Bulgarien: Orthodoxe Kirche wählt prorussischen Geistlichen zum neuen Oberhaupt
Bulgariens Staatschef Rumen Radew gilt als russlandfreundlich, den nächsten Nato-Gipfel im Juli will er schwänzen. Die Geistlichen in seinem Land sehen das offenbar ähnlich und haben für einen Ukrainekritiker als neuen Patriarchen votiert.
Die orthodoxe Kirche in Bulgarien hat nach dem Tod von Patriarch Neofit einen prorussischen Nachfolger zu ihrem Oberhaupt gewählt. Der 52-jährige Metropolit Daniil bekam die Stimmen von 69 der 138 Delegierten des Kirchenrats, wie die Heilige Synode am Sonntag mitteilte. Er setzte sich in einer Stichwahl gegen den 50-jährigen Hryhoriy durch, der von 66 Delegierten unterstützt wurde und dem ein neutrales Verhältnis zum Kreml nachgesagt wird.
DER SPIEGEL fasst die wichtigsten News des Tages für Sie zusammen: Was heute wirklich wichtig war - und was es bedeutet. Ihr tägliches Newsletter-Update um 18 Uhr. Jetzt kostenfrei abonnieren.
Der bulgarische Patriarch wird auf Lebenszeit gewählt. Patriarch Neofit war im März im Alter von 78 Jahren gestorben. Die orthodoxe Kirche in Bulgarien gilt traditionell als moskaunah, äußert sich aber normalerweise nicht zu aktuellen Geschehnissen. Neofit hatte allerdings zu einem Ende des Krieges in der Ukraine aufgerufen.
Der neue Metropolit Daniil hatte 2023 in einer Videobotschaft seine Unterstützung für den Kreml bekundet. Bereits im November 2022, wenige Monate nach dem russischen Einmarsch in der Ukraine, hatte Daniil seinen Priestern Anweisungen erteilt, in denen er die Tendenz kritisierte, »Hass gegen eine der kriegsführenden Parteien zu säen, die als einziger unprovozierter Aggressor bezeichnet wird«. Vor seine Wahl zum Patriarchen war Daniil der Metropolit von Vidin.
Rund zwei Drittel der Menschen in Bulgarien gehören der Bulgarisch-Orthodoxen Kirche an. Die Wahl passt zur Politik des aktuellen Präsidenten.
Der als russlandfreundlich geltende bulgarische Präsident Rumen Radew möchte wegen der Ukrainepolitik der Regierung in Sofia nicht am bevorstehenden Nato-Gipfeltreffen in Washington teilnehmen. Die Pressestelle des Präsidialamtes begründete am vergangenen Donnerstag Radews Weigerung, die bulgarische Delegation beim Nato-Gipfel zu leiten, mit seinen Differenzen mit der bulgarischen Regierung über einen Teil der Positionen des Landes für den Nato-Gipfel. Dabei geht es laut Präsidialamt um Verpflichtungen, die Bulgarien im Ukrainekrieg übernimmt. Radew habe aber vom ersten Tag des Krieges an die russische Aggression scharf verurteilt, hob die Mitteilung hervor.
Die Regierung in Sofia hatte am Mittwoch die Rahmenpositionen Bulgariens für das Nato-Gipfeltreffen vom 9. bis 11. Juli in Washington gebilligt. Das vertrauliche Dokument wurde zunächst nicht veröffentlicht. Der 61-jährige Ex-General Radew war früher Kampfjet-Pilot und Chef der Luftstreitkräfte seines Landes. Er sieht keine militärische Lösung für den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Deswegen kritisiert er immer wieder die militärische Unterstützung der bulgarischen Regierung für Kiew.