Ukraine-Invasion, Tag 857: Was Taiwan vom Krieg in der Ukraine gelernt hat
Ungarns Regierungschef Viktor Orbán fordert Kiew zu Waffenruhe auf. Wirtschaftsexperten senken Wachstumsprognose. Der Nachrichtenüberblick am Abend
Ukrainische Soldaten der Aufklärungseinheit Ochi starten eine Furia-Drohne, um russische Stellungen an der Frontlinie zu überfliegen.
Ein scheinbar übermächtiger Nachbar, der Grenzen und staatliche Integrität nicht akzeptiert. Was für Russland in Bezug auf die Ukraine gilt, befürchtet auch Taiwan. Die Volksrepublik China betrachtet die Insel im Pazifik als Teil seines Territoriums, obwohl dort seit Jahrzehnten stets unabhängige und demokratisch gewählte Regierungen an der Macht sind. Natürlich blickt die taiwanesische Führung ganz genau auf den russischen Angriffskrieg in der Ukraine, wie die „Washington Post“ berichtet.
Taiwan hat die Militärausgaben im vergangenen Jahr um 14 Prozent erhöht, die Wehrpflicht von vier Monaten auf ein Jahr verlängert. Die Regierung versucht, die Bevölkerung auf einen möglichen chinesischen Angriff vorzubereiten, eine „zivile Widerstandsfähigkeit“ aufzubauen, wie Taiwans de-facto-Botschafter in den USA, Tah-ray Yui es nennt.
„Eine der wichtigsten Lektionen, die wir von der Ukraine gelernt haben“, sagt Yui, „ist, dass die Menschen nur bereit sind, dir zu helfen, wenn du dir auch selbst hilfst“.
Wie auch die Ukraine setzt Taiwan besonders auf die Unterstützung der USA. Seit 2021 hat die US-Regierung 15 Waffendeals mit Taiwan genehmigt. Tah-ray Yui sieht sein Land aber nicht in Konkurrenz zur Ukraine: „Die USA sind immer noch die führende Weltmacht und in der Lage, sich mit verschiedenen Szenarien, Schauplätzen und Herausforderungen gleichzeitig zu beschäftigen.“
Gleichzeitig fordert er die internationale Gemeinschaft dazu auf, auf diplomatischem Wege alles dafür zu tun, dass China keinen Angriff auf Taiwan wagt. „Wir müssen sicherstellen, dass sich Chinas Präsident Xi Jinping jeden Tag, wenn er aufwacht, denkt: heute nicht.“
Die wichtigsten Nachrichten im Überblick:
- Bei seinem ersten Besuch in Kiew seit Beginn des Ukraine-Kriegs hat der ungarische Regierungschef Viktor Orban den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj zu einer raschen Waffenruhe mit Russland aufgerufen. „Ich habe den Präsidenten aufgefordert, die Möglichkeit einer Waffenruhe schnell in Betracht zu ziehen“, sagte Orban am Dienstag in der ukrainischen Hauptstadt. Mehr hier
- Die Zerstörung der ukrainischen Energie-Infrastruktur durch russische Angriffe hinterlässt immer tiefere wirtschaftliche Spuren. Das Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche (wiiw) hat nun seine Wachstumsprognose für das Land im Vergleich zur Frühjahrsprognose um 0,5 Prozentpunkte auf 2,7 Prozent für 2024 gesenkt. Mehr hier
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Knapp zwei Wochen nach den Schüssen auf den im ukrainischen Exil lebenden kasachischen Oppositionellen Aydos Sadykow ist der bekannte Blogger am Dienstag an seinen Verletzungen gestorben. Das teilte seine Frau Natalia Sadykowa mit und machte den kasachischen Präsidenten Kassym-Schomart Tokajew für den Tod ihres Mannes verantwortlich, dem die Ukraine 2014 Asyl gewährt hatte. Mehr hier
Schachtjor Donezk trägt seine Champions-League-Spiele in der kommenden Saison im Stadion des FC Schalke 04 aus. Wegen des Krieges musste sich der Verein schon zum dritten Mal eine neue ausländische Spielstätte suchen. Mehr hier
- Bis vor zwei Jahren diente es der ukrainischen Fußball-Nationalmannschaft noch als Trainingsstätte, dann kam der Krieg – nun werden Teile des zerstörten Sonjatschnyj-Stadions aus Charkiw in Berlin ausgestellt. In der Fanzone am Reichstag sind ab sofort 21 Sessel der Tribüne aufgebaut, die im Mai 2022 von russischen Bomben zerstört wurde. Mehr hier
- Aufgrund des anhaltenden Stromdefizits hat der staatliche Energiekonzern Ukrenerho seit dem 2. Juli drei gleichzeitige Abschaltungen am Tag im ganzen Land verhängt. Der Grund dafür ist ein erheblicher Anstieg des Stromverbrauchs aufgrund der Hitzewelle, teilte der Betreiber Ukrenergo auf seiner offiziellen Website mit. Mehr im Liveblog
- Das ukrainische Militär hat nach eigenen Angaben bereits am Montag einen „vernichtenden Schlag“ gegen ein russisches Munitionsdepot auf der besetzten Halbinsel Krim geführt. Luftwaffen-Kommandeur Mykola Oleschtschuk schreibt auf Telegram, wieder einmal hätten ukrainische Flugzeuge, die es der russischen Propaganda zufolge gar nicht mehr geben dürfte, erfolgreich Kampfeinsätze geflogen.
- Russland hat nach eigenen Angaben bei einem Angriff auf einen Stützpunkt in der Ukraine fünf ukrainische Militärflugzeuge zerstört. Bei einem Raketenangriff auf den Flugplatz nahe der zentralukrainischen Stadt Myrgorod seien fünf einsatzbereite Kampfjets vom Typ SU-27 zerstört worden, erklärte das Verteidigungsministerium mit.