Steuer statt Prävention? Profisportler sehen Zuckersteuer kritisch
Fußball-Einsatz zur Aufklärung über die Zuckerkrankheit: Der FC Diabetologie trat zum achten Mal gegen den FC Bundestag an.
Sommer ohne Eis? Unvorstellbar. An richtig heißen Tag bleibt es nicht immer bei einer Kugel. Die erfrischende Süßigkeit wird mit einem Schluck Cola heruntergespült und nach dem Abendessen folgt der Griff zum Schokoriegel. Der Gaumen freut sich, die Gesundheit leidet. Denn nur eine einzige Kugel Eis enthält in der Regel zwischen 15 und 30 Gramm Zucker. Fast die Hälfte der empfohlenen Maximalmenge.
Wer sich nun die Ohren zuhält und davon nichts wissen möchte, der sollte sich nicht wundern, wenn irgendwann folgende Diagnose gestellt wird – Diabetes Typ 2. Allein in Deutschland leben mehr als elf Millionen Diabetiker. Tendenz steigend. Könnte eine Zuckersteuer das Problem lösen? Bei einem außergewöhnlichen Fußballspiel wird diskutiert. Die Meinungen sind gespalten.
Trotz der Hitze ist die Stimmung im kleinen Stadion des Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportparks gut. „Wir sind alle hier, um Spaß zu haben“, sagt Christian Stuff und bereitet sich gemeinsam mit seinen Mannschaftskameraden auf das bevorstehende Spiel vor: FC Diabetologie gegen den FC Bundestag. Bereits zum achten Mal treffen die beiden Mannschaften aufeinander, um auf die Zuckerkrankheit aufmerksam zu machen.
„Seit vielen Jahren leisten ganz unterschiedliche Organisationen und Personen Aufklärungsarbeit und trotzdem steigen die Zahlen weiter“, so Stuff. Ist es an der Zeit, dass die Politik tätig wird und fruchtbare Maßnahmen ergreift, um die Ausbreitung der Krankheit einzudämmen?
Nach Einschätzung von Cem Özdemir (Grüne), Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft, geht die Politik das Problem bereits an und hat dabei vor allem Kinder und Jugendliche im Blick: Er will, dass „jedes Kind in Deutschland ein gesundes Essen aus regionalem Anbau“ erhält. Zusätzlich plädiert der Minister für eine Werbeeinschränkung und die Einführung einer Zuckersteuer.
Beide Maßnahmen sind umstritten, und so argumentierte Dr. Gero Hocke (FDP), dass die Steuer in Ländern wie Mexiko und Großbritannien zu keiner signifikanten Verbesserung geführt hat. „Wir setzten auf Ernährungsbildung und mehr Bewegung im Alltag, anstatt eine Zuckersteuer zu erheben“, so Hocke.
In Großbritannien zahlen Hersteller von Softdrinks bereits seit 2018 eine gestaffelte Steuer. Ab fünf Gramm Zucker pro 100 Milliliter werden 18 Pence (21 Cent) pro Liter fällig. Ab acht Gramm Zucker sind es 24 Pence (28 Cent) pro Liter. Zusätzlich setzten sich zahlreiche Organisationen, Ärzte und Wissenschaftler ein, warnen mit Plakataktionen vor den Folgen eines hohen Zuckerkonsums.
In die beiden Mannschaften kommt Bewegung. Nach zwei Minuten fällt das erste Tor, und der FC Diabetologie geht in Führung. Die Parlaments-Fußballmannschaft, die seit 50 Jahren ein fester Bestandteil des Deutschen Bundestags ist, tut sich schwer und wird schlussendlich nur ein Tor schießen. Profifußballerin Sandra Starke beweist auf dem Spielfeld, dass die Diabetesdiagnose nicht den Traum von einer Fußballkarriere zerstören muss. Starke leidet am erblich bedingten Diabetes, dem sogenannten Typ 1. „Nachdem ich richtig eingestellt wurde, habe ich mein Leben ganz normal weitergeführt und hatte nie das Gefühl, dass mich die Krankheit einschränkt.“
Die Spielerin von RB Leipzig ist jedoch skeptisch, dass die Zuckersteuer die langersehnte Lösung sein könnte. Zum einen sei es richtig, dass 90 Prozent aller Diabetiker erst im Laufe ihres Lebens mit Typ 2 diagnostiziert werden und die Erkrankung auf eine mangelhafte Ernährung zurückzuführen ist. „Wer eine Cola trinken will, der wird es weiterhin tun“, sagt Starke. Aufklärung und Präventionsmaßnahmen an Schulen und in Kindergärten hält sie für Erfolg versprechend.
Der Leiter des AOK-Bundesverbandes Oliver Huizinga und der stellvertretende Vorsitzender der IKK Kai Swoboda schließen sich an: „Wir müssen viel mehr gesundheitsförderliche Lebensverhältnisse und eine gesunde Ernährungsumgebung schaffen angesichts der sehr, sehr hohen derzeitigen Krankheitslast“, so Huizinga.
Dabei sei es wichtig, jedem Einzelnen entsprechende Präventionsangebote zu machen, um die Krankheit zu verhindern, sonst sei das Gesundheitssystem irgendwann nicht mehr finanzierbar. Eine finale Lösung wird nicht erarbeitet, ganz so schnell geht es dann doch nicht. Auf dem Sportplatz entscheidet sich hingegen schnell, wer in Führung geht und das Spiel gewinnt – der FC Diabetologie.