Linkspartei: Der Osten soll den Schaden begrenzen

Nach dem desaströsen Ergebnis der Europawahl steht die Linke vor einer existenziellen Krise. Selbst Bodo Ramelow ist geschwächt. Ist der Ostwahlkampf noch zu retten?

linkspartei: der osten soll den schaden begrenzen

Der Osten soll es richten: Nach dem 2,7-Prozent-Desaster bei der Europawahl rüstet sich die Linkspartei (oder das, was von ihr übrig ist) für einen Kampf, den auch viele Linke als "existenziell" beschreiben. Bei den Landtagswahlen im September gilt es nun zu retten, was noch zu retten ist – aber auch hier ist die Lage für die Linkspartei besorgniserregend: In Sachsen und Brandenburg ringt die einst so stolze Ostpartei mit der Fünfprozenthürde, in Thüringen könnte der bisher einzige linke Ministerpräsident Bodo Ramelow vom Bündnis Sahra Wagenknecht deklassiert und aus der Regierung gefegt werden.

Schon bei der Europawahl erreichte die Linkspartei überall im Osten nur rund 5 Prozent der Wählerstimmen, selbst in Thüringen, wo sie noch die Regierung anführt. Versagt die Linkspartei jetzt auch im Osten, wo sie stets ein stabiles Wählerreservoir hatte, dann kann sie auch bei der kommenden Bundestagswahl einpacken, das wissen sie auch bei den Linken.

Also muss jetzt mit Gregor Gysi ein wortgewandter Urlinker ran: "Gummistiefel statt Lackschuhe", so hat die Bundestagsgruppe der Linken ihre "Osttour" benannt, die am Freitag im sächsischen Hoyerswerda startete. Zwei Monate lang sollen der Abgeordnete Gysi und der Vorsitzende der Linkenabgeordneten im Bundestag, Sören Pellmann, zu Kundgebungen und Zuhörformaten in ostdeutsche Mittelstädten reisen. Die Linke gehe dahin, "wo es am nötigsten ist", wird Gregor Gysi laut einer vorab verbreiteten Mitteilung zitiert.

Eine Spitzenkandidatin, die lustlos wirkt

Wie kann es sein, fragen sie sich bei der Linken, dass der Kontakt mit den Menschen auch im Osten so dramatisch verlustig gegangen ist? Noch bei der Landtagswahl 2014 kam die Partei in Sachsen auf 21 Prozent, im benachbarten Thüringen kratzte Bodo Ramelow damals an den 30 Prozent und wurde der erste linke Ministerpräsident. In Brandenburg regierte die Linkspartei jahrelang mit der SPD.

Doch offenbar kann auch hier die aktuelle programmatische Aufstellung der Linkspartei nicht mehr überzeugen, wie jüngst die Kandidatur von Carola Rackete fürs Europaparlament zeigte. Dabei war Rackete von der ostdeutschen Abgeordneten Clara Bünger als Kandidatin vorgeschlagen worden. Die Nominierung der früheren Seenotretterin im Mittelmeer galt kurzzeitig als ein strategischer Coup, hoffte die Linksparteiführung doch mit dem bekannten Namen progressive Wählerinnen und Wähler zu erreichen, die sich von den Regierungsgrünen und der SPD in der Migrationspolitik, aber auch in Klimafragen – Racketes aktuelles politisches Profil – verraten fühlten.

Allerdings machte Rackete von Anfang an den Eindruck, mit ihrem politischen Amt als Spitzenkandidatin zu fremdeln: Sie lehnte es ab, Parteimitglied zu werden, erzählte Journalisten früh von ihren Zweifeln, im EU-Parlament überhaupt etwas bewegen zu können – und gab ZEIT ONLINE vor ihrem Nominierungsparteitag ein Interview, in dem sie der Linken nahelegte, sie müsse doch endlich mal ihre SED-Vergangenheit aufarbeiten und noch dazu sei der Name "Die Linke" vielleicht auch nicht mehr zeitgemäß. Bei den alteingesessenen Parteigenossen kam das nicht so gut an. In der wichtigsten Wahlkampfphase dann tauchte Rackete einfach ab.

Warum sollte man eine Partei wählen, deren Spitzenkandidatin offenbar auch keinen Bock hat? Dachten sich die Wählerinnen und Wähler offenbar und zogen weiter – zumal im progressiven Lager mit der Kleinstpartei Volt eine Alternative zur Verfügung stand: insgesamt 260.000 Stimmen verlor die Linke an die sonstigen Parteien und 380.000 ehemalige Linkenwähler blieben einfach zu Hause.

Der Wagenknecht-Faktor

Doch das Problem der Linkspartei geht natürlich tiefer als diese eine falsche Personalentscheidung. Dass die neue Konkurrenzpartei Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) im Osten zweistellig abgeschnitten hat und die Linke 470.000 Stimmen an das BSW verlor, ist vor allem eine herbe Niederlage für diejenigen in der Linksparteiführung, die bis zuletzt nicht daran glauben wollten, dass viele Wählerinnen und Wähler bei Themen wie Migration und Minderheitenrechte gesellschaftspolitisch konservativer tickten als man selbst.

Im seit Jahren schwelenden Grundkonflikt der Linkspartei – Wagenknecht- oder Lifestyle-Linke? – scheinen die Vertreter der progressiven Politik vorerst verloren zu haben. Vielleicht nicht unbedingt, weil eine progressive Migrations-, Klima- und Gesellschaftspolitik nicht mehr gefragt ist, sondern auch weil sie einfach kein Identifikationsthema gefunden haben. Die Leute wissen nicht so recht, was sie mit der Linken verbinden sollen und die sogenannten "Abgehängten" haben inzwischen auch andere politische Alternativen.

Sören Pellmann empfängt in seinem Bundestagsbüro. Der Linke aus Leipzig ist seit Beginn des Jahres Co-Chef seiner geschrumpften Bundestagsgruppe (für eine Fraktion ist die Linkspartei nach dem Ausscheiden von Wagenknecht und ihren Anhängern zu klein). Der 47-Jährige hat besondere Autorität dadurch erlangt, dass er einer der wenigen Linken ist, die bei der vergangenen Bundestagswahl ein Direktmandat in seinem Wahlkreis errungen hat – also eine Persönlichkeitswahl gegen Mitbewerber von Grünen und SPD gewann. Schon 2021 wäre die Linke fast aus dem Bundestag geflogen, 4,9 Prozent der Stimmen erreichte sie am Wahlabend, nur die sogenannte Grundmandatsklausel – drei Abgeordnete hatten ein Direktmandat geholt – sicherten der Linkspartei den Verbleib als Fraktion im Bundestag.

Zurück zu den Brot- und Butterthemen

Pellmann macht sich keine Illusionen. Die Europawahl nennt er eine "existenzbedrohende Niederlage", über den Parteivorstand, der diese zu verantworten hatte, will er gar nicht allzu viel sagen. Seit der Wahl sind die Parteichefs Martin Schirdewan und Janine Wissler abgetaucht. Das Wahlergebnis habe gezeigt, dass es der Linken "im Moment an einem klaren Markenkern" fehle, hatte Schirdewan am Tag nach der Wahl noch gesagt und einen "Neubegründungsprozess der Linken" angekündigt. Danach war von den beiden nichts mehr zu hören.

Vielleicht besser so, denken sich manche in der Linken – auch wegen der Ostwahlen hat man sich vorgenommen, Personaldiskussionen auf den Herbst zu verschieben. "Wichtig ist", sagt auch Pellmann, "dass wir jetzt den Spitzenkandidaten in den Ländern freie Hand in der Themenauswahl geben. Denn sie wissen am besten, was die Leute dort umtreibt." Für Sachsen sei das zum Beispiel die schlechter werdende Gesundheitsversorgung durch die Krankenhausreform von SPD-Gesundheitsminister Karl Lauterbach, aber auch die Altersarmut und die Lohnunterschiede zum Westen wegen der fehlenden Tarifbindung. Will auch heißen: Die Linke bespielt jetzt Brot und Butterthemen, keine Experimente mit Seenotretterinnen mehr.

Pellmann ist da ganz realistisch: "Der absehbare Zweikampf zwischen CDU und AfD um Platz eins schadet in der Regel den kleineren Parteien. Für uns muss es das oberste Ziel sein, den Verbleib im Landtag zu sichern." Tatsächlich richten sich im sächsischen Überlebenskampf alle Augen auf seine Heimatstadt Leipzig. Dort gibt es nämlich – dem Bundestrend zum Trotz – noch einige linke Hochburgen. So erreichte die Linkspartei im Stadtteil Connewitz bei der Europawahl 23 Prozent.

Connewitz liegt im Wahlkreis der Linken Landtagsabgeordneten Juliane Nagel, sie hat hier schon zweimal das Direktmandat gewonnen und kandidiert zum dritten Mal – mit guten Chancen. Sollte die Linkspartei in Leipzig noch in einem weiteren Wahlkreis ein Direktmandat erringen, zum Beispiel in Mitte, wo die Linkspartei bei der letzten Wahl nur knapp den Grünen unterlag, dann wäre die Partei über die Sächsische Grundmandatsklausel sicher im Landtag.

Leipzig soll also die Linke in Sachsen retten, in Brandenburg ist es ein 34-jähriger Sympathieträger namens Sebastian Walter. Walter ist Fraktionschef im Brandenburger Landtag, aber bisher vielen im Land noch kaum bekannt. Geht es nach den Potsdamer Wahlstrategen, soll sich das bald ändern. Thematisch orientiert sich die Linkspartei auch hier an klassischen Gerechtigkeitsthemen, so hat sie gerade ein Volksbegehren für ein kostenloses Mittagessen an den Brandenburger Grundschulen gestartet.

In Thüringen setzt man auf gute Laune

Und in Thüringen? Hier hofft Linksparteipolitiker Bodo Ramelow tatsächlich noch darauf, zum dritten Mal als Ministerpräsident bestätigt zu werden. Der Thüringer Wahlkampf soll allein auf Ramelow zugeschnitten werden, seine auch nach vielen Jahren weiterhin recht hohe Beliebtheit im Land. Allerdings sind da auch diese Umfragen: Die sehen Ramelow gleichauf mit der Newcomerpartei BSW auf Platz drei, hinter AfD und CDU.

Anruf bei Benjamin-Immanuel Hoff, als Staatskanzleichef ein enger Vertrauter von Bodo Ramelow und sein bester Spindoktor. Alles noch zu ändern, glaubt er. Aber wie? Nun, die Leute wüssten: "Wir sind die Thüringer Linke." Subtext: Mit denen da im Karl-Liebknecht-Haus in Berlin hatten wir noch nie viel zu tun und stimmen auch politisch nicht immer überein.

Hoffs Spin zu Ramelows Chancen, doch noch Überraschungssieger zu werden, lautet so: "Die Thüringer Landesregierung unter der Führung von Bodo Ramelow hat in den vergangenen Jahren unter schweren Bedingungen, zuletzt in einer Minderheitsregierung, erfolgreich gearbeitet. Wir haben eine gute Regierungsbilanz, auch in unsicheren Zeiten waren wir stets handlungsfähig." Ergo: Die Leute hätten sich schon gemerkt, dass das Land bei Ramelow in guten Händen gewesen sei. Herausheben, was gut ist, Probleme angehen, optimistisch nach vorn sehen, die Lust aufs Gestalten betonen – die Thüringer Kampagne soll gewissermaßen der Gegenentwurf werden zur tristen Lage der Linkspartei überall anders im Land.

Wer will die Linke noch sein?

Das Problem ist nur: Weil Katja Wolf, bisher linke Oberbürgermeisterin in Eisenach, zur Wagenknecht-Partei übergelaufen ist und für das BSW als Spitzenkandidatin antritt, hat Ramelow jetzt weibliche Konkurrenz aus den eigenen Reihen bekommen. Noch dazu eine, gegen die Linke schwer was vorbringen können. Ramelow hat mehrfach öffentlich betont, dass er Wolf schätze und ihren Wechsel traurig fand. Gerüchte, Wolf sei auch gewechselt, weil Ramelow sich hartnäckig geweigert habe, ihr einen Ministerposten zu geben, werden in Ramelows Partei als "Legende" zurückgewiesen.

So oder so, der Ministerpräsident muss nun gegen eine ehemalige Mitstreiterin wahlkämpfen. Ruhe bewahren, diese Devise haben er und seine Leute sich offensichtlich verordnet. Nah bei den Leuten sein, und dann mal abwarten, ob sich das BSW nicht doch noch zerlegt (erste Streitereien gibt es) und die CDU in der Frage ihres Umgangs mit dem BSW gleich mit. In der heißen Wahlkampfphase Mitte August will Ramelow also so viel durchs Land touren, wie es geht, und am liebsten mit jedem der 2,1 Millionen Thüringer eine Bratwurst essen oder einen Plausch halten. So der Plan. Ob das reicht, unklar.

Und wie es mit der Linken als Gesamtpartei weitergeht? Wird sich wohl auf dem Bundesparteitag im Oktober zeigen. Bewusst wollte die Parteiführung diesen nicht mehr vor den Ostwahlen abhalten, Negativschlagzeilen hat man aus Berlin heraus schließlich schon genug produziert. Zumal auch über den künftigen Kurs keine Einheit herrscht, während Sachsen auf Ostthemen setzt und Ramelow auf sich selbst, kursiert seit dem Wochenende ein Papier, das eine neue "Weststrategie" fordert. Wer will die Linke noch sein? Dazu bekommt man derzeit nur oberflächliche Antworten. Und die Frage, wer die glücklosen Parteichefs ablösen wird, ist ebenfalls völlig offen. So richtig reizen tut dieses Himmelfahrtskommando momentan offenbar niemanden.

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