Zwei Jahre nach Rücktritt als Familienministerin: Plant Anne Spiegel ihr Comeback?
Seit ihrem Rücktritt hat sie geschwiegen, nun zeigt sich die frühere Familienministerin wieder bei Veranstaltungen der Grünen. In ihrer Partei sorgt das für Unruhe.
Seit ihrem Rücktritt hat sich Anne Spiegel aus der Öffentlichkeit zurückgezogen.
Berlin-Mitte vergangenen Montag. In einem Gebäude des Bundestags mit Blick auf die Spree wird bei Tomaten-Mozzarella-Spießchen, Mini-Wraps mit Thunfisch und Sekt Ex-Umweltminister Jürgen Trittin (Grüne) von seiner Partei verabschiedet. Es ist eine feierlich-lockere Atmosphäre. Die Kanzlerin a. D., Angela Merkel (CDU), hält eine launige Festrede, auch Vizekanzler Robert Habeck, Außenministerin Annalena Baerbock und Familienministerin Lisa Paus (alle Grüne) sind gekommen.
Und noch eine frühere Ministerin der Grünen ist überraschend anwesend: Anne Spiegel. Vier Montate war sie Familienministerin zu Beginn der Ampel-Koalition. Doch dann wurde öffentlich bekannt, dass sie in ihrer Zeit als rheinland-pfälzische Umweltministerin kurz nach der Ahrtal-Katastrophe wochenlang in den Urlaub gefahren war und – anders als dargestellt – nicht an allen Kabinettssitzungen teilgenommen hatte.
In einem bemerkenswerten Pressestatement entschuldigte sich die sichtlich mitgenommene Spiegel. Doch es half nichts. Die Grünen drängten die eigene Ministerin zum Rücktritt, den sie einen Tag später dann verkündete. Es war ein großer Knall, auf den lange Stille folgte. Seit mehr als zwei Jahren schweigt Anne Spiegel. Sie hatte sich komplett aus der Öffentlichkeit zurückgezogen. Bis vor wenigen Wochen. Seitdem spekulieren die Grünen über ein Comeback.
Beim Landesparteitag der Grünen in Rheinland-Pfalz in kleinen Örtchen Lahnstein hat sich Spiegel erstmals wieder öffentlich bei ihrer Partei gezeigt – zur Überraschung vieler anwesender Parteifreunde. Die Parteiführung sei vorab informiert gewesen, heißt es. Doch die Delegierten wissen von nichts. Zwar hält Spiegel keine Rede, sondern führt nur vertrauliche Gespräche mit anderen Grünen, doch in ihrer Partei gibt es dennoch Unmut über die frühere Familienministerin.
Kurz vor den Kommunalwahlen in Rheinland-Pfalz und den Europawahlen empfindet es mancher Grüner als unpassend, dass Spiegel ausgerechnet jetzt wieder die politische Bühne betritt. In den Tagen nach dem Landesparteitag ist die Lokalpresse voll mit Berichten über Spiegel. „Die unliebsame Wiedergängerin“, schreibt etwa die Rhein-Lahn-Zeitung und zitiert ungenannte Mitglieder, die von einem „Affront“ sprechen.
Will Spiegel in den Bundestag?
Doch was will Anne Spiegel? Eine Gesprächsanfrage lässt sie unbeantwortet. Hinter vorgehaltener Hand spekulieren allerdings zahlreiche Parteifreunde. Längst sind die Gerüchte von Rheinland-Pfalz bis nach Berlin geschwappt.
Parteifreunde sind sich sicher, dass Spiegel an ihrem Comeback arbeitet. Nach ihrem Rücktritt habe Spiegel Zeit für sich und ihre Familie gebraucht. Der Art und Weise des Abgangs habe sie schwer belastet. Sie habe sich vor allem um ihren Mann und die vier Kinder kümmern wollen, mit denen sie weiterhin in Berlin lebt.
Doch offenbar hält Spiegel nun die Zeit gekommen, um zurückzukehren. Sie liebäugle mit einer Kandidatur für die Bundestagswahl, heißt es immer wieder in ihrer Partei. Auf dem nächsten Landesparteitag stellen die rheinland-pfälzischen Grünen bereits ihre Liste auf.
Ein Bundestagsmandat eignet sich nicht zur Rehabilitation gescheiterter Ministerinnen.
Bei den Grünen wird ein Comeback von Anne Spiegel teils kritisch gesehen.
Angesichts der schwachen Umfragewerte und der Wahlrechtsreform dürfte es aber weniger Mandate für den kleinen Landesverband geben. Bislang vertreten fünf Grüne das Bundesland, nach der nächsten Wahl könnten es nur noch drei sein. Da sich bislang alle fünf amtierenden Abgeordneten eine weitere Kandidatur offenhalten, ist die Unruhe groß.
Ob Spiegel überhaupt eine Chance auf einen sicheren Listenplatz hätte, ist ungewiss. In ihrer Partei halten viele den Schritt zurück für verfrüht. Öffentlich sei der Rücktritt nie aufgearbeitet worden. Auch der Untersuchungsausschuss zur Flutkatastrophe im Ahrtal ist erst seit wenigen Tagen abgeschlossen, das Thema sei nach wie vor emotional in der Bevölkerung. Eine Comeback Spiegels könte den Grünen vor Ort Stimmen kosten.
„Ein Bundestagsmandat eignet sich nicht zur Rehabilitation gescheiterter Ministerinnen“, heißt es aus ihrer Partei.
Doch es gibt auch Grüne, die eine Bundestagskandidatur Spiegels nur als ihren Plan B sehen. Mit ihren öffentlichen Auftritten wolle sie die Partie unter Druck setzen, um ihr einen Job außerhalb der Politik zu vermitteln, heißt es. Dazu passt, dass sich Spiegel und Grünen-Chef Omid Nouripour zum Mittagessen getroffen haben sollen. In der Bundesgeschäftsstelle will man sich auf Anfrage jedoch nicht zu Anne Spiegel äußern.
Es gibt jedoch auch Unterstützer Spiegel, etwa ihren langjährigen Mentor Bernhard Braun. Der frühere Fraktionsvorsitzende der Grünen in Rheinland-Pfalz verteidigt Spiegel gegen die anonyme Kritik: „Es haben sich viele Leute gefreut, dass Anne ihre Partei wieder mal besucht hat“, sagt er dem Tagesspiegel. „Wir sollten uns hinterfragen, wie wir mit der einzigen Grünen, die wir jemals in den Parteirat und das Bundeskabinett gebracht haben, umgehen. Jeder hat eine zweite Chance verdient.“