Zinssorgen schicken Europas Aktienmärkte auf Talfahrt

zinssorgen schicken europas aktienmärkte auf talfahrt

ARCHIV: Das DAX-Logo ist im Handelssaal der Börse in Frankfurt, Deutschland, am 29. Dezember 2017 zu sehen. REUTERS/Ralph Orlowski

Frankfurt (Reuters) – Die Furcht vor anhaltend hohen US-Zinsen hat die Anleger an den europäischen Börsen verschreckt.

Nach einem freundlichen Wochenstart büßten Dax und EuroStoxx50 um rund 1,5 Prozent auf bis zu 17.749 beziehungsweise 4904 Punkte ein. “Auch an der Wall Street ist gestern eine außergewöhnliche Hausse vorläufig beendet worden”, konstatierte Jochen Stanzl, Analyst beim Broker CMC Markets. “Mit einer restriktiven Geldpolitik, der angespannten Situation im Nahen Osten und einer holprig begonnenen Berichtssaison in New York ist Sand ins Getriebe gekommen.”

Zuvor waren auch die asiatischen Börsen der Wall Street ins Minus gefolgt. Erneut heizten robuste Konjunkturdaten die Furcht vor einer späteren Zinswende in den USA an. Die US-Einzelhandelsumsätze für März waren deutlich stärker ausgefallen als erwartet. Dadurch wurden Spekulationen weiter befeuert, dass es die US-Notenbank Fed in diesem Jahr angesichts der brummenden Wirtschaft und der hartnäckigen Inflation nicht eilig haben wird, die Zinsen zu senken. “Der Mai, Juni und Juli wurden als Termine für wahrscheinliche Zinssenkungen der Fed aus den Kursen ausgepreist”, sagte Stanzl. “Nun müssen Anleger den Sommer also wahrscheinlich ohne geldpolitische Schützenhilfe überstehen und erst mit Herbstbeginn im September könnten die Leitzinsen erstmals sinken.”

ANGST STATT GIER

Schnäppchenjäger, die bislang bei nur ein- oder zweihundert Punkten Minus beim Dax wieder eingestiegen sind, blieben dem Markt auf einmal fern, sagte RoboMarkets-Stratege Jürgen Molnar. Die Gier sei plötzlich in Angst umgeschlagen. “Die Unsicherheit an den Börsen ist aktuell so hoch wie lange nicht”, kommentierte auch Thomas Altmann, Portfoliomanager beim Vermögensverwalter QC Partners. Auch die geopolitischen Spannungen in Nahost hielten die Risikobereitschaft in Schach.

Unterdessen zog die Rendite zehnjähriger Bundesanleihen leicht auf bis zu 2,459 Prozent an. In den USA hielten sich die Renditen zehnjähriger Treasuries mit 4,649 Prozent dicht unter dem am Vortag erreichten höchsten Stand seit November. Der Dollar-Index legte um bis zu 0,2 Prozent auf 106,43 Punkte zu.

Auch unerwartet gute Wirtschaftsdaten stimmten Anleger nicht zuversichtlicher. Die chinesische Wirtschaft hat im ersten Quartal dank boomender Exporte überraschend an Schwung gewonnen. Das Bruttoinlandsprodukt legte um 5,3 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum zu und damit deutlich stärker als gedacht. Allerdings verschärft sich die Immobilienkrise in China: Die Preise für neue Wohnungen sind im März so stark gefallen wie seit über acht Jahren nicht mehr.

FESENIUS GEFRAGT – DR MARTENS IM FREIEN FALL

Größter Dax-Gewinner mit einem Plus von rund vier Prozent war Fresenius, nachdem der Gesundheitskonzern die Markteinführung von Tyenne, seinem Tocilizumab-Biosimilar zur Behandlung chronischer Autoimmunerkrankungen, in den USA bekanntgegeben hatte. Auch Beiersdorf gehörte mit einem Kursplus von bis zu 2,0 Prozent zu den wenigen Gewinnern. Der Hamburger Konzern hat im ersten Quartal auch nach dem Rekordjahr 2023 Zuwächse erzielt und die Umsatzprognose für das Gesamtjahr angehoben.

Nach einem überraschend starken Ergebnis zum Jahresauftakt stiegen Anleger zudem bei Ericsson ein. Die Titel des Telekommunikationsausrüsters zogen in Stockholm in der Spitze um mehr als acht Prozent an. Die bereinigte Bruttomarge habe die Erwartungen deutlich übertroffen, teilten die Analysten von Jefferies mit. Hintergrund seien Kostensenkungen und ein wettbewerbsfähiges Produktportfolio. Allerdings bereite die aktuelle Umsatzschwäche etwas Sorge.

Die Aktien des britischen Schuhherstellers Dr Martens brachen dagegen um 30 Prozent auf ein Rekordtief ein. Anleger nahmen reißaus, nachdem die Firma einen neuen CEO ernannt und zugleich vor einem herausfordernden Geschäftsjahr 2025 gewarnt hat, da die Nachfrage in den USA, dem größten Markt des Unternehmens, schwach sei. Auf dem Chefsessel soll Chief Brand Officer, Ije Nwokorie, Kenny Wilson nachfolgen. Wilson hat erklärt, dass dies sein letztes Jahr an der Konzernspitze sein werde.

(Bericht von Stefanie Geiger, redigiert von Kerstin Dörr. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter [email protected] (für Politik und Konjunktur) oder [email protected] (für Unternehmen und Märkte)

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