AfD-Parteitag: Die AfD regiert indirekt längst mit

Teils rabiater Protest draußen, Einigkeit drinnen: Die AfD sieht sich nach ihrem Parteitag als Sieger. In manchem erinnert ihre Lage an die der Grünen in den 80er Jahren.

afd-parteitag: die afd regiert indirekt längst mit

Die Bundesvorsitzende der AfD Alice Weidel wird in der Grugahalle in Essen für den Youtube-Kanal der Partei interviewen.

"Wenn der Faschismus wiederkehrt, wird er nicht sagen: 'Ich bin der Faschismus'", hat AfD-Bundessprecherin Alice Weidel zum Auftakt des Essener Parteitags am Samstag den italienischen Schriftsteller Ignazio Silone zitiert. "Er wird sagen: 'Ich bin der Antifaschismus.'" Weidel bezog sich, natürlich, auf die Zehntausenden von Demonstranten draußen vor der Grugahalle. Darunter waren Gewerkschafter, Sozialdemokraten, Kirchenvertreter oder auch der CDU-Bürgermeister, die friedlich Reden hielten, Transparente trugen und Lieder sangen ("Scheiße ist blau"). Es waren aber auch Pulks von Aktivisten dabei, die sich aufspielten wie Bürgerwehren. AfD-Delegierte wurden gejagt, umzingelt und mussten Spießruten laufen. Von Journalisten wurde in herrisch-drohendem Ton verlangt, sich auszuweisen, bei Zuwiderhandlung wurden auch sie angegriffen, fünf Mann stürzten sich auf eine 1,60 Meter große Kollegin vom Deutschlandfunk – all das schweißte einen auf unangenehme Weise mit den gehetzten Delegierten zusammen. Zwei Polizisten, die im Handgemenge zu Boden gegangen waren, wurden von Aktivisten durch Tritte verletzt.

Der teils aggressiven Ratlosigkeit draußen stand eine gelassene Selbstgewissheit in der Halle gegenüber. Der von Medien erwartete Eklat blieb aus. Man sieht sich auf der Siegerstraße. Kräftiger Mitgliederzuwachs (22.000 in anderthalb Jahren), sprudelnde Finanzen, (darunter fast die Hälfte staatliche Parteizuschüsse), allenthalben strahlende Aussichten: "Im Osten", so verkündete Co-Sprecher Tino Chrupalla, "muss für uns die Sonne der Regierungsbeteiligung aufgehen."

Weidel, die ihre Stimme binnen Nanosekunden modulieren kann von schneidig-drohend zu tränennah, hat mit dem Faschismus-Zitat auch unausgesprochen die eigene Strategie beschrieben. "Ich lasse mich nicht 'Nazi' nennen", hatte sie in die Halle gerufen, zu etwas zögerndem Applaus. Gänzlich still blieb die Halle, als Weidel erklärte, hier sei jeder willkommen, der arbeiten wolle.

Immer wieder fallen Drohungen

Es ist die Strategie, die ihre französische Gesinnungsgenossin und ihr explizites Vorbild Marine Le Pen "Entdiabolisierung" nennt – und die der extremen Rechten in Frankreich womöglich noch an diesem Sonntag zu immer neuen Höhen verhelfen wird. Man lässt sich nicht "Nazi" nennen, man vermeidet explizite NS-Elogen, man exkulpiert nicht die SS in Interviews mit italienischen Zeitungen, wie es der EU-Spitzenkandidat Maximilian Krah getan hatte. Man schlägt Krah aber auch nicht die Tür vor der Nase zu, setzt ihn, ohne seinen Namen zu nennen, nur rhetorisch auf die "Ersatzbank", mahnt "Professionalisierung" und "Teamplay" an – alte und neue Rechte bleiben also beieinander, auch wenn sie nicht immer miteinander gesehen werden wollen.

Gleichzeitig redet man die politischen Gegenspieler, das "System", die "ganze woke Hippieregierung" so in Schutt und Asche, dass der Effekt eben auch vernichtend ist. Immer wieder mal fällt eine Drohung. Wenn der Tag gekommen sei, so sind manche Äußerungen zu verstehen, werde man zur Rechenschaft ziehen. Lauterbach, von der Leyen, Baerbock, Scholz – wenn ihre Namen fallen, johlt die Halle grollend.

In Essen ist an diesem Wochenende mit Händen zu greifen, dass die Demokraten auf die Strategien der Neuen Rechten komplett unvorbereitet sind. Hilflose Rufe wie "Nazis verpisst euch, niemand vermisst euch" verhallen, wenn die AfD auf riesigen Schauwänden geltend machen kann, sie sei jetzt die neue Arbeiterpartei – die Zahlen geben ihr Recht.

In vielem erinnert die Lage der AfD jetzt an die der Grünen in den Achtzigerjahren. Auch sie sahen sich, wie die AfD, als Anti-System-Partei; auch sie hatten so viel kulturelle Hegemonie angehäuft, dass sie längst mitregierten, bevor sie dann tatsächlich politische Verantwortung trugen. Niemand kam mehr am Klima vorbei.

Heute kommt niemand mehr am Migrationsthema vorbei. Die Frage, was man leichter kontrollieren kann – das Klima oder die Zuwanderung – ist an beiden Enden des politischen Spektrums zur Überlebensfrage geworden. Die einen haben Angst vor der Zerstörung der Lebensgrundlagen, die anderen vor der angeblichen Zerstörung des deutschen, französischen, italienischen Erbes. "Alles brennt lichterloh", hat Alice Weidel in Essen gesagt, "nichts ist mehr, wie es war."

Das Bundesrepublikanische wirkt auch in die AfD hinein

Es ist kein Zufall, dass sich in diesen Tagen vor allem in Brüssel zeigt, was die Neue Rechte kann – und was sie nicht kann. Ihren enormen Stimmenzuwachs kann sie (noch) nicht in Macht umsetzen, weil das Lager dafür zu gespalten ist. Weidel betont im Gespräch immer wieder, dass sie den Rauswurf der AfD aus der Fraktion Identität und Demokratie (ID) durch Marine Le Pen zu ihren größten politischen Niederlagen zählt. Aber eins ist jetzt schon sicher: Die nagende Wut darüber, dass die europäische Rechtsprechung, speziell die Europäische Menschenrechtskonvention, es den nationalen Regierungen unmöglich macht, komplett souverän über ihre Zuwanderungspolitik zu entscheiden, wird Folgen haben.

Heute hat der Obmann der österreichischen Rechtspopulisten, FPÖ-Chef Herbert Kickl, den ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán und den tschechischen Ex-Premier Andrej Babiš empfangen. Sie präsentieren ein "patriotisches Manifest" und wollen gemeinsam eine Fraktion im Europäischen Parlament gründen. Nicht ausgeschlossen, dass die AfD-Delegation dort eine neue Heimat findet. Mit Blick auf die Wahlen in Frankreich an diesem Sonntag und die im November in den USA erklärte Viktor Orbán: "Wenn alles nach Plan läuft, und Gott will, werden bis zum Ende des Jahres die Patrioten in der gesamten westlichen Welt in der Mehrheit sein. Vorwärts, Team!"

Die AfD mag längst in der Bundespolitik mitregieren – aber das Bundesrepublikanische regiert auch in die AfD hinein, ob ihr das nun gefällt oder nicht. Dass sie sich von Maximilian Krah trennen musste, dass im neuen Bundesvorstand etliche vergleichsweise "mittige Kandidaten" wie der Berliner Staatsanwalt Roman Reusch vertreten sind, das Wort "Remigration" in Essen von der Parteispitze vermieden wurde, oder dass der thüringische Landesvorsitzende Björn Höcke nicht zuletzt wegen seines teilweise larmoyanten Verhaltens vor Gericht oder im TV-Duell mit seinem CDU-Gegenspieler an Glamour verloren hat – all das zeigt, dass der Zug auch in der AfD keineswegs immer nur in eine Richtung geht. Sich mit ihren eigenen Dämonen, mit den eigenen Strategiedefiziten offen auseinanderzusetzen, ist der AfD auch an diesem Wochenende nicht gelungen.

Korrekturhinweis: In einer früheren Version dieses Textes hieß es, zwei Polizisten hätten intensivmedizinisch betreut werden müssen. Richtig ist, dass beide ins Krankenhaus mussten. Wir bitten, den Fehler zu entschuldigen.

OTHER NEWS

45 minutes ago

Wimbledon Liveticker: Zverev furios – Tennis-Star brilliert im Auftaktmatch

45 minutes ago

Comeback für E-Autobauer? Analyst erwartet Rallye der Tesla-Aktie

45 minutes ago

NGO: Fake-Konten verbreiten "Desinformation und Hass" vor Wahl in Großbritannien

49 minutes ago

Elektroauto: Neue Akkutechnik soll Renaults erschwinglicher machen

49 minutes ago

"Weiß nicht, was der Typ will": Muss sich Wolff jetzt mit Mintzlaff vertragen?

49 minutes ago

Steve Ballmer ist jetzt reicher als Bill Gates

49 minutes ago

Liebeshoroskop für alle Sternzeichen für den Monat Juli 2024

50 minutes ago

ÖVP lehnt Misstrauensantrag gegen Gewessler ab

50 minutes ago

Portugal statt Bundesliga: Mittelfeld-Youngster verlässt BVB

50 minutes ago

„Unter Uns“: Neuzugänge bestätigt! So machen diese beiden Jungs die Schillerallee unsicher

50 minutes ago

Krieg in der Ukraine : Orbán fordert von Kiew Waffenstillstand

50 minutes ago

Übernimmt Lewis Hamilton MotoGP-Rennstall?

50 minutes ago

Feierabendgenuss: Nudelauflauf mit Hähnchen, Sahne und Mozzarella

51 minutes ago

Wolff warnt Rivalen vor Mercedes-Upgrades: "So gut war ich noch nie".

51 minutes ago

Spektakulärer Alpen-Showdown: Pogacar fliegt über den Galibier und sprengt das Favoritenfeld

51 minutes ago

Schalke-Talent wechselt in die Regionalliga

58 minutes ago

Kommentar von Hugo Müller-Vogg - Sekmen hat jedes Recht, die Grünen zu verlassen - doch ein „Geschmäckle“ bleibt

58 minutes ago

Bayern verkündet neuen Deal

58 minutes ago

Ex-BVB-Star sorgt für Schiedsrichter-Eklat – Länderspiel artet völlig aus

58 minutes ago

Stiefel im Sommer? So elegant sieht der Trend-Look à la Sienna Miller aus

58 minutes ago

TSG-Boss tritt zurück

58 minutes ago

Ex-Kanzler Kern im Party-Flieger zum Türkei-Kracher

58 minutes ago

ZDF zeigt „Death-in-Paradise“-Ableger „Beyond Paradise“ im Herbst

58 minutes ago

Bus statt S-Bahn in Berlin: Diese Strecken werden im Sommer gesperrt

58 minutes ago

Erstmals seit Steffi Graf: Titelverteidigerin scheitert in Wimbledon in der ersten Runde

58 minutes ago

Zucchini-Hackbällchen mit Salat: Leichtes Low-Carb-Rezept

1 hour ago

Delikata schließt wegen Insolvenz fünf Filialen

1 hour ago

Siemens Energy will im Netzgeschäft 10.000 neue Stellen schaffen

1 hour ago

Neues E-Bike Delite 5 GT Pinion von Riese & Müller auf Eurobike vorgestellt

1 hour ago

Hoffen auf den nächsten Boom

1 hour ago

Microsoft: Steve Ballmer überholt Bill Gates auf der Reichstenliste

1 hour ago

Argentiniens Regierung schloss staatliche Nachrichtenagentur

1 hour ago

Laut Umfrage - Grüne mutieren zur „Klientel-Partei“ für die Oberschicht

1 hour ago

Keeper Scherpen bleibt bei Sturm - Fuseini zu Saint-Gilloise

1 hour ago

Umwelthilfe: Imbisse nutzen weiterhin verbotenes Einweg-Plastikgeschirr

1 hour ago

Spanien: Kurioser Vorwurf: Barça-Bosse wohl gegen Williams-Deal

1 hour ago

Mats Hummels: Top-Klubs machen Ernst – Entscheidung rückt näher

1 hour ago

Orban erstmals seit neun Jahren wieder in der Ukraine

1 hour ago

Aktuelles zum Bahnverkehr in Düsseldorf: Einschränkungen auf der Linie RE 6 (RRX) aufgrund kurzfristiger Erkrankung von Personal

1 hour ago

Christoph Kramer und Per Mertesacker verraten besten Mitspieler