Abstimmung über Renaturierungsgesetz Letzte Chance für Europas Natur?

Die Isar bei Lenggries in Bayern

Die EU-Umweltminister wollen am Montag das Gesetz zur Wiederherstellung der Natur verabschieden. Überfällig für Moore, Flüsse und Wälder, sagen Umweltschützer. Der falsche Ansatz, sagen einige Politiker der EU.

Von Simon Plentinger, BR

Zwischen München und Freising sieht sie aus, wie ein Kanal - die Isar. Im 19. Jahrhundert wurde sie begradigt, die Uferbereiche mit Steinen befestigt. "Dadurch wurde der Fluss hier vom angrenzenden Auwald getrennt", erklärt Manfred Drobny vom Bund Naturschutz.

Kiesbänke verschwanden und damit auch der natürliche Lebensraum vieler Tier- und Pflanzenarten. Ein weiteres Problem, so der Naturschützer: "Der Fluss fließt dadurch schneller und gräbt sich immer tiefer ins Flussbett ein. Dadurch können Brückenpfeiler instabil werden. Und bei Hochwasser rauschen die Wassermassen viel schneller flussabwärts als es im ursprünglichen Zustand der Fall wäre. Das kann die Hochwasserspitzen weiter unten an den Flüssen verschärfen."

Großteil der Ökosysteme in schlechtem Zustand

Laut Europäische Umweltagentur (EEA) ist ein Großteil der Ökosysteme in Europa in einem schlechten Zustand: Wälder, die unter Trockenheit und Borkenkäfer leiden, aussterbende Wildbienenarten, Moore, die entwässert wurden, um auf ihnen Äcker anzulegen - oder eben begradigte Flussläufe. Diese Entwicklung soll das EU-Renaturierungsgesetz, offiziell "Gesetz zur Wiederherstellung der Natur" ("Nature Restoration Law") stoppen.

Bis 2030 sollen 20 Prozent der EU-Fläche im Meer und an Land so wieder hergestellt werden, dass sich die Natur erholen kann. Bis 2050 soll das überall dort geschehen, wo es notwendig ist.

Flüsse wieder natürlich gestalten

Wie das aussehen kann, erklärt Umweltschützer Drobny an einem Isar-Abschnitt weiter flussabwärts südlich von Moosburg. Früher zwängten Deiche die Isar in einem engen Korsett möglichst gerade durch die Agrarlandschaft. Dann wurde der Deich um rund 100 Meter weiter weg vom Fluss verlegt. Die steinerne Uferbefestigung wurde entfernt. So konnte sich der Fluss Stück für Stück sein Territorium zurückerobern. "Inzwischen ist die Isar hier drei Mal so breit, es sind bis zu vier Seitenarme entstanden", erklärt Drobny.

Bei Hochwasser hat der Fluss den Untergrund rund um die am Ufer stehenden Bäume weggespült. Mehrere Bäume sind dadurch umgefallen und mit ihrem Wurzelteller im Flussbett liegen geblieben. Dadurch entstehen unterschiedliche Fließgeschwindigkeiten und Schutzräume unter Wasser für junge Fische. Die neu entstandenen Kiesbänke sind Lebensraum für Insekten oder Vögel wie Gebirgsstelze oder Eisvogel. Am Ufer wachsen mehrere unterschiedliche Weidenarten.

Ackerflächen müssen für Renaturierung weichen

Doch nicht nur die Artenvielfalt hat gewonnen. Bei einem Hochwasser, wie gerade erst in Bayern, kann der Fluss die angrenzende Aue bis zum Deich neben der Staatsstraße überfluten. So ist eine natürliche Überlauffläche, ein sogenannter Retentionsraum, für das Wasser entstanden. "Das verlangsamt die Fließgeschwindigkeit und kann Hochwasserspitzen kappen", sagt Drobny. Natürlicher Hochwasserschutz also.

Wenn die Fläche zwischen Fluss und Deich nicht überflutet ist, weiden hier Schafe und Wasserbüffel. Der Acker, der hier einmal war, musste weichen. Und das ist häufig ein großes Hindernis für Renaturierungsmaßnahmen.

Politische Auseinandersetzung

Landwirte fürchten, zugunsten der Natur Flächen zu verlieren. Günther Felßner, Vize-Präsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV) und Bayerischer Bauernpräsident kritisiert deshalb das Renaturierungsgesetz der EU: "Rein mit Pauschalverboten und zusätzlichen Auflagen über die Köpfe der Betroffenen hinweg zu entscheiden, ist nicht in Ordnung. Es braucht die Mitnahme und Kooperation mit den Landwirten."

Besonders die EVP-Fraktion - der Zusammenschluss der christlich-demokratischen und konservativen Parteien in Europa - hatte sich gegen das Gesetz gestemmt. Im sogenannten Trilogverfahren zwischen EU-Parlament, Kommission und Mitgliedsstaaten hatte die Fraktion mehrere Abschwächungen in das Gesetz hinein verhandelt.

"Falscher Ansatz"

Trotzdem sagt die Parlamentarische Geschäftsführerin der CDU/CSU-Gruppe in der EVP-Fraktion, Christine Schneider: "Das Gesetz verfolgte von Beginn an den falschen Ansatz. Anstatt Anreize zu setzen, sollte durch immer mehr Auflagen und Flächenstilllegungen Naturschutz betrieben werden."

Die Grünen/EFA Fraktion im Europäischen Parlament argumentiert dagegen, dass das Gesetz explizit die wirtschaftliche Nutzung von renaturierten Flächen vorsehe, nur eben naturverträglicher. Jutta Paulus, Grünen-Abgeordnete im Europäischen Parlament, hat das Gesetz für ihre Fraktion mitverhandelt und sagt: "Nein, es geht hier nicht darum, dass überall Wildnis entsteht. Es geht darum, dass weniger intensiv gewirtschaftet wird, damit Rückzugsräume zum Beispiel für unsere wichtigen Bestäuber entstehen."

Dass der mühsam verhandelte Kompromiss jetzt wieder auf dem Spiel stehe, hält Paulus für ein "fatales Signal".

Andere landwirtschaftliche Nutzung nach Renaturierung

Trotzdem können Renaturierungsmaßnahmen bedeuten, dass sich die landwirtschaftliche Nutzung einer Fläche ändern muss. Wenn ein Moor wieder vernässt wird, also das Wasser wieder bis kurz unter die Oberfläche angestaut wird, können Landwirte dort nicht mehr wie vorher Ackerbau betreiben. Aber Flächen können als Weiden dienen oder es können beispielsweise Sumpfgräser angebaut werden, die sich zu Baustoffen weiterverarbeitet lassen.

Umweltverbände kritisieren Notbremse

Das EU-Renaturierungsgesetz sieht feste Quoten für die Wiedervernässung von Mooren vor. Außerdem müssen die Mitgliedsstaaten sicherstellen, dass sich der ökologische Zustand von renaturierten Flächen nicht mehr verschlechtert. Der Zustand der Natur soll anhand von Indikatoren wie Feldvogelbrutpaaren gemessen und überwacht werden.

Außerdem gehören zu dem Gesetz auch die Vorhaben, europaweit drei Milliarden neue Bäume zu pflanzen und mehr Grün in den Städten zu schaffen. Mehr als 200 Naturschutzverbände in Europa sind für das Gesetz. Aber sie kritisieren die vorgesehene Notbremse: Sollte Nahrungsmittelknappheit drohen, kann die EU-Kommission die Renaturierungsziele für landwirtschaftlich genutzte Ökosysteme für ein Jahr aussetzen.

Renaturierung notwendig für Klimaziele

Das Gesetz zur Wiederherstellung der Natur ist Teil des Green Deal, einem Maßnahmenpaket der EU-Kommission, um Europa bis 2050 klimaneutral zu machen. Die Renaturierungsmaßnahmen würden auch zum Klimaschutz beitragen. Die Wiedervernässung von Mooren würde zum Beispiel die CO2-Emissionen aus dem sich zersetzenden Torfkörper stoppen.

Die Renaturierung ist auch bei den EU-Klimazielen mit eingerechnet. Ohne die Maßnahmen für Natur würde es also auch schwierig, die notwendige Reduzierung von CO2-Emissionen zu schaffen. Laut der Biologieprofessorin Katrin Böhning-Gaese, Direktorin des Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrum, ist die Renaturierung von Ökosystemen auch essenziell für unsere Ernährungssicherung.

Sie bezieht sich damit zum Beispiel auf die Bestäuber-Populationen, die für den Anbau von Lebensmitteln gebraucht werden. "Das Thema Renaturierung ist damit keine Frage der Parteipolitik, es ist ein Menschheitsthema, das alle Parteien angeht", so die Biologin, die auch Mitglied der Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina ist.

Aus ihrer Sicht gehe es um die Frage, "ob einer der erfolgreichsten, wohlhabendsten Staatenverbünde der Welt es schafft, sich auf Politik zu einigen, die seine eigene Lebensgrundlage auch in Zukunft sichert."

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