Tren Maya: Mit Mexikos hastig gebautem High-Speed-Zug durch Yucatáns Naturschutzgebiet
Ein Teilabschnitt der Bahn ist fertig. Das Projekt nahm den Weg, den viele Infrastrukturprojekte dieser Größenordnung nehmen: Die Kosten explodieren, Umweltschützer gehen auf die Barrikaden.
Es ist ein Riesenprojekt, das Mexikos Präsident Andrés Manuel López Obrador auf der Halbinsel Yucatán verfolgt. Der Linkspopulist hat sich seit seinem Amtsantritt Ende 2018 den Kampf gegen Armut, Gewalt und Korruption auf seine Fahne geschrieben. Tren Maya zählt zu seinen Leuchtturmvorhaben. Amlo, wie ihn die Mexikaner nennen, kommt selbst aus der Gegend. Dazu kommt, dass Tourismus neben der industriellen Lohnfertigung für den US-Markt einer der wichtigen Wirtschaftszweige im Land ist. Wären da nicht die vielen Nebengeräusche: Die Sache ließe sich auch gut verkaufen.
Durch den Dschungel
Eine neue Touristenbahn mitten durch den Dschungel, über 1500 Kilometer in fünf Bundesstaaten von Chiapas bis zur Grenze nach Belize: Der Maya-Zug soll Touristen, Entwicklung und Jobs in Ecken des Landes bringen, die auf Wohlstand hoffen. "Der Tren Maya ist gut für das ganze Land", wirbt López Obrador gern. "In Jalisco wurden Teile für die Eisenkonstruktion hergestellt. Der Zement kommt aus Nuevo Leon. Die Waggons werden in Hidalgo produziert."
Auch europäische Unternehmen sind an Bord, eine Tochterfirma der Deutschen Bahn stand beratend zur Seite. Rund 100 österreichische Betriebe sind mit rund 1,6 Milliarden Euro in der zweitgrößten Volkswirtschaft Lateinamerikas (nach Brasilien) investiert und beschäftigen rund 11.000 Leute. Infrastrukturgroßprojekte wie Tren Maya böten weitere Chancen, ist die Außenwirtschaftsstelle der Wirtschaftskammer überzeugt. Die Fertigstellung des 80 Kilometer langen Teilabschnitts zwischen Mexiko-Stadt und Toluca ist noch vor den Wahlen im Juni geplant.
Vor fast vier Jahren wurde mit dem Bau begonnen. Die Kosten sind auf rund 28 Milliarden Dollar explodiert, dreimal so hoch wie budgetiert, eine Menge Wald wurde dafür gerodet. Umweltschützer und indigene Gemeinschaften gehen auf die Barrikaden, beherbergt doch die Region jede Menge Biosphärenreservate und Weltkulturerbestätten.
Dschungel, zerklüftete Landschaft, Wasserhöhlen, die für die alten Maya heilig waren – die Herausforderungen sind auch bautechnisch enorm, sagt Gerald Hanisch. Der Linzer Unternehmer liefert mit seiner Firma Rubble Master bei Infrastrukturprojekten dieser Größenordnung Brech- und Siebanlagen. Maschinen, die Gestein zerschlagen, von groß zu klein, von klein zu winzig. So, dass dann Beton oder Asphalt daraus entstehen kann. Bei Tunnelbauten wie dem Koralmtunnel kommen sie zum Einsatz, beim Abbruch der Bergstation am Schneeberg, am Ground Zero in Manhattan in New York. Gefertigt werden die Brechmaschinen in Linz, die Siebanlagen in Irland. Die Elektrik, die es auf der Baustelle braucht, hat man an Bord, neue Modelle können aber auch ans Netz gehen. Auf der Großbaustelle in Mexiko seien mitunter 30 Maschinen von Rubble Master im Einsatz – jede davon im Wert von 700.000 bis 800.000 Euro.
Millionen von Tonnen an Gestein würden bewegt, sagt Hanisch. Eine Niederlassung hat Rubble Master in Lateinamerika – anders als etwa in Nordamerika – nicht. Das Geschäft läuft über Distributoren, die man in Vertrieb, Logistik und Teilehaltung unterstützt. Viele dieser Projekte seien risikoreiche Unterfangen, wie der HTL-Absolvent Hanisch einräumt. Es kam in der Vergangenheit nicht einmal vor, dass die Maschinen bereitgestanden seien und dann trotzdem nicht gebaut worden ist.
Das Vorgängerprojekt war ein neuer Flughafen für Mexiko-Stadt. Drei Milliarden wurden bereits "verbaut". Amlo ließ den Bau von einer Stunde auf die andere stoppen. In diesem Fall habe man Glück gehabt, sagt Hanisch: Die Baufirmen hatten die Maschinen gekauft. Im Grunde genommen könne "ziemlich alles schiefgehen", sagt der Unternehmer. Vom Planungsproblem über Versiegen der Geldströme bis zu Streiks oder Schwierigkeiten mit dem Gestein, all das könne ein Bauvorhaben gefährden. In Mexiko ist zuletzt alles gut gelaufen.
An Schwierigkeiten hat sich Hanisch mittlerweile ohnehin gewöhnt. Vor 32 Jahren ist der heute 64-Jährige ins Geschäft eingestiegen. Damals eine Nische. Vor Volkswagen habe sich keiner ein Auto leisten können, nach VW konnten sich viele ein Auto kaufen. Das wollte er auf Maschinen übertragen: einfach zu bedienen, leistbar, gut transportier- und wartbar. "Dann haben wir zu erfinden angefangen. Es war beides zu bilden: der Markt und die Maschinen." Heute ist er in 110 Ländern tätig. Der Markt ist mit der zunehmenden Kreislaufwirtschaft gewachsen, die Konkurrenz auch.
2023 wurden 237 Millionen Euro Umsatz mit 360 Mitarbeitern (230 in Österreich) erwirtschaftet, 270 hatte man geplant. Inflation, höhere Zinsen, Krieg, Corona, Lieferkettenprobleme, Markteinbruch in Deutschland: Die externen Faktoren zu kalkulieren, sei schwieriger denn je, sagt der Unternehmer. Zum Beispiel wurde nach den Lieferkettenproblemen in Lager investiert, die für die Wachstumsraten zu groß dimensioniert gewesen seien. "Dass externe Faktoren die Geschäfte so beeinflussen, das hätte man sich früher gar nicht vorstellen können", so Hanisch.
Das betrifft auch das Thema Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. Administration, Rechnungswesen, Einkauf, Produktion, Techniker – Leute im Großraum Steyr, Wels, Linz zu finden, sei gar nicht leicht. "Von alleine kommen die Leute nicht." Entsprechend habe man in Aus- und Weiterbildung, Frauenförderung etc. investiert. Hochausgebildete werden überall nachgefragt. "Aber auch im niederqualifizierten Bereich ist es gar nicht mehr so leicht, Leute zu finden." Komplett fertig soll die Tren-Maya-Bahn in zwei Jahren sein. Wenn die Pläne halten. (Regina Bruckner, 17.5.2024)