Wurzelwerk mit zehn Metern Durchmesser entdeckt: Das passiert im Wald unter der Erde
Von der Wurzel bis zur Krone
Wurzelwerk mit zehn Metern Durchmesser entdeckt: Das passiert im Wald unter der Erde
Mann steht vor umgekippten Baum
Der Waldboden lebt. Von vielen Wurzeln durchdrungen, bildet er ein Wunderwerk der Natur. In unserer Serie werfen wir ein Blick unter die Oberfläche.
Die wenigsten Menschen ahnen, wie intensiv der Waldboden von Wurzeln durchzogen ist. „Eine dicke Buche hat, wenn man die einzelnen Wurzeln aneinanderlegen würde, eine gesamte Wurzellänge von 20 Kilometern“, sagt Wolfratshausens Revierförster Robert Nörr. Das, was unter ihr im Erdreich zu finden ist, offenbarte eine Fichte vor knapp zwei Jahren. Sie war nach einem Sturm umgefallen, und ihre meterlangen Wurzeln lagen plötzlich offen. Entdeckt hatte den Baum, der in der Nähe von Moosham stand, Florian Öckler, Einsatzleiter bei der Waldbesitzervereinigung Wolfratshausen.
Wurzelwerk mit zehn Metern Durchmesser entdeckt: Das passiert im Wald unter der Erde
Der Vorfall ereignete sich im Sommer 2022. Nach dem Sturm habe er einen Kontrollgang unternommen, erzählt Öckler im Gespräch mit unserer Zeitung. Als er die umgekippte Fichte entdeckte, sei er schon ziemlich überrascht gewesen. „Das war auf alle Fälle beeindruckend“, meint der Forstwirt mit Blick auf die Dimensionen. Der Wurzelteller habe in einen Durchmesser von etwa zehn Metern gehabt. Ein Bild, das man nicht alle Tage sieht. „Das ist schon die Ausnahme“, weiß der 37-jährige Altkirchner.
Wie kommt so ein ausuferndes Wurzelwerk zustande? Im Allgemeinen bevorzuge die Fichte einen steinigen Untergrund, erklärt der Forstwirtschaftsmeister. Sie sei zwar ein Flachwurzler, bilde aber Senkerwurzeln nach unten aus, die sich an Steinen in der Erde festkrallen. Das sei bei der umgefallenen Fichte nicht möglich gewesen. Der Baum stand in der Nähe eines Weihers auf moorigem Untergrund. „Er bildete große Wurzeln zur Seite aus, aber keine Senkerwurzeln“, berichtet Öckler. Immer wieder versuche die Fichte, Tiefenwurzeln auszubilden, ergänzt Nörr. „Wenn das Wasser zu hoch steigt, sterben diese aber wieder ab.“ So hatte der Sturm leichtes Spiel und stürzte die Fichte um.
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Forstarbeit ist gefährlich – selbst für Profis
Als Totholz liegen lassen, das ging allerdings nicht: aus Sicherheitsgründen und wegen des Borkenkäfers, der sich sonst garantiert eingenistet hätte. Die Fichte musste also entfernt werden. Das sei auf dem weichen Untergrund nicht einfach gewesen. Mit schwerem Gerät anzurücken, das sei keine Option gewesen. „Und der Baum war ziemlich mittig auf dem Teller“, erinnert sich der Forsttechniker. Der Stamm sei in einer Höhe von zwei, drei Metern parallel zum Boden verlaufen und damit schwer zu erreichen gewesen.
Robert Nörr mit einer schön ausgebildeten Wurzel (re.) und einem Negativbeispiel.
„Diese Bäume stehen unter Spannung“, ergänzt Förster Nörr. Selbst für Profis sei es extrem schwer einzuschätzen, wie sich diese Spannungen verhalten. Um in solchen Situationen kein Risiko einzugehen, kappt man laut Nörr den Baum von der Spitze her. „Dann ist es oft so, dass der ganze Wurzelteller zurückklappt.“ Im Fall der Mooshamer Fichte sei der Stumpf mithilfe eines Baggers aufgerichtet worden, berichtet Öckler. Stehen geblieben ist nur der Stock des etwa 120 Jahre alten Baumes.
Welch tragende Rolle Wurzeln spielen, unterstreicht Förster Nörr. Auf der Suche nach Wasser und mineralischen Nährstoffen erschließen sie den Boden. „Die Wurzeln nehmen die Stoffe auf, die dann weiter über den Stamm nach oben in die Baumkronen transportiert werden. Flache Wurzeln wie der Fichte würden auch Vorteile haben, ergänzt der Experte. „So kann der Baum Regenwasser und in den Boden geschwemmte Nährstoffe großflächig aufnehmen, ohne, dass ihm jemand anders zuvorkommt.“
7000 Wurzeln ausgegraben
Bevor Nörr 2005 ins Wolfratshauser Forstamt wechselte, arbeitete er in der Landesanstalt für Wald- und Forstwirtschaft. „In dieser Zeit habe ich über 7000 Baumwurzeln ausgegraben“, bilanziert er. „Das ist kein Witz.“ Der Sinn dahinter: Zu erforschen, wie die Wurzeln von Bäumen aussehen, die angepflanzt werden. „Da gibt es durchaus Unterschiede.“ Nörr zeigt unserer Zeitung einen ausgegrabenen Stumpf mit Wurzeln, die waagrecht zu einer Seite zeigen. So sollte es eigentlich nicht sein. „Wenn man Wurzeln bei der Pflanzung stark verbiegt, wachsen sie total oberflächlich und bleiben so“, berichtet der Forstingenieur. Daran schuld sei meist ein zu kleines Pflanzloch.
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Wie sich die Wurzeln dieser frisch gepflanzten Bäume verhalten, habe man jahrelang nicht gewusst. „Man dachte, das regeneriert sich“, sagt der Wolfratshauser. „Aber das tut es selbst nach Jahrzehnten nicht.“