Die Martsenkos zurück in Kiew: So denken sie über ihre Flucht nach Sachsen

Zwei Jahre hat Viktorija Martsenko mit ihren Kindern in Dresden gelebt und sächsische.de hat sie begleitet. Jetzt sind sie zurück in der Ukraine. So geht es ihnen.

die martsenkos zurück in kiew: so denken sie über ihre flucht nach sachsen

Ein Selfie aus der Heimat: Viktorija Martsenko und die beiden Kinder Jan und Diana sind wieder in der Ukraine bei Papa Roman. © privat

Viktorija Martsenko strahlt beim Videocall in die Kamera ihres Laptops, sie wirkt entspannt wie lange nicht, die Sonne scheint durchs Fenster ihres Hauses in einem Kiewer Vorort. Sie ist allein zuhause, ihr Mann hat als Rechtsanwalt wieder Arbeit in einem großen Unternehmen, die Kinder sind bei den Großeltern auf der Datscha. „Alle haben sich riesig gefreut, dass wir wieder da sind“, sagt die 41-Jährige.

„Mein Mann, die Eltern, die Freunde – es sind deutlich mehr geworden, weil mein Mann in seiner Einsamkeit neue Bekanntschaften geschlossen hat, die ich noch gar nicht kannte. Und ich bin sehr erleichtert, die Entscheidung zur Rückkehr getroffen zu haben. Ich habe mich sofort wieder zu Hause gefühlt. In Dresden hatte ich dieses Gefühl verloren und schon geglaubt, dass ich es nie wieder erleben werde.“

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Der letzte SZ-Artikel über Familie Martsenko Ende März war noch überschrieben mit „Der schwere Abschied“. Martsenko hatte sich monatelang mit der Entscheidung gequält, ob sie mit den Kindern im sicheren Dresden bleiben oder zur Familie ins unsichere Kiew zurückkehren soll.

Kaputtes Auto verzögert Heimreise

Letztlich siegte einerseits ihre Hoffnung auf ein erträgliches Leben daheim und andererseits ihre Sorge um den Bestand der Familie. Der Abschied aus Dresden wurde in letzter Minute noch um Wochen verzögert, weil das Auto, das sie nach Kiew bringen sollte, kaputt ging. Die Rückfahrt verlief dann problemlos.

Inzwischen ist der Alltag eingekehrt. „Es ist, als wären wir nie weg gewesen“, meint Viktorija Martsenko. Sie geht weiter ihrer Arbeit bei einer Nichtregierungsorganisation für Aids-Hilfe nach, die sie auch von Dresden aus weitergeführt hatte. Sie arbeitet weitgehend von daheim, genießt ihr Haus, dass die Familie erst wenige Wochen vor Kriegsbeginn bezogen hatte.

Ihr Sohn Jan hat schon seit Ende Mai Ferien. Obwohl der Neunjährige erst kurz vor Schuljahresende in seine alte Klasse zurückkehrte, war er gleich mittendrin. Alle wollten mit dem aufgeschlossenen Jungen befreundet sein. Fast alle Fächer schloss er mit „ausgezeichnet“ ab, nur in Informatik (3. Klasse!) gab es ein „gut“.

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Jan Martsenko kickte in Dresden für den Nachwuchs von Bühlau. © Matthias Rietschel

Es hatte sich ausgezahlt, dass er nicht nur in Dresden in die Schule ging, sondern per Video auch Privatunterricht in Kiew nahm. Das Urteil der Klassenlehrerin: „Ein kluger, fleißiger Junge“. Die Eltern waren happy und versprachen ihm dafür, dass er in den Ferien mal so viel Fußball spielen kann, wie er will. Außerdem durfte er Anfang Juni mit der Mama ein Fußball-Camp besuchen.

Schwester Diana (5) geht wieder in die Kita. In den ersten Wochen wollte sie nicht und weinte. Aber jetzt ist sie voll dabei, weil sie großen Spaß daran hat am Singen, Tanzen, Gedichte aufsagen und Feste feiern – in Kiew wird sehr darauf geachtet, die Kinder abzulenken vom Krieg und gleichzeitig ihre Stärken zu fördern.

Deutlich mehr als in Dresden, glaubt Viktorija Martsenko. Und sie staunt, wie gut Diana auf einmal Ukrainisch spricht, dass ihr in Dresden kaum über die Lippen kam. Da stand wohl das Deutsch-Lernen im Vordergrund.

Und der Krieg? Wie viel bekommen die Kinder davon mit?

Zum Glück waren die vergangenen Wochen relativ ruhig. Zwar gibt es mehrmals am Tag Luftalarm, berichtet Viktorija Martsenko, aber er dauert nur noch 20 bis 30 Minuten, nicht mehr mehrere Stunden. Offenbar gibt es den kurzen Alarm immer dann, wenn in Russland Militärmaschinen aufsteigen. Dann werden auch die Kinder in die Luftschutzkeller gebracht. Aber Bombeneinschläge gab es in Kiew in den vergangenen Wochen nicht. Ganz anders als etwa in den Großstädten Charkiw und Odessa.

Viktorija Martsenko nimmt in Kiew nicht nur normales Leben wahr, sondern auch die Unterschiede zu Friedenszeiten. So sind die Geschäfte zwar voller Waren, aber die Preise haben sich mehr als verdoppelt, während die Löhne und Renten gleich geblieben sind. Vor allem die hohen Strompreise schmerzen.

Sie sieht weniger Männer auf der Straße und wenn, dann tragen viele Uniform. In den Dörfern hat sie kaum noch Männer ausgemacht, nur Frauen und Kinder. In ihrem Bekanntenkreis sind in den vergangenen Wochen mehrere Männer zur Armee eingezogen worden. Von freiwillig kann schon lange keine Rede mehr sein.

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Zinaida und Volodymyr Martsenko, die Eltern von Viktorija, waren auch zwischenzeitlich in Dresden, kehrten schon nach drei Monaten zurück in die Ukraine. © Matthias Rietschel

Der negative Kriegsverlauf, die Offensive der Russen belastet die Familie. In den nächsten Wochen sollen noch sehr viel mehr Männer eingezogen werden, Viktorija Martsenko ist in Sorge um ihren Mann, dem dieses Schicksal noch droht. Froh ist die Familie, dass die Ukraine wieder mehr Waffen erhält, vor allem aus den USA. Dies hat die Front nördlich von Charkiw erst einmal stabilisiert. Jetzt hofft sie mit ihren Landsleuten auf die Lieferung der F-16-Flugzeuge in diesem Jahr, damit die Lufthoheit der Russen endlich gebrochen wird.

Und wie denkt Viktorija Martsenko mit ein wenig Abstand über ihr Leben als Flüchtling und den Dresden-Aufenthalt?„Es war richtig, dass wir die in Kiew schlimmste Zeit in Dresden verbracht haben. Damit sind den Kindern die Bombeneinschläge und das Kriegsgetöse erspart geblieben. In Sachsen waren sie sicher. Dafür sind wir dankbar, sagt Martsenko. Deshalb bedauert sie auch ihren Aufenthalt in Dresden nicht, auch wenn er für sie, ihren Mann, die Eltern und Freunde schwierig war.

"Ich habe mich immer fremd gefühlt"

„Ja, das Leben in Deutschland ist ein gutes. Für mich aber war es die Illusion vom schönen Leben. Denn das Flüchtlingsleben ist schwer, Flüchtling zu sein ein schlimmes Gefühl. Ich habe mich immer fremd gefühlt, nicht dazu gehörig, obwohl ich die deutsche Sprache gut beherrsche. Und es ist schwer zu ertragen, von anderen abhängig zu sein“, erklärt Viktorija Martsenko ihr Seelenleben. Sie glaubt auch, dass es vielen Flüchtlingen in Deutschland so geht. Vielleicht bilden die, die in der Heimat alles verloren haben, eine gewisse Ausnahme, meint sie.

Nun, in der Heimat, geht es ihr wieder deutlich besser, aber ohne Sorgen ist sie nicht. Die ständigen Stromabschaltungen, weil die Russen in den vergangenen Wochen massiv die Energieanlagen bombardiert haben, machen ihr schon im Sommer zu schaffen. Nur einige Stunden am Tag gibt es welchen, dann schaltet sie schnell die Waschmaschine an. Ihre Mutter weckt sich dafür sogar nachts.

Aber wie soll das im nächsten Winter werden? Gibt es dann überhaupt noch Strom? Und vor allem Heizung? Dies könnte dann durchaus ein ernster Grund sein, doch noch einmal mit den Kindern nach Dresden zurückzukehren. Ein zweiter Grund könnte sein, falls die Bombardements wieder anfangen. Ein dritter, wenn ihr Mann in den Krieg muss.

Aber dies sind nur Notfallpläne, betont sie. Wenn es ganz, ganz schlimm kommt. Denn Familie Martsenko ist sich vollkommen einig, dass sie von nun an zusammen bleiben will. Auch die Kinder haben ganz deutlich ihre Meinung gesagt: „Wir wollen nicht zurück!“

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