Streit mit Gazprom: Polen will Osteuropas Zahlungen für russisches Gas stoppen
Eine Gaskompressorstation in der ostslowakischen Stadt Velke Kapusany, nahe der Grenze zur Ukraine. Symbolbild.
Polens größtes Energieunternehmen Orlen hat Gasunternehmen in Ungarn, der Slowakei und Österreich schriftlich gedroht, ihre Zahlungen für russisches Pipeline-Gas an Gazprom zu pfänden. Darüber berichtet das Nachrichtenportal Reuters unter Berufung auf zwei mit den Briefen vertraute Quellen.
Eigentlich hatte Polen bis zum Mai 2022 selbst russisches Gas von Gazprom bezogen, nämlich über die Jamal-Gaspipeline. Als Warschau jedoch die Forderung Moskaus abgelehnt hatte, die Ware in Rubel zu bezahlen, beendete der russische Staatskonzern die Lieferungen nach Polen. Seitdem beansprucht Orlen vor Gericht Schadenersatzzahlungen von Gazprom.
Die Entwicklung deutet auf eine weitere Spaltung innerhalb der EU in der Russland-Frage. Während der Westen kein russisches Pipeline-Gas mehr bekommt und die Beschränkungen für russisches Flüssigerdgas, oder LNG, diskutiert, lassen sich die Länder in Mittel- und Osteuropa noch nach bestehenden Langfristverträgen von Gazprom beliefern. Bis zum Ende des Jahres läuft noch der russische Transitvertrag mit der Ukraine, aber vor allem die TurkStream gewinnt an Bedeutung. Auf diesem Weg fließt russisches Gas auch nach Griechenland und in den Balkan.
Ungarn, Österreich und die Slowakei bleiben jedoch die größten Abnehmer des russischen Pipeline-Gases in Europa. Budapest habe deswegen bereits im Mai ein Dekret erlassen, um die mögliche Beschlagnahme von Zahlungen des staatlichen Energiekonzerns MVM CEEnergy an Gazprom durch eine Gerichtsentscheidung zu verhindern, schreibt Reuters. Die Begründung: Dies würde Ungarns Energieversorgung gefährden.
Die österreichische OMV kommentierte ihrerseits gegenüber Reuters, Gazprom könnte seine Gaslieferungen einstellen, wenn ein ausländisches Gerichtsurteil die OMV verpflichten würde, die Zahlungen nicht an den russischen Gasriesen, sondern an ein großes europäisches Unternehmen zu tätigen. OMV nannte den Namen des Unternehmens nicht. Gemeint wurde jedoch offensichtlich die polnische Orlen, die sich selbst nicht zu laufenden Gerichtsverfahren äußern möchte.
Die OMV steht zu ihren Gaskäufen aus Russland, solange es weiterhin keine EU-Sanktionen gegen russisches Pipeline-Gas gibt. „Solange es eine Abhängigkeit von russischen Gaslieferungen gibt, besteht ein erhebliches Risiko eines entsprechenden Versorgungsausfalls mit weitreichenden Folgen“, heißt es aus dem österreichischen Energieministerium. Der slowakische Gaskonzern SPP, der sein Gas ebenfalls bei Gazprom kauft, teilte seinerseits mit, dass eine kürzlich erfolgte Gesetzesänderung das Unternehmen vor einer möglichen Beschlagnahmung seiner russischen Gasimporte oder der Zahlungen dafür schütze.
Um welche Summen geht es? Allein von MVM CEEnergy soll Orlen über 350 Millionen Dollar als Sicherheit für die Schulden Gazproms verlangt haben, sagte eine Reuters-Quelle unter Berufung auf ein Urteil eines Warschauer Gerichts. Der deutsche, inzwischen verstaatlichte Energieversorger Uniper gewann Anfang Juni in Stockholm einen mehrere Milliarden Euro schweren Schiedsprozess gegen Gazprom. Es gilt jedoch als unwahrscheinlich, dass Gazprom wirklich zahlt.
Im vergangenen Jahr hatte zudem Europol Gaz, das den polnischen Abschnitt der Jamal-Gaspipeline betreibt und zu Orlen gehört, eine Forderung in Höhe von 1,45 Milliarden Dollar gegen Gazprom wegen überfälliger Transit-Zahlungen entgangener Einnahmen aus Gastransportdienstleistungen nach 2022 eingereicht. Die Klage von Europol Gaz gegen Gazprom wurde vor demselben Schiedsgericht in Stockholm eingereicht, doch das Urteil steht noch aus.
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