Extra schön gemacht: die Dörfer im Landkreis Rotenburg
Extra schön gemacht: die Dörfer im Landkreis Rotenburg
Beliebtes Motiv, auch für unseren Autoren: die Ahauser Mühle.
AB INS PARADIES: Unser Autor Michael Schwekendiek umrundet den Landkreis mit dem Rad und erlebt dabei so einiges. An Tag zwei geht es auf 65 Kilometern von Visselhövede bis Zeven.
Ahausen – In der „Villa Vissel“ gibt es erst einmal ein üppiges Frühstück. Wir dürfen uns sogar von dem selbst gebackenen Brot etwas mitnehmen. Die Sonne scheint, und wir starten frohgemut in unseren zweiten Tag. Es ist Sonntag.
Visselhövede schläft. Wäre da nicht mal ein Besuch in der Kirche angesagt? Zeit haben wir, und die Visselhöveder Kirche ist schon rein baulich immer einen Besuch wert. Es ist halb zehn. Laut Beschilderung am Ortseingang Beginn des Gottesdienstes. Die Kirchentür steht weit offen – keiner da. Kein Besucher, kein Pastor, kein Organist. Offensichtlich findet hier heute nichts statt. Leider findet sich nirgendwo ein Hinweis darauf.
Der Wind bläst tatsächlich vor allem von hinten, allerdings deutlich schwächer als am Tag zuvor. Über Jeddingen und Dreeßel geht es nach Kirchwalsede (auch eine besonders schöne Kirche, auch niemand da). Dann, an der Ahauser Mühle vorbei, weiter Richtung Norden. Die Ahauser Mühle ist grundsätzlich immer wieder einen Abstecher wert. Schade, dass es hier kein gastronomisches Angebot gibt. Das täte uns jetzt gut. So’n kleiner Frühschoppen und Erholung für den Hintern. Den hat der liebe Gott definitiv nicht zum Radfahren gemacht.
Erste Beschwerden sind zu spüren
Trotz bestens gefütterter Hosen und sogar noch gepolstertem Sattel, trotz Creme und aller Vorsicht: Der Allerwerteste ist nach inzwischen weiteren 50 Kilometern nicht mehr „alles wert“. Deswegen heißt es: Pause in Nartum. Mitten im Ort steht eine sehenswert wieder aufgebaute alte Motormühle (Baujahr 1900).
Kunst in der Landschaft, von Bernd Hanewinkel: Kurz vor Waffensen kreuzt Hans-guck-in-die-Luft den Weg. Rechtes Bild: die alte Motormühle in Nartum.
Und natürlich müssen wir zu des „Dichters Haus“: Hans Walter Kempowski war hier Grundschullehrer und hat ein schönes Haus am Ortsrand gebaut. Kempowski hatte vor fast 50 Jahren mal als Schriftsteller seinen Durchbruch, als sein Buch „Tadellöser und Wolff“ für’s Fernsehen verfilmt wurde. Auch eine Reihe von Nachfolgewerken wurden zu Bestsellern. 2007 verstarb der „Dichter“, wie er wohl überall im Dorf genannt wurde und auch von sich selbst gerne so sprach. Nach dem Tode seiner Ehefrau (2019) fiel das „Haus Kreienhoop“ der Kempowski-Stiftung zu. Es gibt dort regelmäßige Führungen, Lesungen, besondere Veranstaltungen, aber eigentlich, so unser Eindruck, liegt es fast schon ein wenig verlassen da. Auch der Ruhm hochgelobter zeitgenössischer Schriftsteller geht oft schneller dahin als man meinte.
Radwege überzeugen
Von Nartum nach Zeven gibt es – wieder einmal – einen wunderschönen Radweg. Das mit dem „Radlerparadies“ erweist sich erneut als richtig. Auch die Beschilderungen sind im gesamten Landkreis geradezu hervorragend. Vor wenigen Jahren bin ich mal durch Italien geradelt: Die Italiener verstehen viele Radwege offensichtlich als gigantischen „Escape-Room“, für den man allerlei Erfindungsreichtum und Glück benötigt, um jeweils heil raus- oder wieder reinzukommen.
Die alte Motormühle in Nartum.
Also: Das Örtchen Nartum lohnt sich, wie so viele unserer Dörfer, und dann weiter über Oldendorf nach Zeven, unser heutiges Tagesziel. Es ist ja Sonntag, wir können gemütlich durch die Fußgängerzone und die Innenstadt radeln. Das muss man auch als Rotenburger mal neidlos (?) feststellen: Zeven macht einen blitzsauberen Eindruck. Eine kleine, feine Innenstadt, der wunderschöne Stadtpark mit dem alten Kloster und der besonderen Sankt-Viti-Kirche. Die ist leider dicht.
Gut 65 Kilometer sind wir heute gefahren. Das geht (dem E-Bike sei Dank) recht locker und mühelos, wenn man mal von leichten Sitzbeschwerden absieht. Besonders freundliche Menschen erwarten uns dann auch noch im vorab gebuchten Hotel, dazu eine Extra-Garage für die Fahrräder, eine herrliche Dusche und eine wohltuende Salbe für – naja, Sie wissen schon.
Für den nächsten Tag steht eine lange Etappe an: Bis an die Nordspitze des Landkreises soll es gehen, den wir dann sogar verlassen werden und, im wahrsten Sinne des Wortes, rübersetzen zum Nachbarkreis Stade.
Serie „Ab ins Paradies“: Mit dem Fahrrad kreuz und quer durch den Landkreis
Die „offizielle Karte des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs (adfc)“ muss es wissen: „Radlerparadies Rotenburg (Wümme). Zwischen Hamburg und Bremen“ heißt es auf der Umschlagseite. Vor zwei Jahren hatte ich den gesamten Landkreis an fünf Tagen zu Fuß durchwandert. Eine harte Tour. Fünf Tage lang jeweils etwa 25 Kilometer wandern. Schon damals hatte ich gemerkt, dass unser Landkreis zwar wirklich schöne Wege hat, aber – abseits der Nordpfade – nicht unbedingt das Paradies für Wanderer ist. Wohl aber für Radfahrer? Das habe ich nun in Angriff genommen. In wiederum fünf Tagen will ich es schaffen: Von Rotenburg in den Süden nach Visselhövede, Rundtour zu den „Grundlosen Seen“, dann über Kirchwalsede und Nartum nach Zeven. Von dort über Godenstedt und Bremervörde nach Gräpel. Das ist der äußerste Norden. Rücktour über Bremervörde nach Heeslingen und wieder nach Rotenburg. Geplant sind täglich etwa 70 Kilometer. Das müsste zu schaffen sein, obwohl ich kein durchtrainierter Pedalritter bin. Deshalb (und aufgrund meines Alters) erlaube ich mir, etwas zu „mogeln“: Das Zauberwort heißt E-Bike. Eine geradezu paradiesische Erfindung. Passt doch. Auch schön: Meine Frau wird mich begleiten und Freunde wollen auch mal eine Tagestour mitmachen. msc