Türkische Gemeinde rechnet mit 50.000 Einbürgerungsanträgen pro Jahr
Ab Donnerstag gilt das neue Staatsbürgerschaftsrecht. Die türkische Gemeinde erwartet viele Anträge ihrer Mitglieder, um künftig beide Pässe zu haben – und sieht darin auch eine neue, bislang nicht ernst genommene Wählergruppe. Kurdische Verbände fürchten nun mehr Einfluss auf die deutsche Politik.
Mit der Reform Menschen können in Deutschland künftig schneller eingebürgert werden dpa/Fernando Gutierrez-Juarez
Der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Gökay Sofuoglu, rechnet nach dem Inkrafttreten des neuen Staatsbürgerschaftsrechts am Donnerstag mit einem starken Anstieg der Einbürgerungsanträge. „Die Leute haben inzwischen verinnerlicht, dass es eine doppelte Staatsbürgerschaft geben wird“, sagte er den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland (RND). „Und viele stellen jetzt so schnell wie möglich einen Antrag.“
Er rechne „mit 50.000 Anträgen pro Jahr“, fuhr Sofuoglu fort. „Das scheint mir realistisch.“ Die Bearbeitung werde jedoch dauern. In vielen Städten sei es schwierig, überhaupt einen Termin bei den Ausländerämtern zu bekommen.
Viele Antragsteller hätten im Hinterkopf, nach erfolgter Einbürgerung bereits im kommenden Jahr an der Bundestagswahl teilnehmen zu können, sagte Sofuoglu.
„Ich appelliere daher an die Parteien, sich klarzumachen, dass die Antragsteller potenzielle Wählerinnen und Wähler sind“, sagte er. „Wenn man die gewinnen will, dann muss man eine entsprechende Politik machen. Dazu gehört, in den Parteien mehr Partizipationsmöglichkeiten zu schaffen – und Rassismus ernsthaft zu bekämpfen.“
Kurdische Gemeinde sieht Reform kritisch
Kritik an dem Gesetz sieht allerdings der Vorsitzende der Kurdischen Gemeinde in Deutschland, Ali Ertan Toprak: „Ich halte das Gesetz in dieser Form für falsch“, sagte er dem RND. „Denn ich möchte nicht, dass Antisemiten, türkische Nationalisten und Islamisten den deutschen Pass bekommen. Wir haben schon genug Nazis in diesem Land.“
Toprak machte deutlich, dass er „ab der dritten Gastarbeitergeneration einen Schnitt gemacht“ hätte. Schließlich sollten sich die in Deutschland geborenen Kinder mit diesem Land identifizieren. „So, wie das Gesetz jetzt ist, gibt es aber irgendwann nur noch doppelte Staatsbürger“, so Toprak.
Nach dem neuen Staatsbürgerschaftsrecht, das am 27. Juni in Kraft tritt, können Zuwanderer schneller die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten. Einbürgerungen sind damit schon nach fünf statt bisher acht Jahren möglich, bei „besonderen Integrationsleistungen“ sogar nach drei Jahren. Mehrstaatigkeit wird generell zugelassen.