Schulterklappen mit Davidstern – Militär-Rabbiner im Einsatz mit der Bundeswehr

Konstantin Pal ist der erste deutsche Militär-Rabbiner seit mehr als 100 Jahren, der mit der Bundeswehr unterwegs ist – wochenlang auf einem Schiff in der Ostsee. Auch wenn es unter den Soldaten nur wenige Juden gibt, ist er für sie ein gefragter Ansprechpartner.

schulterklappen mit davidstern – militär-rabbiner im einsatz mit der bundeswehr

Militär-Rabbiner Konstantin Pal vor dem Schiff der deutschen Marine in Tallinn BIRGIT PÜVE for DIE WELT

Am letzten Tag seines Einsatzes steht Konstantin Pal in Tallinn auf einem Marineschiff und schaut auf die Ostsee. Wellen klatschen gegen den Rumpf, während über den Hafen der estnischen Hauptstadt finstere Wolken ziehen. Pal kneift die Augen zusammen. „Ich werde das schon vermissen“, sagt er, „aber ich freue mich auch darauf, nach Hause zu meiner Familie zu kommen.“

Pal ist Rabbiner in der Bundeswehr. Sieben Wochen lang hat der 45-Jährige als Seelsorger auf der „Donau“ verbracht, einem Versorgungsschiff der Deutschen Marine, das in einem Nato-Geschwader die Minensuche in der Ostsee unterstützt. Er gewöhnte sich an den Wellengang, unterhielt sich mit Soldaten, half in der Kombüse beim Kartoffelschälen. Man könnte auch sagen: Pal hat Geschichte geschrieben. Mit ihm ging zum ersten Mal seit mehr als 100 Jahren ein deutscher Militär-Rabbiner in einen Einsatz. Zuletzt war das im Ersten Weltkrieg geschehen, als knapp 100.000 Juden in den deutschen Streitkräften kämpften.

schulterklappen mit davidstern – militär-rabbiner im einsatz mit der bundeswehr

„Die Leute wussten schon: Wenn sie Probleme haben, können sie zu mir kommen.“ BIRGIT PÜVE for DIE WELT

In seiner Uniform ist Pal – ein großer, breit gebauter Mann mit weicher Stimme – als Rabbiner zu erkennen. Auf den Schulterklappen glänzen Gesetzestafeln und ein Davidstern. An diesem grauen Frühlingssonntag bereitet er seine Abreise vor, morgen fliegt er zurück nach Deutschland. Er und seine Kollegen im Militär-Rabbinat arbeiten daran, dass etwas selbstverständlich wird, was vor Kurzem noch undenkbar erschien: Auch die Bundeswehr bietet Raum für die persönliche Begegnung mit dem Judentum.

Erst seit drei Jahren gibt es überhaupt Rabbiner in der Truppe. Zuvor konnten Soldaten nur zwischen katholischen und evangelischen Seelsorgern wählen. Um das zu ändern, schloss Ende 2019 die damalige Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) einen Staatsvertrag mit dem Zentralrat der Juden. Bis zu zehn Militär-Rabbiner sollen eingestellt werden, fünf Posten sind bislang besetzt. Die Ministerin sprach damals von einem „klaren Zeichen“ gegen Rechtsradikalismus und Antisemitismus.

Das Verteidigungsministerium geht von 300 Menschen jüdischen Glaubens in der Bundeswehr aus, es handelt sich allerdings nur um eine Schätzung. Die Rabbiner sind wie ihre christlichen Pendants Ansprechpartner für alle Soldaten. In den vergangenen Wochen, sagt Pal, habe sich keiner der rund 200 Soldaten im Geschwader als Jude zu erkennen gegeben. Selbstverständlich hat er dennoch viele Gespräche geführt. „Ich glaube, ich habe mit jedem hier an Bord mindestens ein paar Worte gewechselt, mit einigen mehr als mit anderen“, erzählt der liberale Rabbiner. „Die Leute wussten schon: Wenn sie Probleme haben, können sie zu mir kommen.“

Als Pal im Februar an Bord ging, löste er einen evangelischen Kollegen ab. Er habe gelernt, wie kompliziert die Seelsorge hier sein kann. Um zu zeigen, was er meint, führt er über das Schiff, steigt Treppen hinauf und hinunter, läuft über den Helikopterlandeplatz und zieht eine Tür auf, die zur Waschküche führt. Ein metallischer Geruch hängt in der Luft. In diesem Durchgang, sagt er, habe er meist seine Vertrauensgespräche geführt. Einigermaßen unbeobachtet und windgeschützt, aber alles andere als ideal.

Worüber die Soldaten mit ihm geredet haben, möchte Pal im Detail nicht erzählen. Ein Problem sei die Entfernung zur Heimat, zur Familie. Manchem falle der Einsatz schwer, weil etwa zu Hause gerade ihr Kind geboren wurde. Ein Kamerad berichtete, die Bundeswehr habe ihn drei Beziehungen gekostet. Ein weiteres Thema seien Reibereien. Auf einem Schiff könne man sich nicht aus dem Weg gehen, betont Pal. Es gebe kaum Privatsphäre, nur einen Vorhang vor der Koje, den man nachts zuziehen könne.

Häufig auf Lage in Nahost angesprochen

Das Rabbinat der Bundeswehr untersteht einem Militärbundesrabbiner, Zsolt Balla, der seinen Sitz in Berlin hat. Dazu kommen Außenstellen in Hamburg, Köln, Leipzig, München und Schwielowsee. Wie ihre christlichen Kollegen sind die Rabbiner Zivilisten. Sie arbeiten nicht nur als Seelsorger, sondern fahren auch in Kasernen und halten dort Seminare. Mal geht es um Minderheiten, mal um die Weltreligionen. Viele Soldaten begegnen dabei das erste Mal bewusst einem Juden.

Natürlich hat ein Militär-Rabbiner in dem Land, das für den Holocaust verantwortlich ist, etwas Symbolisches. Überhaupt ist sein Amt weit vom Normalbetrieb entfernt. Seit dem Massaker der Hamas am 7. Oktober vergangenen Jahres werden Pal und seine Kollegen häufig auf die Lage im Nahen Osten angesprochen. In der Bundeswehr, so sein Eindruck, gebe es „eine große Solidarität mit Israel“.

Pal wurde in Moskau geboren, als Zehnjähriger zog er mit seinen Eltern nach Berlin. Später machte er in Potsdam einen Magister in Jüdischen Studien. Er lernte zwei amerikanische Rabbiner kennen, die von ihrer Zeit als Seelsorger in der US-Armee erzählten. Beide hätten von ihrer Arbeit geschwärmt, vor allem davon, wie bedeutend der Job gewesen sei.

Kein Imam für muslimische Soldaten

Im Jahr 2004, mit 25 Jahren, absolvierte er ein Praktikum bei einem katholischen Bundeswehrpfarrer. Zwei Wochen verbrachte er auf einer Fregatte und lernte, wie wichtig es für die Soldaten ist, einen vertraulichen Ansprechpartner zu haben. Danach habe er gewusst: Wenn sich eines Tages für ihn die Möglichkeit eröffnen sollte, als Rabbiner in der Bundeswehr zu arbeiten, würde er dies tun.

Wie oft in Deutschland lässt sich die Gegenwart auch mit der Vergangenheit erklären. Im Ersten Weltkrieg wurden jüdische Soldaten von etwa 30 Feldrabbinern betreut. Danach warf die Heeresleitung den Juden in der „Dolchstoßlegende“ vor, zusammen mit anderen Kräften schuld an der Niederlage zu sein. Kaum 15 Jahre später ergriffen die Nationalsozialisten die Macht. Dass es jetzt wieder Militär-Rabbiner gibt, während die rund 3000 muslimischen Bundeswehrsoldaten keinen Imam haben, kann auch als Antwort auf diese Vergangenheit verstanden werden. Und als Reaktion auf die Gegenwart, in der Antisemitismus noch immer ein Problem ist.

Laut Bundeswehr gab es in der Truppe 216 rechtsextreme, rassistische und antisemitische Verdachtsfälle im Jahr 2022. Demnach ging die Zahl zuletzt zurück. Gleichwohl ist für eine Armee, deren Soldaten geschworen haben, die freiheitlich-demokratische Grundordnung zu verteidigen, jeder Fall einer zu viel. Im Militär-Rabbinat redet man ungern über dieses Thema. Die Bekämpfung von Antisemitismus, heißt es dort, sei nicht die Aufgabe der Rabbiner. Konstantin Pal sagt jedenfalls, er selbst sei bisher in der Bundeswehr nicht angefeindet worden: „Ich glaube, die Leute sind sich der Konsequenzen bewusst, wenn sie mir gegenüber antisemitisch auftreten würden.“

Künftig sollen Rabbiner die Streitkräfte regelmäßig im Einsatz begleiten. Durch seine Zeit auf der „Donau“ hat Pal mehr Erfahrung als seine Kollegen, er soll sie künftig darauf vorbereiten. Wie genau, das müsse er noch ausarbeiten. „Wir sind neu in der Militärseelsorge“, sagt er. „Wir müssen unseren Weg finden. Das ist ,Trial and Error‘. Am besten wenig Error.“

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