Argentinien – Protest gegen Javier Milei: „Ein Brathähnchen ist jetzt Luxus“

Tausende Argentinier demonstrierten zuletzt gegen die Sparvorhaben des ultraliberalen Präsidenten Javier Mielei. In Buenos Aires kam es zu Krawallen. Drei Menschen erzählen, warum sie auf die Straße gegangen sind.

argentinien – protest gegen javier milei: „ein brathähnchen ist jetzt luxus“

Argentinien – Protest gegen Javier Milei: „Ein Brathähnchen ist jetzt Luxus“

Für die Einwohner von Buenos Aires gehören Proteste zum Alltag. Demonstrierende versammeln sich für gewöhnlich vor dem Kongressgebäude oder sogar dem Präsidentenpalast. Es ist tief im Wesen der Argentinierinnen und Argentinier verankert, die Politiker an der Macht wissen zu lassen, dass sie dem Volk dienen – und nicht umgekehrt. Es ist Teil ihrer Identität.

Doch seit im vergangenen Dezember der Rechtspopulist Javier Milei an die Macht kam, haben die Dinge sich geändert, ging die Polizei zunehmend repressiv gegen Protestierende vor. Das zeigte sich auch bei den jüngsten Demonstrationen: Tausende Rentnerinnen, Arbeiter, Gewerkschafter und Lehrerinnen gingen am vergangenen Mittwoch auf die Straße, um gegen Mileis Reformpaket zu protestieren. Sie skandierten: »Unser Land steht nicht zum Verkauf.«

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Dabei kam es zu gewaltsamen Szenen. Vermummte schleuderten Steine und Brandsätze auf die Beamten. Die Sicherheitskräfte setzten Tränengas, Schlagstöcke und Gummigeschosse ein. Hunderte wurden verletzt und mussten medizinisch versorgt werden. 18 Menschen wurden verhaftet.

Hier erzählen drei, die dabei waren, warum sie protestierten – und wie sich ihr Leben verändert hat, seit Präsident Milei regiert.

Alejandro Lipcovich, 38, arbeitet in der Verwaltung eines öffentlichen Kinderkrankenhauses

»Die Regierung will die Menschen einschüchtern, weil sie genau weiß, dass diese Politik, die sie jetzt einführen wollen, einen extremen sozialen Schock auslösen wird. Aber davon dürfen wir uns nicht einschüchtern lassen. Ich bin Beamter und würde durch die Reformen jede Stabilität in meinem Job verlieren. Das Recht auf Kündigungsschutz wurde auch in diesem Land mühsam erstritten. Wir als Gesellschaft in Argentinien machen schon länger eine harte Zeit durch. Das Einkommen der arbeitenden Bevölkerung reicht nicht zum Leben. Unter Milei explodieren die Armut, die Arbeitslosigkeit und der Hunger. Nein, Argentinien wird nicht erblühen, so wie er verspricht. Ich habe Kinder. Meine Frau arbeitet als Lehrerin. Wir wohnen mit unserer Schwiegermutter, die ebenfalls arbeitet, zusammen. Und dennoch reicht das Geld nicht mehr aus für die Familie. Wir haben immer weniger Kaufkraft; das stresst. Wir können immer weniger machen. Früher war es normal, dass wir uns ein Brathähnchen leisten konnten, aber ein Brathähnchen ist heute schon Luxus. Das geht nur noch selten. Wenn mal ein T-Shirt kaputtgeht, dann ist es schon ein Problem – wie soll man es ersetzen? Wir wissen wirklich nicht mehr, wie wir bis zum Ende des Monats über die Runden kommen sollen. Wir leben also einfach schlechter, seit Milei mit seinen neoliberalen Ideen an der Macht ist.«

Die Senatoren im Nationalkongress nahmen das Reformpaket trotz aller Proteste am Mittwochabend mit knapper Mehrheit an. Es soll die öffentliche Verwaltung in vielen Bereichen beschneiden. Mehrere staatliche Unternehmen sollen privatisiert werden. Großinvestoren dürfen sich auf Steuererleichterungen freuen; außerdem ist eine Arbeitsmarktreform vorgesehen. Eine finale Abstimmung über das Vorhaben wird im Juli erwartet.

Argentinien steckt seit vielen Jahren in einer tiefen Wirtschaftskrise. Die Verbraucherpreise stiegen in den vergangenen zwölf Monaten um fast 290 Prozent. Die Inflationsrate war im ersten Monat von Mileis Präsidentschaft auf 25,5 Prozent angewachsen und ist seitdem gesunken. Im Mai lag sie bei nur noch 4,2 Prozent. Das liegt hauptsächlich an der Sparpolitik, die Nachfrage und Konsum begrenzt. Die Regierung strich bereits Tausende Stellen im öffentlichen Dienst, kürzte Subventionen und beendete Sozialprogramme, darunter eine Maßnahme von Mileis Vorgänger Alberto Fernández, welche die Preissteigerungen bei Grundnahrungsmitteln beschränkt hatte.

Nora Biaggio, 72, Professorin in Rente

»Gerade ich als ältere Frau wollte nicht zu Hause bleiben, sondern ein Zeichen setzen. Frauen im Rentenalter, die oft informell gearbeitet haben oder unbezahlt im Haushalt, trifft Mileis Reform besonders hart. Seit Beginn seiner Amtszeit leiden die Rentnerinnen und Rentner ohnehin sehr unter den drastischen Preissteigerungen. Das Geld reicht nicht aus für das, was man als älterer Mensch zum Leben benötigt. Wir mussten nicht nur unsere Lebensmittelauswahl einschränken, sondern auch wie viel wir essen. Und ja, ich kann mir auch die Medikamente nicht mehr leisten, die ich brauche. Ich musste aufhören, sie zu kaufen. Ich lebe jetzt in Angst davor, was noch kommen wird und kann einfach nicht mehr glücklich sein. Die Regierung hat uns das Minimum für ein gutes Leben genommen. Ich werde in einigen Jahren sterben, immerhin als Rentnerin. Aber ich weiß nicht, ob meine Kinder und Enkel arbeiten müssen, bis sie tot umfallen. Das klingt jetzt vielleicht morbide, aber so weit ist es gekommen.«

Der ultraliberale Milei will durch seinen radikalen Sparkurs die argentinische Wirtschaft wieder ankurbeln. Das Land leidet unter Produktivitätsproblemen sowie einem aufgeblähten Staatsapparat. Milei nennt sich selbst einen Anarchokapitalisten und ist der Überzeugung, dass der Staat sich heraushalten soll, vor allem aus der Wirtschaft.

Seine Politik hat schon jetzt extreme Auswirkungen auf die Bevölkerung: Die Armutsrate lag in Argentinien zuletzt bei rund 56 Prozent, laut Daten der Katholische Universität. 18 Prozent der Argentinierinnen und Argentinier leben inzwischen in extremer Armut.

Juan Manuel Jáuregui, 29, Student und Musiklehrer

»Mileis Kurs bedeutet einen Angriff auf die gesamte Gesellschaft. Seine Regierung hat allen den Krieg erklärt: Rentnern, Arbeitern und Studenten. Von seinem Gesetz profitieren nur sehr, sehr wenige, die das Land einfach ausbeuten wollen. Ich sehe wirklich keine rosige Zukunft mit einer Regierung, die die öffentliche Bildung beschneidet und Lehrer so bezahlt, dass sie ihre Miete nicht mehr zahlen können. Ich habe meinen Job als Musiklehrer verloren, seitdem Milei regiert. Das liegt einfach daran, dass es jetzt so viel mehr Angebote gibt. Denn jeder braucht zwei oder drei Jobs, um zu überleben. Ich musste aus meiner Wohnung ausziehen, die konnte ich mir nicht mehr leisten. Ich wohne jetzt wieder mit zwei Freunden zusammen. Nach der Wahl habe ich aufgehört, bestimmte Lebensmittel zu essen. Sonst könnte ich mir am Ende des Monats nicht mal mehr Reis kaufen. Diese Regierung hungert uns aus.«

Übersetzung und Redaktion: Nicola Abé

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