Mit dieser neuen Koalition rückt Südafrika in Reichweite für den Westen
Der wiedergewählte Präsident Ramaphosa bildet mit einer liberalen Partei die erste Koalition in Südafrika seit dem Ende der Apartheid. Es ist ein Bündnis der Gegensätze, das sein Verhältnis zum Westen neu ausrichten muss – mit Folgen auch für die deutsche Außenpolitik.
Als Präsident wiedergewählt: Cyril Ramaphosa WIKUS DE WET/AFP
Mit der ersten Sitzung des neuen Parlaments begann an diesem Freitag in Südafrika eine neue Ära. Erstmals in der seit 30 Jahren andauernden demokratischen Geschichte des Landes bestimmt am Kap nicht mehr der „African National Congress“ (ANC) allein die Geschicke, sondern er muss eine Koalition bilden. Ein lange unvorstellbares Szenario. Besonders für den ANC.
Für feierliche Anlässe wie die Vereidigung der neuen Parlamentarier steht eigentlich das alte Parlamentsgebäude in Kapstadt parat, fraglos eines der schönsten der Welt. Doch dort ist vor mehr als zwei Jahren das Dach abgebrannt. Und trotz eines 100-Millionen-Euro-Budgets ist das Ende der Reparaturarbeiten nicht in Sicht. Das liegt auch an Missmanagement. Das Gebäude ist zu einem Symbol von ANC-induziertem Staatsversagen geworden.
Cyril Ramaphosa (2.v.r.) und weitere Abgeordnete werden vereidigt Per-Anders Pettersson/Getty Images
Entsprechend kamen die Parlamentarier in einem eher schnöden Kongresszentrum zusammen, um den neuen Präsidenten zu wählen. Er heißt weiter Cyril Ramaphosa, gewählt von 283 Abgeordneten. Für ihn stimmten am Freitag neben den Abgeordneten seiner eigenen Partei, dem ANC, auch die des neuen Koalitionspartners. Und das ist, neben mehreren kleineren Parteien, der bisherige schärfste Gegner des ANC im Parlament, die „Democratic Alliance“ (DA).
Die früheren Kontrahenten unterzeichneten eine Vereinbarung, in der – wenn auch teils vage – neben Leitlinien für die Regierungspolitik und dem nationalen Haushalt die Zusammensetzung des nationalen Kabinetts sowie die der Provinzregierungen in Gauteng und KwaZulu-Natal geregelt wird. Der DA-Vorsitzende John Steenhuisen versicherte, seine Partei werde „im Geiste der Einheit und Zusammenarbeit mitregieren“.
Bis zuletzt wurde offenbar um Details gerungen, die Unterzeichnung erfolgte erst, als die Parlamentssitzung bereits begonnen hatte. Niemand hatte die in den vorherigen Legislaturperioden die Verfehlungen der Regierung so ausdauernd kritisiert wie die DA. Sie stellte den ANC als kleptokratische und inkompetente Vereinigung dar, die auch noch mit Eigentumsrechten und damit den Grundpfeilern der Wirtschaft zündele.
Die Regierungspartei wiederum porträtierte die DA als rassistische Kolonialorganisation, weil sie (auch) von großen Teilen der weißen Minderheit gewählt wird. Da der ANC bei den Wahlen seine absolute Mehrheit verloren hatte, verbündeten sich die beiden gegensätzlichen Parteien nun gezwungenermaßen. Nicht nur auf nationaler Ebene, sondern auch in der Provinz KwaZulu-Natal wird sich zeigen, ob und wie die ehemaligen Gegner miteinander auskommen.
Bei den Abstimmungen in den Provinzen schnitt die erst vor sechs Monaten gegründete ANC-Splitterpartei „uMkhonto Wesizwe“ (MK) des korrupten Ex-Präsidenten Jacob Zuma überraschend gut ab. In KwaZulu-Natal kam sie aus dem Stand auf 45 Prozent. Doch ANC und DA versperren mit zwei weiteren Parteien der MK und Zuma den Weg an die Macht. In der Provinz liegt in Durban der wichtigste Hafen des Landes.
Abgeordneten der EFF bei der Vereidigung Nic Bothma/REUTERS
Ideologisch steht die Alternative zur DA, die linksradikalen „Economic Freedom Fighters“ (EFF), dem zwar ANC näher. Doch Kooperationen auf Lokalebene waren in der Vergangenheit desaströs, die EFF-Forderungen selbst für den ANC zu radikal.
Und auch die Märkte gaben klare Signale, Aktienkurse und Währung sackten bei jedem Gerücht in diese Richtung ab. Selbst die Ratingagentur „Fitch Ratings“ warnte, was die EFF als westliche Einmischung brandmarkte. Die Empörung ist durchaus nachvollziehbar, bei Koalitionsbildungen in Europa halten sich derartige Unternehmen auch mit Ratschlägen zurück.
Ramaphosa als Marionette weißen Kapitals beschimpft
Doch die sozialistisch anmutenden EFF-Forderungen, darunter umfassende Verstaatlichungen und Enteignungen, hätten prinzipiell richtige Reformen zunichtegemacht, die Ramaphosa zuletzt nach langem Zaudern eingeleitet hatte. Nur wenige im Land wissen das besser als der Präsident selbst, der während einer Unternehmer-Karriere zum Multimillionär geworden ist.
Ramaphosa, 71, einst schon im Verhandlungsteam zum Ende des Apartheid-Systems ein gewiefter Diplomat, ging raffiniert vor. Im Rahmen einer „Regierung der Nationalen Einheit“ lud er gleich alle „verfassungsachtenden“ Parteien in die Regierung ein. Das schloss die anti-konstitutionell eingestellte MK von Beginn an aus.
Und er kalkulierte, dass die ausschließlich auf Identitätspolitik aufgebaute EFF ablehnen musste. Eine Zusammenarbeit mit der DA kommt für die Partei nicht infrage. Der überlistete EFF-Chef Julius Malema wütete denn auch, die Einladung zu einer Einheitsregierung sei nicht mehr als „eine Nebelkerze“ gewesen. Ramaphosa beschimpfte er als Marionette weißen Kapitals.
Welche Ministerien sich die DA hat zusichern lassen, ist noch offen. Ramaphosa wird am Mittwoch als Präsident vereidigt. Und dann muss sich zeigen, wie belastbar eine Koalition sein kann, die vorwiegend von gemeinsamen politischen Feindbildern zusammengehalten wird. Zumal die traditionellen ANC-Partnerorganisationen, die Kommunistische Partei und die Gewerkschaften, ihre Wut nicht verhehlen.
Der Kontrast an Südafrikas Spitze ist nicht nur wirtschaftspolitisch enorm, er könnte sich auch außenpolitisch offenbaren. Der ANC ist bedingungsloser Verfechter des BRICS-Bündnisses der Länder Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika, die DA ist prowestlich ausgerichtet. Der ANC zerrt Israel vor den Internationalen Gerichtshof. Die DA hält sich mit Verlautbarungen zum Gaza-Krieg zurück, hat aber traditionell gute Beziehungen zu Israel. Der ANC vermeidet Kritik an Autokraten in Afrika. Die DA nicht.
Spätestens in drei Jahren wird es interessant. Dann muss Ramaphosa nach zwei Amtszeiten als ANC-Vorsitzender abgelöst werden. Ein DA-kompatibler Nachfolger ist nicht in Sicht. Aber das ist nach südafrikanischem Maßstab ferne Zukunftsmusik. Erst einmal kann die Nation ein wenig aufatmen.