Ausländische Fußball-EM-Fans begeistert: „Berlin ist sehr günstig“
Joe C. (Links) und Fergus T. (Rechts) sind aus Edinburgh nach Deutschland gereist, um die EM in Berlin zu verfolgen.
Es ist das Sportevent des Jahres: Heute beginnt in Deutschland die Fußball-EM 2024. Auch in Berlin werden sechs Spiele ausgetragen. Für die Europameisterschaft werden in der Stadt 2,5 Millionen Besucher erwartet, dazu etwa 1,9 Millionen aus dem Ausland. Sie werden sich in den kommenden Wochen vor allem auf der Fanmeile vor dem Brandenburger Tor versammeln, das laut dem Hauptstadtportal Berlin für die Dauer der EM zum „größten Fußballtor der Welt“ werden soll.
Etwa 60.000 Besucher haben Platz auf den 24.000 Quadratmeter Kunstrasen, die auf der Straße des 17. Juni ausgerollt wurden. Außerdem ist vor dem Tor eine riesige Leinwand zu sehen, auf der in den kommenden Wochen verschiedene Fußballspiele live verfolgt werden können. Berlin erhofft sich von den vielen neuen Besuchern einen gewaltigen wirtschaftlichen Schub. Aber wie wirkt Berlin auf die Besucher? Und wie viel Geld geben sie aus?
In der Schlange vor der Fanmeile stehen zwei junge Männer. Die Schotten Joe C., 22 Jahre, und Fergus T., 21 Jahre, sind inklusive einer blau-weißen Schottlandflagge angereist. Sie wollen nur eine Nacht in Berlin bleiben, sagen sie. Dann geht es schon weiter nach München, wo am Freitagabend das erste EM-Spiel zwischen Deutschland und Schottland stattfindet. Insgesamt wollen die beiden fünfzehn Tage lang durch Deutschland reisen, nach München stehen noch Köln und Stuttgart auf ihrem Plan.
Vor der Fanmeile am Brandenburger Tor sind zur EM passende Flaggen zu sehen.
Der erste Eindruck von Berlin fällt nach eigener Aussage sehr positiv aus. „Berlin ist sehr günstig“, sagten sie. In Edinburgh, wo die beiden herkommen, seien Hotels besonders im Sommer deutlich teurer. Für ihr Berliner Hotel hätten sie beide für eine Nacht nur rund 80 Euro gezahlt, weil es durch ihren Arbeitgeber Vergünstigungen gab. Und dann trifft Fergus eine Aussage, die viele Berliner überraschen dürfte – besonders die, die schon einmal mit der U8 gefahren sind. „Es ist sauberer als Edinburgh“, sagt er.
Und noch eines begeistert die beiden Schotten: Die Bierpreise. Auch die seien deutlich erschwinglicher als in ihrer Heimatstadt. „Du kannst hier ein Bier bekommen für fünf Euro, in Edinburgh wären das sechs oder sieben Pfund“, sagt Joe. Sieben Pfund sind umgerechnet etwa 8,30 Euro. Eine gute Voraussetzung also, um viel Spaß zu haben. Joe ist sich zumindest sicher: „Es ist eine gute Zeit, um nach Berlin zu kommen.“
Auch Jamie und Daniel, beide zwanzig Jahre alt, sind in blau karierten Schottenröcken rund um das Brandenburger Tor unterwegs. Sie sind ebenfalls aus Edinburgh angereist. Ihr erster Eindruck von Berlin? „Sieht ziemlich wohlhabend aus“, sagen sie. Auch die Geschichte der Stadt interessierte sie. Besonders die Berliner Mauer, der sie einen Besuch abgestattet haben, obwohl sie auch nur einen Tag in Berlin sind.
Jamie und Daniel übernachten eine Nacht in Berlin, bevor es einen Tag später nach München weitergehen soll. Etwa 137 Euro haben sie für eine Nacht in einem Doppelzimmer in einem Hostel bezahlt. „Ich würde sagen, das ist ziemlich teuer für ein Hostel“, sagen die beiden. Aber weil wegen der EM so viele Menschen nach Berlin kommen wollen, zeigen sie volles Verständnis dafür. Wenigstens sei das Hostel schön.
Jamie und Daniel (beide 20 Jahre alt) waren im Schottenrock rund um das Brandenburger Tor unterwegs.
Für den gesamten Trip hätten sie für Hotelzimmer insgesamt jedoch weniger zahlen müssen, als sie zunächst befürchtet hatten. Ungefähr 1000 Pfund pro Person haben sie für ihre Unterbringung ausgeben, erzählen sie – damit seien sie voll zufrieden. Sie hätten aber auch schon vor einer Weile gebucht. Insgesamt wollen die beiden zwölf Tage in Deutschland bleiben. Umgerechnet haben sie pro Person also insgesamt rund 1.185 Euro und im Durchschnitt etwa 100 Euro pro Nacht ausgegeben.
Besucher wie Jamie und Daniel sollen Berlin viel Geld einbringen, doch zunächst kostet die Europameisterschaft die Stadt auch so einiges. Ursprünglich waren etwa 47 Millionen Euro eingeplant, um Sicherheitskosten, die Organisation der Fanmeile und Aus- und Umbaukosten am Olympiastadion zu stemmen. Im Oktober letzten Jahres berichtete dann jedoch der RBB, dass sich diese Kosten deutlich erhöht haben sollen – auf rund 80 Millionen Euro.
Das und mehr will Berlin aber wieder einnehmen. Die 2,5 Millionen Gäste, die für die EM erwartet werden und in der Hauptstadt übernachten, sollen die Wirtschaft kräftig ankurbeln, indem sie Hotels buchen, Sehenswürdigkeiten besuchen und einkaufen. Laut dem Portal Visit Berlin wird mit mindestens 90 Millionen Euro Gesamtwertschöpfung gerechnet – ein „enormer wirtschaftlicher Schub“. Dazu komme ein „unbezahlbarer Werbeeffekt“ für die Stadt. Die EM wird in 210 Länder weltweit übertragen.
Zu dem wirtschaftlichen Schub tragen auch die Übernachtungen der vielen EM-Gäste bei. Die müssen in Berlin aktuell etwas tiefer in die Taschen greifen als sonst, denn die EM lässt die Hotelpreise steigen. Der Anstieg im Gegensatz zu Nicht-EM-Zeiten beträgt etwa 100 Euro pro Nacht, wie ein Vergleich des Sportwetten-Unternehmens Betway Ende Mai zeigte. Demnach müssen EM-Gäste in Berlin im Durchschnitt mit Preisen von etwa 222 statt 122 Euro pro Nacht rechnen. Damit lag Berlin hinter Stuttgart und Dortmund, wo die Preise auf 234 beziehungsweise 254 Euro pro Nacht kletterten.
So viel mussten Lowie Deheegher und Esmée Vermeire aus Belgien in Berlin nicht ausgeben. Sie kommen aus Gent, der zweitgrößten Stadt des Landes, und sind bereits am Dienstag in Berlin angekommen. „Wir bleiben bis Samstag, also eine kleine Städtetour“, sagt Esmée. Sie haben sich für die Zeit eine Ferienwohnung in der Nähe des Stadtzentrums gemietet. „Wir haben für vier Nächte fast 500 Euro bezahlt“, berichtet Esmée. „Es ist teuer, aber die Wohnung ist dafür auch schön.“
Lowie Deheegher und Esmée Vermeire aus Belgien wollen fünf Tage in Berlin bleiben.
Auch Esmée und Lowie freuen sich in Berlin auf niedrigere Bierpreise. „Belgien ist wirklich teuer“, sagt Esmée. Ein kleines Bier würde dort schon mehr als drei Euro kosten, berichtet sie. Lowie und Esmée sind voller Hoffnung, dass man in Berlin für drei Euro mehr bekommt.
Ganz so günstig sind die Preise dann aber doch nicht, besonders auf der Fanmeile. An den meisten Ständen sind ein halber Liter Bier für sechs und 0,2 Liter Wein für sieben bis neun Euro zu haben. Cola, Fanta und Sprite kosten vier Euro für 0,3 Liter, für einen halben Liter sind es fünf. Die Preise an den Essensständen sind vergleichbar; eine Bratwurst (‚Halal‘ aus Geflügel-Rind) oder vegetarische Falafel kosten sechs Euro, eine Currywurst mit Pommes elf.
Unter den Besuchern der Fanmeile ist auch ein Paar aus Brasilien. In Berlin sei es „sehr nett“, berichten sie. Über die laute Musik, die im vorderen Bereich der Meile aus den Lautsprechern schallt, sind sie kaum zu hören. Wie viel sie für ihr Hotel bezahlt haben, wissen sie nicht mehr genau. Es sei zwar deutlich teurer als in Brasilien, aber immer noch angemessen gewesen. „Vorher waren wir in den Niederlanden, da war es teurer“, sagen sie.
In der Menge vor dem Brandenburger Tor ist auch ein Paar aus Deutschland. Carsten und Claudia kommen aus dem Niederrhein, es ist ihr erster Besuch in Berlin. Der erste Eindruck sei nicht so gut. Woran liegt das? „Es gibt schönere Städte“, sagt der 44 Jahre alte Carsten und lenkt dann ein, die Hauptstadt solle man schon mal gesehen haben, auch aus historischen Gründen. Der Eindruck von Claudia ist positiver: „Ich persönlich finde es eigentlich ganz spannend, dass die Stadt so lebt.“
Viele Besucher sind also zufrieden mit Berlin. Das dürfte ganz im Sinne von Innensenatorin Iris Spranger sein, die sagte, die EM solle „uns mal unbeschwertere Zeit einbringen, wo wir uns wieder freuen können mit unserer Nationalmannschaft“. Eine besondere Gelegenheit dazu haben die Berliner hoffentlich am 14. Juli: An diesem Tag findet das EM-Finale im Olympiastadion statt. Und das wird noch einmal ordentlich teuer. Zwischen 95 und 1000 Euro müssen Fußballfans für ein Ticket ausgeben.
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