsehturm stehen bleibt. Und falls nicht – mal sehen, in welche Himmelsrichtung er kippt und was er da aufspießt. Gutes Gelingen, Leander Haußmann!
Leander-Haußmann-Retrospektive im Babylon Mitte: 26. Juni bis 3. Juli, Programm und Karten www.babylonberlin.eu