Industrie: Kunden des Flugzeugbauers müssen wegen Lieferproblemen länger warten
ARCHIV - 01.10.2019, Hamburg: Ein Airbus-Techniker arbeitet in einem Rumpfsegment in der neuen Struk data-portal-copyright=
Airbus wird trotz prall gefüllter Auftragsbücher weniger Flugzeuge ausliefern als geplant. In der Branche machen einige dafür auch den Konzern selbst verantwortlich. Die Aktie fällt deutlich.
Die Nachricht am Montagabend hat viele Investoren offenbar kalt erwischt. Weil die Zulieferer nicht die benötigte Menge an Teilen produzieren können, wird Airbus in diesem Jahr statt 800 nur 770 Verkehrsflugzeuge bauen können. Hinzu kommen Abschreibungen in Höhe von 900 Millionen Euro in der Raumfahrtsparte.
Die Folge: Das Management musste die bisherige Prognose korrigieren. Der bereinigte Gewinn vor Steuern und Zinsen wird im laufenden Jahr eher bei 5,5 Milliarden Euro landen und nicht wie bisher vorhergesagt bei 6,5 bis 7 Milliarden Euro.
Die Reaktion an der Börse folgte prompt: Im vorbörslichen Handel brach die im Dax gelistete Airbus-Aktie am Dienstagmorgen um über acht Prozent ein. Im späteren Handel stieg das Minus bis zum Nachmittag auf rund zwölf Prozent.
Wenig begeistert dürften auch viele Airline-Manager sein. Sie warten wie zum Beispiel Lufthansa sehnsüchtig auf neues Fluggerät. Schon die erheblichen Fertigungs- und Qualitätsprobleme von Boeing machen der Branche schwer zu schaffen.
„Meine größte Sorge ist: Wie kommen wir mit einem Duopol klar, wenn einer der beiden Probleme hat zu liefern?“, sagte Lufthansa-Chef Carsten Spohr Anfang Juni bei einer internen Mitarbeiterversammlung in Seoul. Nun kommen schlechte Nachrichten von Airbus dazu.
Ende Mai hatte Airbus-Finanzchef Thomas Toepfer im Interview mit dem Handelsblatt das Ziel von 800 ausgelieferten Verkehrsflugzeugen noch bestätigt. Gleichzeitig warnte er, dass die Versorgung mit Teilen und Komponenten „unsere größte Herausforderung ist“.
Er sagte: „Nicht nur bei den Triebwerksherstellern, sondern auch bei vielen kleineren Zulieferern von Bauteilen bleibt der Anspannungsgrad hoch. Oder bei der Kabinenausstattung.“ Dazu kämen geopolitische Unsicherheiten.
Airbus verschiebt Ziele für A320
Offensichtlich haben sich die Engpässe bei wichtigen Lieferanten seitdem verschärft. So machte Airbus-Chef Guillaume Faury am Montagabend in Toulouse unter anderem wachsende Probleme bei den beiden Triebwerkslieferanten für das beliebte und häufig bestellte Kurz- und Mittelstrecken-Flugzeug Airbus A320neo dafür verantwortlich, dass die bisherige Prognose revidiert werden musste.
Deshalb wird auch ein anderes Ziel nach hinten verschoben: Airbus will die Zahl der pro Monat gebauten A320-Flugzeuge von aktuell etwa 50 auf 75 in die Höhe schrauben. Bisher sollte dieser Wert 2026 erreicht werden. Der Zeitplan war schon einmal wegen der Schwierigkeiten in der Lieferkette nach hinten geschoben worden. Nun hat die Airbus-Führung die neue Produktionsrate noch mal um ein Jahr auf 2027 nach hinten verlegt.
Schon länger zeichnet sich ab, dass die bisherigen Wachstumspläne der Airbus-Führung schwer zu erreichen sind. Die Wertschöpfungskette im Flugzeugbau ist komplex. Neben den beiden führenden Herstellern Boeing und Airbus gibt es wenige große Zulieferer. Die wiederum werden von vielen Hundert mittelständischen Firmen beliefert. Darunter gibt es weitere Sublieferanten.
Viele dieser Betriebe haben schwer zu kämpfen. „Insbesondere die kleineren Zulieferer kommen bei der Finanzierung des Wachstums an ihre Grenzen“, sagt Michael Santo von der H&Z Unternehmensberatung in München.
Das bestätigt eine Umfrage der Beratungsgesellschaft Roland Berger und des Bundesverbands der deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie (BDLI), die bei der Luftfahrtschau ILA vor wenigen Wochen in Berlin vorgestellt wurde. Mehr als 30 Prozent der am Flugzeugbau beteiligten Firmen gaben an, nicht auf den Produktionshochlauf etwa bei Airbus vorbereitet zu sein. Neben Personal und Material mangelt es auch an Geld.
Die Notwendigkeit der Transformation ist seit Jahren bekannt, wird aber auch durch Airbus nicht konsequent genug getrieben.
„Die Hersteller geben den Lieferanten keine festen Zusagen für langfristig planbare Abnahmemengen“, sagte Stephan Baur, Partner bei Roland Berger, damals dem Handelsblatt. Gleichzeitig dauere es bis zu 18 Monate, bis diese Firmen ihrerseits die erforderlichen Teile bekämen und fertigen könnten. Diese Zeit müssen die Unternehmen zwischenfinanzieren. Das wird aber immer schwieriger.
Airbus versucht Lieferanten zu unterstützen
„Wegen fehlender Planbarkeit haben die überwiegend mittelständischen Zulieferbetriebe Probleme, bei den Banken die Mittel für die notwendigen Investitionen für Produktionskapazitäten oder Personal zu bekommen“, sagte Baur.
Branchenexperten machen für das Dilemma zum Teil auch Airbus selbst verantwortlich. Die Situation insbesondere der deutschen Zulieferstruktur sei seit Jahren bekannt, sagt Santo von H&Z: „Die Kleinteiligkeit führt zu einer kaum steuerbaren Komplexität. Die Notwendigkeit der Transformation ist seit Jahren bekannt, wird aber auch durch Airbus nicht konsequent genug getrieben.“
Mittlerweile versucht Airbus, die eigenen Lieferanten zu unterstützen. So gibt es Überlegungen, zum Beispiel Rohstoffe einzukaufen und das Material dann zu pauschalen Preisen an die Betriebe weiterzugeben.