Solarenergie und Wind: So rasant läuft Europas Energiewende
Seit der vorigen Europawahl ist die Kapazität der EU für Wind- und Sonnenstrom um fast zwei Drittel gewachsen. Eine neue Studie zeigt, welche gewaltigen Mengen fossiler Energie dadurch ersetzt wurden.
Solarenergie und Wind: So rasant läuft Europas Energiewende
Der Ausbau von Wind- und Solarenergie in der EU ist seit der letzten Europawahl deutlich vorangekommen. Von 2019 bis 2023 hat sich die Wind- und Solarkapazität um 65 Prozent erhöht, wie ein am Montag veröffentlichter Bericht der Denkfabrik Ember zeigt. Deutschland trug im Vergleich unter den Mitgliedsländern am meisten zu dieser Entwicklung bei – jedenfalls in absoluten Zahlen. Die Wachstumsrate der zuvor schon stark ausgebauten deutschen Erneuerbaren war hingegen unterdurchschnittlich, während östliche EU-Staaten wie Lettland, Polen oder Ungarn ihre Kapazität vervielfachten.
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22 Prozent des Zuwachses der EU-Kapazität bei Wind- und Solarenergie gingen laut Ember auf Deutschland zurück, gefolgt von Spanien (13 Prozent). »Diese beiden Länder waren zwar führend, doch in der gesamten Region wurden große Fortschritte erzielt«, heißt es in dem Bericht. Mehr als die Hälfte der 27 EU-Mitgliedsländer habe ihre Wind- und Solarkapazitäten in dem Zeitraum mindestens verdoppelt.
Seit 2019 habe sich der EU-Energiesektor stark gewandelt, teilte die Denkfabrik mit. »Ehrgeizige, weltweit führende klimapolitische Maßnahmen in Verbindung mit gezielten Maßnahmen zur Abkehr von russischem Gas haben sich zu einer echten und nachhaltigen Dynamik verfestigt«, sagte Ember-Expertin Sarah Brown.
Die amtierende EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte 2019 den sogenannten Green Deal 2019 ins Leben gerufen. Damit will die EU bis 2050 klimaneutral werden. Die Strategie umfasst Maßnahmen in verschiedenen Bereichen wie Energie, Verkehr, Industrie und Landwirtschaft. Zumindest für den Stromsektor deutet die Ember-Studie auf eine Erfolgsbilanz hin.
Weniger abhängig von fossiler Energie
Die aus Wind- und Sonnenkraft erzeugte Strommenge wuchs mit 46 Prozent zwar langsamer als die Kapazität. Die so hinzugekommenen 226 Terawattstunden reichten jedoch aus, um ein Fünftel der vorigen Produktion aus fossilen Brennstoffen wie Kohle und Gas zu ersetzen. Da die Stromnachfrage schrumpfte, fiel auch der gleichzeitige Rückgang anderer erneuerbarer Quellen oder der Atomkraft kaum ins Gewicht. Insgesamt kamen die Erneuerbaren im vergangenen Jahr auf einen Anteil von 44 Prozent – mehr, als von den EU-Staaten für 2030 angepeilt.
Neben dem absichtlichen Umsteuern sorgte auch die Energiekrise infolge des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine 2022 für einen schnelleren Ausbau der erneuerbaren Energien. Die EU bemüht sich, unabhängiger von russischem Gas zu werden.
Besonders der Ausbau der Solarenergie sticht heraus. Von 2019 bis 2023 hat sich die Solarkapazität den Angaben nach mehr als verdoppelt, sodass sie im vergangenen Jahr 257 Gigawatt betrug. »Das entspricht der Installation von mehr als 230.000 Solarmodulen pro Tag in diesen vier Jahren«, heißt es. Die Windkapazität sei im gleichen Zeitraum um fast ein Drittel auf 219 Gigawatt gestiegen.
Diese Entwicklung lief zwar im Schatten des Solarbooms in China, dessen Industrie durch die günstige Massenproduktion neuer Module weltweit dominiert. Dennoch behalte die EU eine »globale Führungsrolle bei sauberer Energie«, heißt es bei Ember. Denn der EU-Strom bleibe deutlich sauberer als in China, den USA oder im weltweiten Durchschnitt. Auch sei der Anteil der Erneuerbaren hier schneller gewachsen.