Neues Quartier in Frankfurt verändert den Rotlichtbezirk
An der grünen Fassade vorbei in die grüne Gasse: So soll das Quartier Main Yard nach der Fertigstellung 2025 aussehen.
Es kommt nicht oft vor, dass in der Frankfurter Innenstadt eine neue Straße angelegt wird. Manchmal wurden untergegangene Stadtgrundrisse wiederhergestellt, etwa im Dom-Römer-Quartier. Aber die neue Verbindung, die jetzt langsam im Allerheiligenviertel erkennbar wird, gab es früher nicht. Eine „grüne Gasse“ entsteht im neuen Quartier „Main Yard“, das die Ort Group aus München am Rande des Rotlichtbezirks errichtet. Autos sollen dort nicht fahren, es sind Bäume, insektenfreundliche Pflanzinseln und Sitzgelegenheiten vorgesehen.
Der Frankfurter Architekt Manfred Wenzel hat mit seinem Büro Tektonik die Straße als „grünen Aufenthaltsraum“ geplant. Inspirieren lassen hat er sich von Planungen in Barcelona, aber auch von französischen Mittelstädten, die den öffentlichen Raum umbauen, um ihn an den Klimawandel anzupassen. Das Projekt hält er für richtungsweisend in Frankfurt: „Wir sind der Auffassung, dass in ähnlicher Art und Weise bis zu 20 Prozent der Straßen innerhalb der Wallanlagen umgestaltet werden könnten.“
Noch ist hinter den Gerüsten nicht viel von den Fassaden der Häuser mit Wohnungen und einem Hotel zu erkennen.
Seit 14 Jahren plant Wenzels Büro an dem Quartier zwischen Breite Gasse, Allerheiligentor und Lange Straße. Der erste Auftrag kam noch vom früheren Eigentümer eines Teils des Grundstücks, dem Immobilienunternehmer Hersch Beker. Schnell habe er erkannt, dass das ursprünglich von der Stadt vorgesehene Konzept nicht funktioniert, berichtet Wenzel. Im Bebauungsplan war eine schmale Gasse vorgesehen, die von der Allerheiligenstraße aus erst nach Norden führt und dann nach Westen abknickt. Das wäre nicht attraktiv gewesen, meint Wenzel. Er hat stattdessen eine 140 Meter lange und 14 Meter breite Direktverbindung vom Allerheiligentor zur Breiten Gasse vorgeschlagen. Sie zweigt im 45-Grad-Winkel von der Allerheiligenstraße nach Norden ab. Damit wird die städtebauliche Figur kopiert, die es schon lange an der Einmündung der Battonnstraße in die Allerheiligenstraße gibt.
Von den Wohnungen in den oberen Etagen aus ist die Skyline zu sehen.
Entstanden ist ein großzügiger Eingang zum Quartier mit zwei markanten Kopfbauten, die sich zur belebten Kreuzung am Allerheiligentor hin orientieren. Dort kann es durchaus auch laut werden, weshalb das Ruby-Hotel, das an der Langen Straße entsteht, an dieser Seite keine Fenster hat, sondern eine komplett begrünte Fassade.
„Wie in Paris“
Noch ist diese allerdings von Gerüsten verdeckt. Doch nach der Fertigstellung im nächsten Jahr markiert sie den Eingang zu der neuen Straße, auf der sich auch die in den Erdgeschossen vorgesehenen Gaststätten mit Freisitzen ausbreiten können. Neben dem Hotel und einem Apartmenthaus entstehen auf beiden Seiten vor allem 280 Mietwohnungen, 15 davon öffentlich gefördert. Große Fenster hat Wenzel geplant, die Fassaden der bis zu siebengeschossigen Gebäude sind gegliedert und ein wenig gefaltet. „Ich wollte vermeiden, dass die Straße wie ein langer Schlauch wirkt.“ Es gibt Terrassen, die Mieter zum Teil gemeinsam nutzen können. Ganz oben gibt es Skyline-Blick. Zur Fußgängerzone hin gibt es kleine Austritte. „Wie in Paris“, sagt Wenzel.
Um das gesamte „Main Yard“-Areal werde sich ein Quartiersmanager kümmern, erläutert Sonja Teichner, Standortleiterin der Ort Group. „Man kann das nicht sich selbst überlassen.“ Denkbar seien auf der neuen Straße Veranstaltungen wie ein Weihnachtsmarkt. Im Norden stößt die neue Privatstraße auf eine Fläche, die heute noch für die Baustelleneinrichtung genutzt wird. Dort ist im Bebauungsplan ein Quartiersplatz vorgesehen. Wann dieser kommt, ist aber noch offen.
Die neue Straße erhält nach einem Beschluss des Ortsbeirats den Namen „Am Städelshof“. Diese Bezeichnung erinnert an die Geschichte des Ortes, denn dort befand sich einst der Handelshof von Johann Friedrich Städel, dem Stifter des nach ihm benannten Kunstinstituts. Nach dem Städelshof war bisher eine kleine Sackgasse benannt, die von der Langen Straße in das Quartier führt. Sie heißt künftig „Lola-Montez-Gasse“ – eine weitere Reminiszenz an die Geschichte des Geländes. Denn dort hatte der Kunstverein Familie Montez bis 2012 sein erstes Domizil in einer alten Markthalle. Längst ist der von Städel-Schüler Mirek Macke geleitete Verein in neue Räume unter der Honsell-Brücke umgezogen. Doch mit dem Neubauprojekt kehrt er zu seinen Wurzeln zurück: Der Durchgang vom Städelshof zur Allerheiligenstraße wird zu einer Kunstpassage, für deren Gestaltung der Bauherr des „Main Yard“ mit dem Montez kooperiert.
Aber auch schon während der Bauphase hat die Kunst einen festen Platz. Zu überregionaler Bekanntheit hat es zu Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine eine große Friedenstaube an der Brandwand eines denkmalgeschützten Altbaus an der Allerheiligenstraße gebracht. Die Wand ist mittlerweile im Neubaukomplex verschwunden. Ob das Gebäude erhalten werden kann, ist angesichts der schlechten Bausubstanz noch offen. Die Ort Group will aber auch hier an die Geschichte anknüpfen: Sie könne sich vorstellen, das bekannte Bierlokal „Die Sonne von Mexiko“, das sich dort einst befand, wieder auferstehen zu lassen, sagt Sonja Teichner. Entweder in den Originalräumen – oder in einem Neubau, der genauso aussieht. Historische Fotos als Vorlage werden noch gesucht.