Regisseur Jeff Nichols: „Die Hippie-Kultur begann viel früher als man denkt“

Kino

Regisseur Jeff Nichols: „Die Hippie-Kultur begann viel früher als man denkt“

regisseur jeff nichols: „die hippie-kultur begann viel früher als man denkt“

Jodie Comerin als Kathy und Austin Butler als Benny.

„The Bikeriders“: US-Regisseur Jeff Nichols hat das klassische Fotobuch von Danny Lyon verfilmt. Es ist ein bewegendes Zeitbild der motorisierten Subkultur der 60er und 70er.

Mr Nicholls, Ihr Film „The Bikeriders“ basiert auf einem legendären Fotobuch von Danny Lyon, das heute unter Interessierten zu den gesuchtesten Sammlerstücken zählt…

Sie haben ja ein Exemplar dabei, darf ich das anfassen? Oh mein Gott, das ist sogar der erste Druck der ersten Auflage, ich stecke es lieber sofort zurück in die Hülle.

Keine Sorge. Überhaupt scheint mir dieser ganze Sammler-Fetischismus das Gegenteil der Lebenseinstellung dieser Motorrad-Subkultur zu sein, die doch sehr bescheiden gelebt hat.

Da bin ich nicht sicher. Sehen Sie nur, welchen Aufwand sie mit ihrer Kleidung betrieben haben, die Liebe, die sie in jedes Detail steckten.

Zugleich zeigen Sie die Motorradfahrer – wir nannten sie „Motorradrocker“ in Deutschland – als fast unschuldig in ihrer Selbstgenügsamkeit.

Der Film zeigt einen Paradigmenwechsel von den 60er zu den 70er Jahren. Zu Beginn hatten sie nicht das Gefühl, in die Gesellschaft zu passen. Also wurden sie Outsider und formten keine formalisierte Gruppe. Es gab noch keine Regeln, und daher kommt der Eindruck von Unschuld. Denn brutale Typen waren sie ja schon. Dann begannen sie, es zu organisieren, Regeln aufzustellen. Wer später dazu kam, hatte eine ganz andere Einstellung. Das waren Leute, die Teil eines bestimmten Lebensstils sein wollten. Wer zuerst da war, wollte noch gar nichts Bestimmtes. Wir haben es mit zwei verschiedenen Typen von Bikeriders zu tun.

Ihr Film hat mich daran erinnert, was mir einmal ein Zeitgenosse dieser jugendlichen Aussteiger erzählte, der Regisseur James Herbert. Er meinte, die Hippie-Kultur begann bereits zehn Jahre vor 1968. Er erzählte, wie man sich in den 50er Jahren verabredete, ins Auto stieg, und sich erst einmal nackt auszog. Auf dem Motorrad ging das natürlich nicht, aber die Anfänge der Motorrad-Subkultur fallen damit zusammen.

Auf jeden Fall. Man muss sich aber auch klar machen: Diese Szene, die ich beschreibe, kommt aus dem Mittleren Westen. Dann stößt jemand aus Kalifornien dazu, und da ist man schon fünf Jahre weiter. Vielleicht hätte ich in meinem Film näher darauf eingehen sollen. An der Westküste sagte man schon „Biker“ und nicht mehr „Bikerider“.

Diesen Paradigmenwechsel macht Ihr Film schon sehr deutlich. Man hat das Gefühl, dass eine Ära der Pioniere zu Ende geht und durch eine andere, breitere Motorradkultur ersetzt wird. Danny Lyon schreibt in seinem Buch, plötzlich fuhren die Leute nicht mehr Harley Davidson, sondern billige Hondas. Und entsprechend mehr waren mit unterwegs.

Wie es immer mit Outsider-Kultur passiert. Weil sie so attraktiv ist, will jeder dazugehören, und es wird zum Mainstream. Wie später der Punk-Rock.

Noch nie ist meines Wissens ein berühmtes Fotobuch zu einem großen Spielfilm adaptiert worden. Es enthält ja auch viele Interviews, die sich zum Teil eins zu eins in den Dialogen wiederfinden. Das gilt besonders für die verstörende Szene, in der Kathy, eine Protagonistin im Buch und im Film, beinahe Opfer einer Vergewaltigung wird.

Diese Szene war unheimlich schwer zu inszenieren, und selbst meine Mit-Produzentin, Sarah Green, die schon legendäre Filme von Terence Malick produziert hat, traute sich nicht ran. Ich sagte, die Szene muss rein, denn wir müssen die schleichende Entwicklung zur Gewalttätigkeit in diesem Motorradclub an etwas festmachen.

Zur Person:

Jeff Nichols, geboren 1978, ist ein US-amerikanischer Drehbuchautor und Regisseur. Seinem Spielfilm-Debüt „Shotgun Stories“ (2007) folgten unter anderem „Take Shelter“ (2012), „Midnight Special“ und „Loving“ (beide 2016).

Lange bevor „Easy Rider“ die Freiheitsversprechen auf Harley-Davidson-Motorrädern beschwor, zogen Motorradclubs Aussteiger an. Nichols hat „The Bikeriders“ verfilmt, das berühmteste Fotobuch über diese Subkultur. Fotograf Danny Lyon wird im Film von Mike Faist verkörpert, Tom Hardy spielt Johnny, den charismatischen Anführer eines Motorradclubs.

Ist denn überhaupt die marginalisierte Rolle, die Frauen in dieser Motorradkultur zugestanden wurde, heute noch verständlich?

Sie wurden behandelt wie Besitz. Erst gestern hat mir Danny Lyon erzählt, wie er Kathy kennengelernt hat. Zum ersten Mal durfte er zu den Bikeriders in ihren Club, und sie saß in der Ecke und war so viel offener zu ihm als all diese Männer, vor denen er wohl auch etwas Angst hatte. Sie wirkte furchtlos und gab ihm die offensten Interviews.

Wie geht es Danny Lyon heute?

Er ist achtzig und immer noch ein kompromissloser Hippie, der, wenn es sein muss, jedem ins Gesicht springt. Meinen Film findet er gut, aber er ist ihm noch nicht schmutzig genug. Es geht ihm bestens.

Sie selbst sind in einer Methodistengemeinde aufgewachsen. War das auch wie eine Subkultur?

Mein Vater war gar nicht fromm und mein Leben war so lange normal, bis ich in der Schule an einen ultra-orthodoxen Priester geriet. Zugleich verliebte ich mich in eine sehr fromme Mitschülerin. Da habe ich mich angepasst, bis ich eines Tages aufgewacht bin und merkte, wie falsch mir das alles erschienen war. Plötzlich merkte ich, ich hatte das alles nur für andere praktiziert und will mich nie wieder so anpassen. Dieses Gefühl des Aufwachens hat mich bei „The Bikeriders“ inspiriert.

Die Fotografiegeschichte war schon bei Ihrem früheren Film „Loving“ von Einfluss. Das Schicksal dieses gemischten Paars in Zeiten der Rassentrennung war durch ein Foto des Fotografen Grey Villet im „Life“-Magazin um die Welt gegangen. Offensichtlich interessieren Sie sich für das Medium.

Ich liebe Fotografie, Joel Sternfeld, natürlich William Eggleston. Als ich „Loving“ drehte, lernte ich auch Danny Lyon kennen – und er hasste das „Life“-Magazin, sah sich als den Antipoden des Stils. Er fand alles in „Life“ falsch und inszeniert. Bei meiner Recherche für den Film sah ich die ganze Session der Villet-Fotos – und sah, wie er sie inszeniert hatte. „The Bikeriders“ ist etwas anderes.

Auch Diane Arbus hat viele ihrer berühmtesten Fotos inszeniert. Ist das so ein Tabu im Dokumentarischen? Und umgekehrt verwandeln Sie ja mit Ihrem Film das Dokumentarische in Fiktion.

Man muss die Romantik von dem akzeptieren, was man tut. Ich habe Danny Lyon gesagt, es wird nicht so sein, wie deine Erfahrung, denn ich mache eine Fiktionalisierung daraus, auch wenn ich die Fotos exakt nachstelle. Als Geschichtenerzähler habe ich mich entschlossen, die Interviews von Kathy von 1965, 1969 und 1973 zur Basis zu nehmen, sie aber durch den Kamerastil zu trennen. Zuerst nehme ich eine Handkamera und bewege sie mit Absicht, was der Ungezwungenheit entspricht; später ruht sie auf einem Stativ.

Ein Klischee des Biker-Films gehen Sie mit Distanz an: Man hört nicht ständig Rock’n’Roll zu den Szenen.

Ich habe mich für die B-Seiten entschieden, wir hören die Shangri-Las, aber nicht den Hit „Leader Of the Pack“ sondern „Out In the Streets“. Es musste alles vorkommen: Muddy Waters, aber in einer seltenen Aufnahme, Chicago Blues, Garage Rock, Bubblegum-Rock aus den fünfziger Jahren und ein Anti-Kriegs-Song von den Staple Singers. Aber ich habe die Musik etwas an die Seite gerückt.

regisseur jeff nichols: „die hippie-kultur begann viel früher als man denkt“

Jeff Nichols. Foto: Matteo Nardone

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