Großbritannien: Skandal bei der britischen Post - Ex-Chefin bedauert Vorwürfe
Die britische Post bezichtigte Hunderte Angestellte zu Unrecht des Diebstahls. Nun beteuert die ehemalige Chefin ihr Bedauern. Es täte ihr sehr leid, was die Mitarbeiter und deren Familien durchgemacht hätten.
Großbritannien: Skandal bei der britischen Post - Ex-Chefin bedauert Vorwürfe
Nach einem Justizskandal bei der Post in Großbritannien hat die ehemalige Postchefin Paula Vennells Hunderten zu Unrecht beschuldigten Mitarbeitern ihr Bedauern ausgedrückt. Vennells erklärte bei einer Anhörung, ihr tue »alles« leid, was die Betreiber von Postfilialen, deren Familien und andere Betroffene im Zuge des Skandals durchgemacht hätten.
Der Vorfall war Anfang des Jahres durch die TV-Serie »Mr Bates vs The Post Office« einer breiten Öffentlichkeit bekannt geworden. Der Vierteiler des Senders ITV schilderte einen der größten Justizirrtümer in der Geschichte Großbritanniens: Zwischen 1999 und 2015 wurden mehr als 700 Betreiber kleiner Postfilialen strafrechtlich verfolgt, weil sie angeblich Geld unterschlagen hatten. In Wirklichkeit kamen die Fehlbeträge durch ein fehlerhaftes Computerprogramm zustande.
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Mitarbeiter verschuldeten sich, verloren ihre Häuser, kamen in Haft
Statt den zunehmenden Hinweisen auf die Softwareprobleme nachzugehen, machte die Chefetage der britischen Post seinerzeit ihre Mitarbeiter verantwortlich und verlangte von ihnen, die Fehlbeträge aus eigener Tasche auszugleichen. Viele verschuldeten sich deswegen, manche verloren ihre Häuser, Postbeamte kamen wegen Diebstahls in Haft. Andere bekannten sich vor Gericht schuldig, um dem Gefängnis zu entgehen. Mindestens vier Betroffene nahmen sich das Leben.
Die damalige Postchefin Paula Vennells brach während der Anhörung mehrmals in Tränen aus, etwa als sie auf einen Mitarbeiter angesprochen wurde, der im September 2013 Suizid beging, nachdem er fälschlicherweise beschuldigt worden war, Tausende Pfund aus seiner Filiale geklaut zu haben.
Nach Ausstrahlung der ITV-Serie zogen Vennells und weitere Führungskräfte heftige Kritik auf sich, weil sie auch nach Bekanntwerden der Softwareprobleme die Justizermittlungen gegen die Post-Mitarbeiter weiterlaufen ließen.
Im Dezember 2019 stellte der Londoner High Court dann grundsätzlich fest, dass Computerfehler und nicht Straftaten die Ursache für die Fehlbeträge in den Postfilialen waren. Seit September 2020 leitet der frühere Richter Wyn Williams eine öffentliche Untersuchung des Falls.
In der Anhörung am Mittwoch sagte Vennells, die von 2012 bis 2019 Chefin der Post war, ihr hätten damals nicht alle Informationen zur Verfügung gestanden. Heute sei ihr klar, dass sie zu »vertrauensselig« gewesen sei. Sie bedauere zutiefst, »dass Einzelpersonen, mich eingeschlossen, Fehler gemacht haben, Dinge nicht gesehen und nicht gehört haben«. Eine Verschwörung zur Vertuschung des Skandals habe es nicht gegeben, sagte Venells.