Nancy Faeser plant Abschiebungen wegen Hasspostings -„Gefällt mir“ soll reichen
Bundesinnenministerin Nancy Faeser beim EM-Spiel Deutschland – Schweiz in Frankfurt am Main zwischen Mike Josef (SPD), Oberbürgermeister von Frankfurt am Main, und Bundeskanzler Olaf Scholz
In Deutschland leben rund 240.000 ausreisepflichtige Ausländer. Größtenteils handelt es sich dabei um abgelehnte, aber dennoch geduldete Asylbewerber aus Ländern wie dem Irak, Syrien oder Afghanistan. Bislang galt ihre Abschiebung als rechtlich unmöglich, selbst wenn sie wegen schwerer Straftaten verurteilt wurden, weil ihnen in ihren Heimatländern Verfolgung drohen könnte.
Doch seit dem Mord eines afghanischen Islamisten an dem Mannheimer Polizisten Rouven Laur Anfang des Monats soll jetzt plötzlich alles ganz schnell gehen. So scheint Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) nicht nur dem Druck der Landes-Innenminister nachzugeben, wonach Abschiebungen nach Afghanistan und Syrien wieder möglich sein sollen. Sie will noch einen Schritt weiter gehen.
Die SPD-Politikerin kündigt außerdem ein Projekt an, das bei manchem Juristen für Stirnrunzeln sorgen dürfte: Wer eine einzelne terroristische Straftat auf sozialen Medien billigt, soll demnach sofort abgeschoben werden können, auch ohne vorherige strafrechtliche Verurteilung. Das Kabinett hat hierzu einen Regelungsvorschlag des Bundesinnenministeriums für Verschärfungen im Ausweisungsrecht am Mittwoch beschlossen. Gegenüber den Zeitungen der Funke-Mediengruppe äußerte Faeser die markige Kampfansage: „Islamistische Hetzer, die geistig in der Steinzeit leben, haben in unserem Land nichts zu suchen.“ Wer keinen deutschen Pass habe und terroristische Straftaten verherrliche, müsse, wenn möglich, „ausgewiesen und abgeschoben werden“.
Doch wie genau sollen jetzt Abschiebungen nur aufgrund von Hasspostings möglich werden? In einer offiziellen Formulierungshilfe für einen Änderungsantrag der Ampel-Fraktionen, die das Bundesinnenministerium inzwischen auf seiner Webseite veröffentlicht hat, werden die einzelnen Änderungsvorschläge erläutert. Darin ist etwa zu lesen, unter die Verbreitung eines strafrechtlich relevanten Inhalts könne nunmehr schon „das Markieren eines Beitrags durch ‚Gefällt mir‘ auf den sozialen Medien wie YouTube, Instagram, TikTok etc. fallen“. Ob ein „Gefällt mir“ tatsächlich als Verbreitung eines Inhalts gilt, ist unter Juristen umstritten. Es gilt auch als fraglich, ob Ausländerbehörden überhaupt die Kapazität haben, soziale Medien nach solchen Aktivitäten zu durchforsten.
Ein weiterer Änderungsvorschlag lautet: Bereits die Billigung einer einzelnen Straftat soll schnelle Konsequenzen nach sich ziehen. Bislang war das anders. Jemand musste sich wiederholt terrorverherrlichend geäußert haben, um abgeschoben werden zu können – bisher konnte „das Billigen oder das Werben für eine einzelne terroristische Straftat (...) kein besonders schweres Ausweisungsinteresse begründen“, wie es im Dokument heißt. Die bisherige Regelung werde aber angesichts der veränderten Bedrohungslage „nicht mehr der Wirklichkeit gerecht“, so die Begründung. Durch die Reichweite sozialer Medien könne heute schon derjenige zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufrufen, der „nur eine einzelne Terrortat eines Einzeltäters billigt“.
Und dabei will Faeser nicht stehen bleiben. Sie will auch „eine neue Fallgruppe für ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse“ im Aufenthaltsgesetz einführen, wenn der Straftatbestand der Belohnung und Billigung von Straftaten nach Paragraf 140 Strafgesetzbuch verwirklicht ist. Derzeit wird dieser Paragraf im Aufenthaltsgesetz nicht aufgeführt. Er bestraft die Billigung von Straftaten mit einer Geldstrafe oder einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren, sofern diese geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören.
„Bislang war eine ähnliche Regelung für den Bereich der Schleusungskriminalität und der Betäubungsmittelkriminalität vorgesehen“, heißt es im Dokument. Sie soll nun auch auf die Belohnung und Billigung von terroristischen Straftaten ausgeweitet werden. Ähnlich wie bei schweren Straftaten nach dem Betäubungsmittelgesetz müsste dann eine strafrechtliche Verurteilung „nicht erfolgen“, heißt es. Möchte Faeser Menschen, die einen mutmaßlich terrorverherrlichenden Beitrag mit einem „Gefällt mir“ markiert haben, mit Tatverdächtigen gleichsetzen, die Schleusungs- und Drogenkriminalität billigen?
Zumindest in der Berliner SPD sorgen diese geplanten Änderungen für Unmut. Ein hochrangiger Politiker spricht gegenüber der Berliner Zeitung von einer „gefährlichen Debatte, bei der Bürgerrechte infrage gestellt“ würden. Und kritisiert die Ministerin dafür, dass sie die vielen unbescholtenen Menschen ohne deutschen Pass in Misskredit bringe. Auch die rechtspolitische Sprecherin der Linken im Bundestag, Clara Bünger, konstatiert eine „besorgniserregende Entwicklung“. Sie verwies gegenüber der Deutschen Presse-Agentur darauf, dass es sonst nur in autoritären Staaten üblich sei, wegen eines „Gefällt mir“ in den sozialen Medien verfolgt zu werden.
Dabei musste Faeser schon einmal eine Niederlage einstecken, als sie einen Vorstoß im Ausländerrecht angekündigt hatte. So wies sie ihr Ministerium im August an, zu prüfen, ob Clanmitglieder auch ohne vorher begangene Straftaten abgeschoben werden können. Laut einem Bericht der Süddeutschen Zeitung hatte die Ministerin damit einen Vorschlag der Länder aufgegriffen. Die juristische Prüfung ergab aber, dass eine solche pauschale Regelung nicht verhältnismäßig sei.
So wurde der Vorstoß dafür kritisiert, dass Menschen, die zufällig in Clanstrukturen hineingeboren wurden, mit Terrorunterstützern gleichgesetzt würden: Faeser dachte offenbar, es sei möglich, eine ähnliche Regel aus dem Ausländerrecht anzuwenden, in der es um Terrorismusbekämpfung geht. Demnach kann ein Ausländer etwa dann ausgewiesen werden, wenn er einem Moscheeverein angehört, der Geld an eine terroristische gespendet habt – selbst dann, wenn er sich als Einzelperson nicht strafbar gemacht hat. Die bloße Angehörigkeit zum Verein reicht demnach aus. Doch bei Clanstrukturen ist das anders. Es kann nur abgeschoben werden, wer sich individuell strafbar gemacht hat.
Möchte die Bundesinnenministerin hier nur den Rechtsrahmen ausreizen, um Abschiebungen zu erleichtern – zumal sie sich ohnehin den Kampf gegen „Hasskriminalität“ auf die Fahnen geschrieben hat? Oder ist sie in einer Dauerschleife der Ersatzhandlungen gefangen, in der sie – anstatt die Migrationskrise grundsätzlich anzugehen – von vornherein rechtlich aussichtslose Reformen ankündigt? Angesichts einer Formulierungshilfe, in der rechtlich höchst umstrittene Neuregelungen vorgegeben werden, scheint vielen im politischen Berlin dieser Verdacht nicht mehr allzu abwegig zu klingen.