Geburtstagskind Rangnick als Architekt des ÖFB-Erfolgslaufs
Geburtstagskind Rangnick als Architekt des ÖFB-Erfolgslaufs
Ob Österreichs Fußball-Nationalmannschaft für Ralf Rangnick zu dessen 66. Geburtstag am Samstag ein Ständchen geplant hat, ist noch unklar. Anbieten würde sich ein alter Hit von Udo Jürgens mit einer leichten Textadaption. "Mit 66 Jahren, da fängt das Turnier an" wäre durchaus passend, schließlich greift man am Dienstag im EM-Achtelfinale gegen die Türkei nach einem historischen Erfolg. Verfrühte Geschenke der Spieler gab es mit den Siegen über Polen und die Niederlande.
Der Einzug in die K.o.-Phase als Erster der gemäß Weltrangliste stärksten EM-Gruppe bildet den vorläufigen Höhepunkt in Rangnicks Teamchef-Ära. Der Deutsche schmiedete aus einer Ansammlung von hochkarätigen Spielern eine dermaßen schlagkräftige Mannschaft, dass sogar Frankreich und die Niederlande das Nachsehen hatten.
Begonnen hat für Rangnick alles beim FC Viktoria Backnang, bei dem er Mitte der 1980er-Jahre als Spielertrainer tätig war. Weiter ging es unter anderem bei Reutlingen, Ulm, Stuttgart, Hannover und Schalke. Mit den "Königsblauen" gewann er 2011 den DFB-Pokal und damit seinen bis dato einzigen großen Titel als Trainer.
Davor hatte Rangnick die TSG Hoffenheim mit Mäzen Dietmar Hopp von der 3. in die 1. Liga geführt, danach leitete er ab 2012 die Geschicke des Fußball-Imperiums von Red Bull. Der Schwabe krempelte die Teams in Salzburg und Leipzig komplett auf Pressing um, diese Philosophie wurde konzernweit auch in allen Nachwuchsmannschaften umgesetzt. Spieler wie Konrad Laimer, Nicolas Seiwald oder Xaver Schlager bekamen seine Ideen von klein auf eingebläut.
Nun erntet Rangnick, was er gesät hat. Mehr als ein Drittel des aktuellen ÖFB-Kaders verfügt über Red-Bull-Fußball-Erfahrung auf Vereinsebene, der Rest weiß seit zwei Jahren Bescheid. Im Juni 2022 trat Rangnick sein Amt beim ÖFB an, zum Debüt gab es ein 3:0 beim damaligen Vizeweltmeister Kroatien. Zwar konnte der Abstieg aus der höchsten Nations-League-Etage nicht vermieden werden, doch Rangnicks Arbeit begann zu greifen, wie ein 2:0-Testspielsieg über Europameister Italien und vor allem die darauffolgende souveräne Qualifikation für die EURO 2024 bewiesen.
Spätestens mit dem 2:0 gegen Deutschland im vergangenen November wurde eine Euphorie entfacht, wie sie zuletzt vor der EM 2016 entstanden war. Im Gegensatz zur Endrunde in Frankreich wurde die ÖFB-Auswahl beim Turnier in Deutschland ihren Vorschusslorbeeren auch gerecht. Als Konsequenz liegt ganz Fußball-Österreich einem Mann zu Füßen, der in seiner Anfangszeit in Deutschland noch belächelt wurde.
Rangnick führte den SSV Ulm Ende der 1990er Jahre mit einer erfrischenden Spielweise in die 2. Liga und wurde daraufhin ins ZDF-Sportstudio eingeladen, wo er über "Viererkette" und "ballorientiertes Verschieben" dozierte - Begriffe, die im einstigen Land der Liberos und Manndecker Fremdwörter waren. Damals noch als "Besserwisser" tituliert und mit dem Spitznamen "Professor" versehen, belehrte Rangnick alle Zweifler eines Besseren, darunter auch Uli Hoeneß.
Der Ehrenpräsident des FC Bayern machte sich im Frühjahr so wie alle übrigen Verantwortlichen des deutschen Rekordmeisters für eine Verpflichtung Rangnicks als Coach der Münchner stark. Dem spröden Außenseiter von anno dazumal wurde das begehrteste Amt im deutschen Vereinsfußball quasi vor die Füße gelegt - und er sagte ab. Es sei die schwerste Entscheidung seiner Karriere gewesen, aber sie fühle sich nach wie vor richtig an, betonte Rangnick in den vergangenen Wochen mehrmals.
Richtiger als nach dem 3:2 gegen die Niederlande hat sich die Entscheidung wohl noch nie angefühlt. Rangnick tanzte nach dem Schlusspfiff vor der österreichischen Fankurve auf dem Rasen des Olympiastadions und herzte seine Spieler innig. In Österreich wohnhaft ist Rangnick schon seit längerem, so richtig angekommen ist er spätestens seit dieser EM.