Einreisen aus Afghanistan: Auswärtiges Amt weist Visa-Vorwürfe zurück
Afghanische Flüchtlinge besteigen im Rahmen der Evakuierungsmaßnahmen „Operation Allies Refuge“ ein US-Militärflugzeug in Kabul. Archivbild.
Das Auswärtige Amt hat Vorwürfe zurückgewiesen, durch eine Vergabe von Visa trotz falscher Dokumente zahlreichen Menschen aus Afghanistan die Einreise nach Deutschland zu Unrecht ermöglicht zu haben. „Unsere Verfahren laufen nach Recht und Gesetz ab“, sagte ein Sprecher des Ministeriums am Freitag. Sicherheit habe höchste Priorität, man arbeite dabei eng abgestimmt mit dem Bundesinnenministerium und den Sicherheitsbehörden zusammen. Diese seien an jedem einzelnen Visumverfahren beteiligt. Er hob hervor, dass in allen Fällen, die jetzt bekannt geworden sind, die Identität der Personen geklärt war und der Anspruch auf Einreise bestanden habe.
ILLUSTRATION - 14.11.2022, Afghanistan, Kabul: Jusuf Saberi (Name aus Sicherheitsgründen geändert), aufgenommen in der afghanischen Hauptstadt. Um den ehemaligen Mitarbeiter deutscher Streitkräfte zu schützen wurde er unkenntlich aufgenommen. (zu dpa «Afghanische Ex-Ortskräfte: Gefangene im eigenen Land») Foto: Nabila Lalee/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
Die Vorwürfe waren erhoben worden, nachdem diese Woche bekannt geworden war, dass im Zusammenhang mit der Einreise von Afghanen nach Deutschland die Staatsanwaltschaften in Berlin und Cottbus Ermittlungen gegen einzelne Mitarbeiter des Ministeriums aufgenommen haben. Darüber hatte das Magazin „Focus“ berichtet, das Ministerium bestätigte die Ermittlungen. Schon seit vergangenem Jahr ist zudem bekannt, dass wegen einer weiteren Einreise eines Afghanen die Staatsanwaltschaft Berlin ermittelt.
Afghanische Ortskräfte, die auch für die Bundeswehr gearbeitet haben, zeigen dem Kanzlerkandidaten der SPD (durch Sicherheitsbeamte verdeckt), nach einer Wahlkampfveranstaltung im Bezirk Mitte ein Plakat mit der Bitte, ihren Sohn zu retten.
Pässe in Afghanistan legal, in Deutschland nicht
Bei den beiden aktuellen Fällen geht es konkret um die Einreise von knapp 20 Afghanen, die mit Charterflügen im Januar nach Deutschland gekommen sind. Diese hatten das Visumverfahren in der pakistanischen Hauptstadt Islamabad durchlaufen und waren nach Darstellung des Auswärtigen Amtes alle berechtigt, über das sogenannte Bundesaufnahmeprogramm ein Visum zu erhalten.
Jedoch waren bei den betreffenden Personen, darunter auch eine kleine Anzahl Kinder, die mitgeführten Einreisedokumente nicht korrekt: In den meisten Fällen wurden den Personen Visa in sogenannte Proxy-Pässe eingeklebt, die aber in Deutschland nicht anerkannt werden. Solche Pässe können in Afghanistan legal von einer zweiten Person in Abwesenheit des eigentlichen Antragsstellers beantragt werden – Deutschland akzeptiert das aber nicht.
Da die Pässe aber in Afghanistan legal sind, kann man sie von regulären afghanischen Pässen kaum unterscheiden. Wie der Sprecher des Auswärtigen Amtes hervorhob, ist das in mehreren Prüfschleifen bei der Visumvergabe in Islamabad nicht aufgefallen, auch nicht den von der Bundespolizei entsandten Dokumenten- und Visaberatern.
Da die Identität trotzdem nachgewiesen war, hätte diesen Personen für eine korrekte Einreise ein gesondertes Dokument ausgestellt werden müssen, das aber fehlte. Bei der Ankunft der Flieger in Deutschland fielen den Bundespolizisten die Proxy-Pässe offenbar aber auf. Das Auswärtige Amt teilte mit, man habe auf die bekannten Einzelfälle mit organisatorischen Maßnahmen reagiert. Die betroffenen Mitarbeiter sind nicht mehr in Islamabad tätig.
Nach der Machtergreifung der Taliban hatte die Bundesregierung beschlossen, über ein Schutzprogramm Personen aus Afghanistan nach Deutschland zu holen, die vor allem als Ortskräfte mit westlichen Staaten und Organisationen zusammengearbeitet haben. Seit Oktober 2022 sind bis heute 48.000 Aufnahmezusagen getätigt worden und 34.000 Personen eingereist.
Ende März 2023 musste das Programm für drei Monate gestoppt werden. Es gab Sicherheitsbedenken. Offenbar war mehrfach von Antragsstellern versucht worden, die Behörden zu täuschen. Die Verfahren an den Botschaften in Islamabad und Teheran waren in den drei Monaten ausgesetzt. Innen- und Außenministerium führten zusätzliche Sicherheitstests ein. Fachleute der deutschen Sicherheitsbehörden befragten von nun an mehrere Stunden lang intensiv die Bewerber für das Schutzprogramm in Islamabad. Erst bei positivem Ergebnis werden die Visa ausgestellt.