Joe Biden wie ausgewechselt: US-Präsident schaltet auf Kampfmodus nach Debatten-Desaster
Wenige Stunden nach dem verpatzten TV-Duell gegen Donald Trump zeigt sich der Amtsinhaber souverän und energiegeladen. Kann er die Panik seiner Partei damit in den Griff bekommen?
US-Präsident Joe Biden und First Lady Jill Biden bei einer Wahlkampfveranstaltung in Raleigh im Bundesstaat North Carolina.
Am Tag nach seinem desaströsen Debattenauftritt wirkte US-Präsident Joe Biden schon wieder wie ausgewechselt. Bei einem Wahlkampf-Event am Freitagmittag (Ortszeit) in Raleigh im Bundesstaat North Carolina durften seine Anhänger einen angriffslustigen, selbstbewussten und humorvollen Biden erleben, der keinen Zweifel daran ließ, dass er im Rennen zu bleiben gedenkt.
Er debattiere zwar nicht mehr so gut wie früher, sagte er da. Aber er könne richtig von falsch unterscheiden. Und der 81-Jährige versprach: „Ich würde nicht noch einmal kandidieren, wenn ich nicht mit ganzem Herzen und ganzer Seele daran glauben würde, dass ich diesen Job machen kann.“
Den Zuschauern rief er zu: „Ich habe vor, diese Wahl zu gewinnen“ – was erkennbar gut ankam. Immer wieder wurde seine Rede von Rufen nach „Four more years“ (vier weitere Jahre) unterbrochen.
20 Minuten lang attackierte Biden seinen Herausforderer, Ex-Präsident Donald Trump, warnte vor einer Rückkehr des Republikaners und machte sich über dessen Aussagen lustig. Wo war dieser Biden am Abend zuvor, werden sich wohl viele Beobachter gefragt haben. Aber auch: Wenn er, wie seine Kampagne behauptete, bei dem Duell mit Trump durch eine Erkältung geschwächt war, warum bremste ihn diese dann am Tag danach nicht aus?
So schnell wird die Panik, die große Teile der Partei erfasst hat, wohl nicht verschwinden. Wahlforscher Larry Sabato sagte im Sender CNN, von solchen Auftritten brauche es Tausende, um Bidens Reputation wieder herzustellen. Aber der Präsident scheint wild entschlossen zu sein, nicht als vorzeitig Geschlagener vom Platz zu gehen, und setzt seinen Wahlkampf-Alltag wie geplant fort.
Noch am Freitagnachmittag reiste der Präsident nach New York weiter, wo er mehrere Auftritte in der Region absolvieren wollte, unter anderem bei einem Spenderessen im Hause des Gouverneurs von New Jersey und ehemaligen US-Botschafter in Berlin, Phil Murphy, sowie zur Eröffnung der Pride-Parade in New York.
Die Frage der Fragen, die sich den Wählern in den kommenden Wochen und Monaten nun stellt, ist die: Welcher Joe Biden ist der Richtige? Der während der Debatte am Donnerstagabend? Oder der vom Tag danach?
In diesem Moment, angesichts der Gefahren, denen die Welt ausgesetzt ist, gibt es niemanden, den ich lieber im Oval Office sitzen sehen will als meinen Mann.
First Lady Jill Biden
First Lady Jill Biden, die den Auftritt ihres Mannes nach der Debatte vehement verteidigte und ihn dafür gelobt hatte, dass er anders als Trump alle Fragen beantwortet habe, war auch bei dem Event in North Carolina an seiner Seite. Im schwarzen Kleid, auf dem mehrfach das Wort „vote“ (wählt) stand, kündigte sie ihn mit den Worten an: „In diesem Moment, angesichts der Gefahren, denen die Welt ausgesetzt ist, gibt es niemanden, den ich lieber im Oval Office sitzen sehen will als meinen Mann.“
Auch sie erweckte am Freitag nicht den Eindruck, dass sie vorhat, ihn als nächstes von seiner Kandidatur abzubringen. Dabei betonen viele im Umfeld des Präsidenten, dass nur sie, seine Schwester Valerie Biden Owens oder sein früherer Chef Barack Obama dazu in der Lage seien.
Am Freitag sprachen es viele Beobachter und Spin-Diktatoren aus: Es wird schwer werden, den Leuten zu sagen, dass sie etwas nicht gesehen haben, was sie gesehen haben. Und die Erzählung des Donnerstagabends lautet: Biden war zu schwach, um den Lügen Trumps Einhalt zu bieten.
„Bei einer Wahl zwischen zwei unpopulären Kandidaten ist es für einen Kandidaten besser, wenn der andere mehr Aufmerksamkeit bekommt. Bidens schlechte Leistung ist die dominierende Geschichte dieser Debatte, was gut für Trump ist“, sagt der Wahlforscher Kyle Kondik.
Bis zur Wahl am 5. November bleibe zwar noch viel Zeit, so Kondik weiter. „Aber dies war eine Gelegenheit für Biden, zu versuchen, Trumps Probleme stärker in den Mittelpunkt zu stellen, und ich glaube nicht, dass ihm das gelungen ist.“
Ex-Präsident Trump wollte sich am Freitag zumindest nicht die Gelegenheit entgehen lassen, seinen von den meisten als Punktsieg gewerteten Debattenauftritt zu feiern. Nur wenige Stunden nach Bidens Auftritt wurde er bei einer Rally in Chesapeake im Bundesstaat Virginia erwartet, für die sich seine Fans Berichten zufolge schon 15 Stunden zuvor angestellt hatten.