„Zum Fremdschämen“: Direktor spricht von „überschrittener Linie“ und verlässt Abi-Feier
Gespaltene Schulfamilie
„Zum Fremdschämen“: Direktor spricht von „überschrittener Linie“ und verlässt Abi-Feier
Provokant war die Rede der Abiturienten Jost von Hagel und Olivia Aturcanitei.
Die Absolventen-Rede und die Reaktion von Direktor Höß auf der Entlassfeier spalten die Schulfamilie am Gymnasium Dorfen.
Dorfen – Schockstarre herrschte bei der Entlassfeier am Freitag im Dorfener Gymnasium (Bayern). Direktor Markus Höß kündigte am Ende seiner Rede an, dass er und sein Stellvertreter Wolfgang Lanzinger keine Abschlusszeugnisse überreichen würden (wir berichteten). In der Aula brach kurzzeitig ein Sturm der Entrüstung los. Buhrufe und Pfiffe unterbrachen die Rede. „Was auch immer du tust, tu es klug und bedenke die Folgen“: Das riet Höß schließlich den Absolventen in Bezug auf manche Entgleisungen, angefangen vom Abi-Streich über die Abi-Zeitung bis hin zur Abi-Rede wenige Minuten zuvor – und verließ die Aula.
Abi-Eklat in Dorfen: Der Streit begann mit der Abi-Zeitung
Auch die Oberstufenkoordinatoren Silke Kröger und Bernhard Folger waren offensichtlich überrascht vom Verlauf der Feierstunde und überreichten schließlich die Zeugnisse.
Schon beim anschließendem Sektempfang im Schulhof hagelte es Kritik von Eltern und Schülern. Weit über Dorfen hinaus wird über den Eklat diskutiert, auch in der Facebook-Gruppe „Dorfen“. „Was für ein blamabler Mangel an Souveränität“, ist dort zu lesen. „Wie traurig für die Abiturientinnen und Abiturienten“, schreibt auch Erdings 2. Bürgermeisterin Petra Bauernfeind.
Für Höß war sein Abgang allerdings eine logische Konsequenz, wie er auf Nachfrage erklärt. „Bei der Ansprache der Abiturienten wurde die rote Linie endgültig überschritten.“ Auch Abiturient Jonas Kraus sieht das so. Die Rede von Jost von Hagel und Olivia Aturcanitei sei dem Anlass nicht angemessen gewesen. Er hätte eigentlich als dritter Redner mit auf die Bühne gehen sollen. Nachdem er das Manuskript seiner Mitschüler gelesen hatte, verzichtete er auf den gemeinsamen Auftritt.
Die beiden Redner bezeichneten Höß als „Gefängnis-, äh Schulleiter“, auch andere Lehrer wurden angegriffen. „Wir waren nicht der einfachste Jahrgang“, räumte von Hagel zwar ein. Das habe aber nicht an ihnen, sondern am „diktatorischen System des Dorfener Gymnasiums“ gelegen. Ärger hätten sie allein deshalb gehabt, weil sie „die Autoritäten hinterfragt“ und ihre Meinung vertreten hätten. „Hier ist kein Platz für rebellierende Fragen“, schloss Aturcanitei.
Die Abi-Zeitung haben die Macher abseits des Schulgeländes verkauft, um einer Zensur durch die Schulleitung zu entgehen. Das ist zumindest unüblich, in der Regel sprechen Abschlussjahrgang und Direktorat den Inhalt ab. Den Vorwurf der Dorfener Schulleitung, dass in der Abi-Zeitung fast nur Fotos von Partys zu sehen seien, fand von Hagel lächerlich: „Wir sind keine Kommunionkinder mehr und singen nicht im Kirchenchor“, rechtfertigte er die Bildauswahl. Die Schule könnte ein bisschen mehr Humor vertragen, fanden die beiden Absolventen. Dafür gab es Applaus. Höß habe sich auch beim Abi-Streich völlig humorlos gezeigt, monierten die Schulabgänger.
Weil es den Abiturienten beim Abi-Streich anders als ihren Vorgängern nicht erlaubt war, Wasserbomben zu werfen, überzogen sie Klassenzimmer und Gänge mit Rasierschaum – benachbarte Häuser ebenfalls. In der Schule lagen nach Informationen unserer Zeitung leere Wodka- und Sektflaschen herum. Eine geköpfte Pappmaschee-Puppe, in ähnlicher Kleidung, wie Rektor Höß sie trägt, erschreckte jüngere Mitschüler, wie unserer Zeitung berichtet wurde.
„Jetzt ist Schluss“: Rede wurde abgebrochen – Schülersprecherin verteidigt Schulleiter
Die Rede brachte das Fass zum Überlaufen. „Jetzt ist Schluss“, sagte Höß. Das sei verständlich, meint auch sein Stellvertreter Wolfgang Lanzinger auf Nachfrage. Er verwies darauf, dass gerade dieser letzte G8-Jahrgang von den Lehrkräften stark unterstützt worden sei und man sich alle Mühe gegeben habe, damit auch jene Abiturienten, die in die Nachprüfung mussten, das Abi bestehen. „Wir waren immer für die Schüler da.“
Schülersprecherin Hannah Linsmayer meldete sich am nächsten Tag bei der Redaktion. „Eine respektlose Rede“, findet sie. Sie könne Direktor Höß nur gute Noten ausstellen, so wie viele ihrer Klassenkameraden. Die Meinung der Schüler werde sehr wohl gehört und berücksichtigt. Sie habe die Feier „zum Fremdschämen“ gefunden, sagt die Elftklässlerin.
Denn nicht nur Absolventen buhten Höß aus, auch ein paar Mütter und Väter skandierten „Es reicht“ – was in der übrigen Elternschaft als unpassend empfunden wurde. „Das war unfair und peinlich“, so Linsmayer, die sich als Organisatorin der Feier einen harmonischen Ablauf gewünscht hätte.
Elternbeiratsvorsitzender Simon Dörr lobt die Zusammenarbeit mit Höß in einem Telefonat. Als Schulleiter in Buchbach habe er auch schon schwierige Jahrgänge gehabt. Eine Abschlussfeier sollte nie „die Bühne zum Nachtreten“ sein, wirft er den Abiturienten vor. „Schwierigkeiten müssen vorab oder im Nachgang ausgeräumt werden.“ Darauf angesprochen, sagt Höß: Die Protagonisten seien in den vergangenen Wochen an keinem Dialog interessiert gewesen, trotz vieler Angebote habe die Gruppe keine Gesprächsbereitschaft gezeigt.